Nachbarschaftshilfe "KAESCH": Zeit ist Geld, weil Geld Zeit ist
Beim Tauschkreis-Verein "KAESCH" tauscht man nicht nur Waren miteinander, sondern vor allem Dienstleistungen. Als Währung fungiert die Zeit.
WIEDEN. Um sich für etwas zu engagieren, sei es Umwelt, Gesellschaft oder Politik, braucht es vor allem Eines: Zeit. Und genau die haben wir zumeist am aller wenigsten. Da zahlt man hier und dort mal lieber etwas mehr - und spart dafür etwas Zeit. Um dieses Geld zu verdienen, aber braucht es wiederum - richtig - Zeit. Ein Teufelskreis. Bei "KAESCH - dem Netzwerk für Nachbarschaftshilfe" dreht man den Spieß um: Zeit, und nicht länger Geld, wird zur Währung. Bei KAESCH tauscht man eine Stunde Sockenstricken gegen eine Stunde Programmieren, eine Stunde Rasenmähen gegen eine Stunde Regalaufhängen. Jede Arbeit zählt gleich viel, eine Stunde ist eine Stunde.
Unter dem Motto "Tauschen mit Gegenseitigkeit" besitzt ein jedes der Mitglieder ein Konto mit einem gewissen Zeitguthaben. Per Computer werden die sogenannten "KAESCH" als eine Art virtuelle Währung zwischen Mitgliedern transferiert. So können Dienstleistungen auch gegen Waren getauscht werden. Dabei gehe es jedoch nicht um einen rein ökonomischen Handel, sondern vor allem um ein "Nachbarschaftsgefühl", erklärt Elisabeth Degischer, Leiterin der Regionalgruppe "KAESCH auf der Wieden". Einmal monatlich trifft man sich zum KAESCH-Stammtisch, quatscht, tauscht sich aus, macht Geschäfte.
"Heute ist es mein Bezirk"
Der Tauschkreis-Verein habe eine gewisse "Integrationsfunktion", so Degischer. Sie selbst ist keine geborene Wienerin, doch seit sie seit rund vier Jahren bei KAESCH aktiv ist, habe Wieden für sie einiges an "Bezirkscharakter" hinzugewonnen. Man kennt sich, man grüßt sich auf der Straße. "Heute ist es mein Bezirk", so die 68-Jährige.
Viermal jährlich gibt es in der Zukunftshandlung auf der Wiedner Hauptstraße 60b einen KAESCH-Markt, eine Mischung aus Jahrmarkt und Familienfest. Dort kann nur in der KAESCH-Währung eingekauft werden. Nicht-Mitglieder erhalten beim Eintritt eine kleine Gutschrift. Angeboten wird neben Kulinarischen aus Nah und Fern allerhand Kreatives, Selbstgemachtes und das ein oder andere Schmuckstückchen. Natürlich kommen auch der Gesang und das Geschichtenerzählen nicht zu kurz.
"Weg von diesem finanziellen Kreislauf"
Eigentlich Ausrangiertes wiederverwerten, Dinge selbst machen oder reparieren - all das sind "Fähigkeiten, die die Leute nicht nutzen, weil sie lieber kaufen", erklärt die Regionalleiterin. "Tauschen bedeutet für uns: Weg von diesem finanziellen Kreislauf", so Degischer. "Ich war schon immer irgendwie interessiert an Alternativen", erklärt sie und verweist etwa auf das Wörgler Notgeld aus der Zwischenkriegszeit. "Ich sehe heute viele junge Leute aus der alternativen Szene. Die Ansätze und der gute Wille sind da, aber Themen wie der Kampf gegen die Wegwerfgesellschaft sind eben sehr zeitintensiv". Zeit, die den meisten leider fehle.
Dennoch glaubt die 68-Jährige an die junge Generation. Viele seien heute nicht mehr bereit, 40 Stunden oder mehr pro Woche in einem Job zu verbringen. Dass junge Menschen teilweise bewusst ihr Arbeitspensum zurückschrauben, einen niedrigeren Lebensstandard gerne in Kauf nehmen, um wieder mehr Zeit zur Verfügung zu haben, stimmt sie äußerst positiv.
Zur Sache
Die Agenda Wieden bietet in sozialen Institutionen im 4. und 5. Bezirk, wie der Nachbarschaftshilfe "KAESCH", ein Ehrenamt an. Der nächste "KAESCH"-Markt findet am Sonntag, den 25. Juni, von 14 bis 17 Uhr in der Zukunftshandlung, Wiedner Hauptstraße 60b im 4. Bezirk, statt. Alle Infos über den Verein KAESCH finden Sie hier
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