Traditionelle Rollenbilder
Corona katapultiert Frauen zurück in Vergangenheit
Am Sonntag feiern wir Muttertag. Wie die Krise nicht ohne Frauen bewältigt werden kann und damit gleichzeitig alte Rollenbilder zementiert.
ÖSTERREICH. 38 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher – und 43 Prozent der Frauen/35 Prozent der Männer - sind der Meinung, dass wir uns in der Corona Krise wieder stärker zurück zu traditionellen Geschlechterrollen entwickeln.
Eine Krise ist immer anfällig für das Zurückfallen in alte Muster. Verhaltensweisen und Ansichten, die Halt und Sicherheit versprechen, werden in Zeiten der Unsicherheit gerne und unbewusst wieder übernommen. Vieles, das mühsam und hartnäckig eingefordert wurde, zählt jetzt nicht mehr und wird schnell mit dem Hinweis auf andere Sorgen abgetan.
Die Rückkehr zu alten Mustern lässt sich relativ leicht daran beobachten, dass es kaum weibliche Expertinnen gibt, die über Virus, Ansteckung und das Hochfahren der Wirtschaft sprechen. Auch die Vierer-Runde der Regierung besteht nur aus Männern. Über das Öffnen von Kindergärten wird im Vergleich zu Fußball wenig gesprochen. Frauenfragen sind aktuell nur Thema, wenn es um Frauen als Opfer häuslicher Gewalt geht, wie Sophie Karmasin vom Institut "Karmasin Research & Identity" zu Bedenken gibt. Die Corona Krisenreaktion produziere also nicht nur schwere wirtschaftliche Folgen, sondern verstärke auch wieder Differenzen zwischen den Geschlechtern.
Dank alleine zu wenig
In der Lockdown Phase haben die vielen Einzelhandelsverkäuferinnen, Pflegekräfte, Polizistinnen, Lehrerinnen, Ärztinnen und Arbeiterinnen das System aufrecht erhalten. Die Frauen in den Systemberufen sind krisenresistent und notwendig für das Funktionieren unseres Lebens. Das wurde bemerkt und es wurde ihnen öffentlich gedankt, so Karmasin. Dennoch: Der Dank alleine ist noch nicht die Währung für Wertschätzung in einer Gesellschaft. Es ist neben der sozialen Anerkennung das Einkommen. Wir sind gespannt, ob die Erkenntnis, dass die vielen „Corona Frauen“ einen hervorragenden Job gemacht haben, sich auch in der Entlohnung niederschlagen wird und Frauenberufe nicht immer schlecht bezahlt bleiben.
Unbezahltes Home Office
Die Doppelbelastung wird für Frauen in Corona Zeiten stärker, sagen offen 69 Prozent der ÖsterreicherInnen (76% der Frauen). 60 Prozent meinen (65% der Frauen), die Vereinbarkeit von Home Schooling und Home Office belastet Frauen mehr als Männer. Das sehen sie richtig.
Home Office ist eine sinnvolle Möglichkeit, um die flexible Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Kinderbetreuung zu steigern und letztendlich die Berufstätigkeit und Karriere von Frauen zu begünstigen. Klimabelastende Wege fallen zusätzlich weg. Home Office in Zeiten von Corona hat aber damit nichts zu tun. Home Office läuft aktuell gegen Frauen. Aber wer traut sich das zu kritisieren in Zeiten der Krise, die von uns allen Solidarität abfordert?
Frauen machen Home Schooling
Beim ursprünglichen Gedanken für Home Office war nicht vorgesehen, dass Kinder und Väter den ganzen Tag zuhause sind und elterliche Unterstützung bei den (digitalen) Schulagenden benötigen. Es sind aber aktuell die Frauen, die diese Tätigkeiten übernehmen: In Haushalten mit Kindern bis 15 Jahren und Home Office kümmern sich 45 Prozent der Frauen alleine um das Home Schooling, in 34 Prozent der Haushalte beide (spannend, dass diese Gemeinsamkeit 48% der Männer, aber nur 15% der Frauen so sehen), 7 Prozent die Männer, aber auch 14 Prozent keiner oder jemand anders. Wie soll das funktionieren, wenn Frauen einem Job oder einer Karriere nachgehen müssen oder wollen? Und was bedeutet das für Kinder, die sich nicht so leicht in der Schule tun?
Nur nebenbei sind die Insignien der Home Office Macht bei den Männern: Tendenziell haben in Home Office Haushalten die Männer eher ein eigenes Zimmer und einen eigenen Schreibtisch zur Verfügung. Hier unterscheidet sich die Wahrnehmung zwischen Frauen und Männern relativ stark, was zu Meinungsverschiedenheiten führen könnte.
Die Krise führt also zurück in alte Muster und Ungerechtigkeiten. Neben allen wirtschaftlichen Hilfspaketen müssen wir auch darauf achten, dass Frauen durch Home Office und Home Schooling nicht stark unter Druck geraten und sich von ihrer Berufstätigkeit verabschieden und zurückfallen in finanzielle Abhängigkeiten. Das darf nicht die neue Normalität werden.
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