Wiederkehr
"Wiener Schulen stehen vor großen Herausforderungen"

Christoph Wiederkehr kritisiert das derzeitige System der Deutschförderklassen. | Foto: Maximilian Spitzauer/MeinBezirk
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Vizebürgermeister und Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) über die Herausforderungen an den Wiener Pflichtschulen und wie er diese angehen möchte.

WIEN. Rund ein Drittel der Kinder an Wiens Volksschulen sind außerordentliche Schüler. Das ist eine enorme Herausforderung für die Pädagoginnen und Pädagogen. MeinBezirk wollte von Vizebürgermeister und Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr wissen, welche Unterstützung die Pädagoginnen und Pädagogen erhalten und welche weiteren Maßnahmen es benötigt.

Unterstützungspaket für Pflichtschulen

Sie haben vor Kurzem ein neues Unterstützungspaket für Pflichtschulen präsentiert. Die Opposition sieht darin Kosmetik und Showpolitik. Sie kritisiert, dass 95 Schulsozialarbeiter für knapp 500 Pflichtschulen zu wenig seien. Wie sehen Sie das?
CHRISTOPH WIEDERKEHR: Es ist ein sehr großes Paket, das wir für den Schulstart geschnürt haben, da die Wiener Pflichtschulen vor immensen Herausforderungen stehen, beispielsweise durch die Familienzusammenführung. Da die Bundesregierung Wien nicht die Mittel zur Verfügung stellt, die notwendig wären, nehmen wir selbst 90 Millionen Euro in die Hand, um die Pflichtschulen zu unterstützen. Dabei geht es um mehr administrative Unterstützung, mehr Sozialarbeit und mehr Freizeitpädagogik, aber zum ersten Mal auch um ein Projekt, mit dem wir klinische Psychologen an die Schulen holen. Das ist ein wichtiger Schritt, aber es wird auch weiterhin eine Unterstützung der Pflichtschulen benötigen, denn sie sind besonders gefordert.

In Orientierungsklassen werden den Kindern die Grundwerte und sprachliche Kompetenz sowie ein Grundverständnis vermittelt. | Foto: contrastwerkstatt/stock.adobe.com
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Wird es jemals so sein, dass jede Wiener Pflichtschule Schulsozialarbeiter hat?
Ich hoffe schon. Mir ist wichtig, dass es für alle Schulen ein Support-System gibt. Da ist die Sozialarbeit eine wesentliche Säule, aber nicht die Einzige. Wir haben mehr als 200 Beratungslehrkräfte und es gibt Schulkooperationsteams aus der sozialen Arbeit, die die Schulen unterstützen. Ferner haben wir mit den Wiener Bildungschancen mit mehr als vier Millionen Euro ein Projekt ins Leben gerufen, bei dem Schulen auch externe Unterstützung buchen können, die direkt ins Klassenzimmer kommt. Mein Ansatz ist es, multiprofessionelle Teams zu schaffen, die allumfassend unterstützen.

Rund ein Drittel außerordentliche Schüler

Wie viele außerordentliche Schüler hat Wien heuer?
Leider zu viele. Wir haben an den Wiener Volksschulen rund ein Drittel außerordentliche Schülerinnen und Schüler. Einerseits ist das aufgrund der Familienzusammenführung, aber es gibt auch andere Gründe dafür, warum diese Kinder vor dem Schuleintritt nicht ausreichend Deutsch gelernt haben. Deshalb haben wir in Wien eine große Sprachoffensive gestartet, die unter anderem Sommerdeutschkurse beinhaltet. Das heißt, Kinder erhalten bereits im Sommer Unterricht, um die Sprache zu erlernen. Weiters sehen wir einen erhöhten Alphabetisierungsbedarf, daher gab es jetzt im Sommer auch eigene Alphabetisierungskurse, damit der Schulstart gut klappt.

Zugezogene Kinder müssen die deutsche Sprache erlernen und gleichzeitig dem Regelunterricht folgen. Ist das wirklich ein adäquates System, um Kinder rasch in Wien zu integrieren und im Bildungssystem zu verankern?
Das aktuelle System der Deutschförderklassen, unter Schwarz-Blau ein ideologisches Prestigeprojekt, hat nicht zum Erfolg geführt. Das liegt daran, dass diese Deutschförderklassen den Schulen zu wenige Freiräume lassen. Deutschförderung funktioniert immer dann besser, wenn die Schulen selbst entscheiden können, wie individuelle Deutschförderung passiert. Es benötigt einen Chancenindex, wie in London. Das bedeutet, dass die Schulen, die besondere Herausforderungen haben, auch mehr Unterstützung bekommen. In Österreich ist es allerdings so, dass eine Schule am Wörthersee mehr Geld pro Kind bekommt als eine Schule in Ottakring. Das ist ungerecht. Hier müsste das System von der Bundesregierung verändert werden.

Pilotprojekt Orientierungsklassen

Gibt es neben dem Chancenindex weitere Überlegungen?
Wir haben in Wien für jene Kinder, die im Zuge der Familienzusammenführung kommen und noch keine schulische Vorerfahrung haben, eigene Orientierungsklassen geschaffen. Dieses Pilotprojekt findet aktuell im Osten und im Westen Wiens statt. Dort werden den Kindern die Grundwerte und sprachliche Kompetenz sowie ein Grundverständnis vermittelt. Damit sind wir europaweit Vorreiter im Erproben neuer Formate, die notwendig sind. Es braucht mehr Flexibilität, etwa dass Kinder erst dann in die Schule kommen, wenn sie die grundsätzlichen Fähigkeiten dazu haben. Dazu braucht es aber einen rechtlichen Rahmen. Aktuell dürfen wir das nicht machen.

In Orientierungsklassen werden den Kindern die Grundwerte und sprachliche Kompetenz sowie ein Grundverständnis vermittelt. | Foto: contrastwerkstatt/stock.adobe.com
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Um mehr Platz zu schaffen, wurden Containerklassen errichtet, die bei den Eltern und Direktoren für große Aufregung gesorgt haben. Ist diese Aufregung aus Ihrer Sicht verständlich?
Ich verstehe die Aufregung, insbesondere der Schulen, weil die Herausforderung für sie riesig ist. Im vergangenen Schuljahr hatten wir deutlich mehr mehr Pflichtschülerinnen und Pflichtschüler. Das ist massiv. Meine Aufgabe als Bildungsstadtrat ist es, dass alle Kinder in Wien einen guten Schulplatz mit moderner Ausstattung haben und einen guten Unterricht bekommen. Dazu war es kurzfristig notwendig, mobile Schulklassen zu errichten.

Wie soll man Ihrer Meinung nach mit Straftätern, die unter 14 Jahre alt sind, umgehen?
Wir haben in Wien vermehrt unter 14-Jährige, die schwere Delikte begehen, von Raub bis zu Messerstechereien, wo auch Menschenleben gefährdet sind. Für diese Personen braucht es Konsequenzen. Es braucht wieder einen Jugendgerichtshof, der ja von der schwarz-blauen Regierung abgeschafft wurde und der auch Konsequenzen verhängen kann. Das könnten Neustartprogramme außerhalb Wiens sein, wo die Kinder altersadäquat begleitet werden, erlebnispädagogisch in einem anderen Umfeld sind, mal wegkommen von der Stadt, wo sie auf dumme Ideen gekommen sind, und dann auch einen Neustart in Wien schaffen.

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