Bei vollen Bezügen
Spanische stellt Bereiter nach 35 Jahren dienstfrei

Ein ehemaliger Bereiter wird nach erfolgreicher Klage auf Wiedereinstellung kurzerhand freigestellt.  | Foto: RegionalMedien Austria
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  • Ein ehemaliger Bereiter wird nach erfolgreicher Klage auf Wiedereinstellung kurzerhand freigestellt.
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Die teils aus öffentlicher Hand subventionierte Spanische Hofreitschule stellt ihren unliebsam gewordenen Bereiter Jochen Rothleitner außer Dienst, nachdem das Berufungsgericht erkannt hat, dass seine Entlassung im März 2022 tatsächlich nicht gerechtfertigt war. Bei der Freistellung handelt es sich um die nächste – kostspielige – Posse dieser Art innerhalb weniger Monate in den ehrwürdigen Hallen der Reitschule. Mit schwerwiegenden Folgen für ein wertvolles Kulturgut.

ÖSTERREICH/WIEN. Das Oberlandesgericht Wien hat am 29. Juli – nicht rechtskräftig – entschieden, dass die Berufung der Spanischen Hofreitschule – Lipizzanergestüt Piber im Urteil zur fristlosen Entlassung von Jochen Rothleitner, einer der Bereiter*, vor zwei Jahren abgelehnt wird. Das Berufungsgericht fand die Argumente der Spanischen Hofreitschule nicht überzeugend und hielt die Entscheidung des ersten Gerichts für richtig. Aber anstatt Rothleitner wieder einzustellen, stellt die "Spanische" den Mitarbeiter dienstfrei – er erhält weiterhin sein Gehalt, das zuletzt brutto monatlich beachtliche 6.079,80 Euro betrug – 14-mal jährlich. Und das, obwohl es um die "Spanische" finanziell nicht besonders rosig steht.

Zur Vorgeschichte: Seit August 1987 steht Rothleitner in einem unbefristeten, aufrechten Dienstverhältnis mit der Spanischen Hofreitschule – er war gerade einmal 15 Jahre alt, als er den Dienst mit den edlen, weißen Pferden antrat. Bis er Aussagen getätigt haben soll, die ganz objektiv keinen Platz im Arbeitsleben haben. Die Folge: eine fristlose Entlassung. Doch diese kam zu spät, wie das Arbeitsgericht im Jahr 2022 festgestellt hatte.

"Arsch"-Aussage

Bis auf eine Aussage – ein weiblicher Reitlehrling würde keinen besonderen Sattel (hinsichtlich der Größe) benötigen, da sie „eh keinen Arsch“ hätte – hat Rothleitner die ihm vorgeworfenen Aussagen stets bestritten und war deshalb – erfolgreich – vors Arbeitsgericht gezogen, um seine fristlose Entlassung anzufechten. Der heute 52-Jährige argumentierte, dass seine bestätigte Äußerung keinesfalls einen Entlassungsgrund im Sinne des § 34 VBG darstelle. Man hätte ihm überdies zuvor nie frauenfeindliches Verhalten vorgeworfen bzw. eine Verwarnung ausgesprochen, sondern vielmehr einen autoritären Führungsstil.

Und schließlich habe er zuvor Vorgänge rund um ein Ermittlungsverfahren kritisiert, in dem es darum ging, dass Ressourcen der "Spanischen" zum privaten Vorteil der Tochter des Aufsichtsratsvorsitzenden missbräuchlich verwendet worden seien und dies auf ausdrückliche Anweisung der Geschäftsführung gegenüber dem reiterlichen Personal – zu dem auch der Kläger zählte – erfolgt sei. Einen weiteren Konfliktpunkt hätten finanzielle Boni betroffen, die ihm die Geschäftsleitung geschuldet hätten.
 

"Fristlose" deckt sich zeitlich nicht mit Vorwürfen

Ende Juli gab das Wiener Landesgericht Rothleitner nach einer Berufung durch seinen Arbeitgeber erneut recht: Das Gericht stellte zwar fest, dass die Aussagen des Klägers gegenüber minderjährigen weiblichen Lehrlingen und einer Kollegin sexuelle Belästigung seien, was "zweifelsohne Pflichtverletzungen" darstellten. Jedoch wurde kein sich daraus ableitender Entlassungsgrund anerkannt. Und: Die Entlassung im März 2022 sei zu spät erfolgt. Nicht einmal habe die Hofreitschule – wie oft in disziplinarrechtlichen Fällen üblich – eine Suspendierung vorgenommen. 

Seit 2006 in der Spanischen Hofreitschule. In Piber werkte der Bereiter zwei Jahre lang, dann wurde er entlassen. | Foto: Rene van Bakel/Spanische Hofreitschule (es handelt sich nicht um den hier abgebildeten Bereiter)
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Kritischer Brief

Nun hat die Spanische jene Maßnahme ergriffen, mit der die Wiener Institution in den letzten Monaten bereits Erfahrung gesammelt hat: Sie stellt Rothleitner kurzerhand dienstfrei. Es handelt sich um die nächste Freistellung innerhalb kürzester Zeit. Erst im Vorjahr war der langjährige Oberbereiter Andreas Hausberger bei vollen Bezügen freigestellt worden, nachdem er die Geschäftsführung in einem internen Mail kritisiert hatte, mit dem Argument, dass er als "dienstältester Oberbereiter mit über 40-jähriger Erfahrung die Pflicht" habe, "auf Missstände und falschen Tendenzen" aufmerksam zu machen. "Da schüchtern mich Deine angedrohten dienstrechtlichen Konsequenzen nicht ein", hieß es in dem Schreiben an den damals neu angetretenen Geschäftsführer Alfred Hudler über die gesunkene Qualität sowie die Überforderung der Hengste. 

"Spanische" wie die Titanic

Die Hofreitschule, die im Jahr 2001 aus der öffentlichen Verwaltung ausgegliedert wurde, befinde sich seit „der Ausgliederung in einer nie dagewesenen Abwärtsspirale, sowohl was Tierwohl als auch die Qualität der Vorstellungen anbelangt“. Mittlerweile „wird man als Oberbereiter von den Zuschauern angepöbelt, ob man sich ob des Dargebotenen nicht schäme“, behauptete er.

Ausbildungsstufen könnten nicht mehr eingehalten werden, das Training müsse in die Vorstellung verlegt werden. Und weiter: „Durch die vielen geplanten Vorstellungen 2023 können überforderte Hengste nur durch vermehrten Einsatz von Sporen und Gerte durch das Programm gebracht werden“. Es seien sogar lahme Pferde für Vorstellungen eingesetzt worden.

Der ehemalige Bereiter gesteht zu, einmal eine Aussage über den Hintern eines weiblichen Reitlehrlings und dessen Größe, was den Sattel betrifft, gemacht zu haben. | Foto: Rene van Bakel/Spanische Hofreitschule
  • Der ehemalige Bereiter gesteht zu, einmal eine Aussage über den Hintern eines weiblichen Reitlehrlings und dessen Größe, was den Sattel betrifft, gemacht zu haben.
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„Die SHS ist momentan wie die Titanic: Das Schiff hat deutliche Schräglage, alle Rettungsboote sind über Bord geworfen, die Band spielt im Ballsaal … und man hofft, dass nicht noch mehr Wasser eindringt und sie untergeht“, skizzierte Hausberger die Zustände. Er forderte einen Systemwechsel oder aber den Rücktritt Hudlers. Der Oberbereiter wurde freigestellt und mit einem Betretungsverbot belegt, sein Profil wurde von der Homepage der Schule gelöscht.

Auf Anfrage antwortete die Spanische Hofreitschule, dass man zu laufenden Verfahren und Personalia keine Auskunft geben könne.*

Verlust des Wissens um "Hohe Kunst"

Die Freistellungen Hausbergers und Rothleitners und davor auch die des Oberbereiters Klaus Krzisch bedeuten für das Kulturland Österreich einen hohen Verlust des raren Wissens um die Hohe Kunst des Reitens. Denn die Gesellschaft hat offiziell folgende, im öffentlichen Interesse gelegene Aufgaben: neben der dauerhaften Erhaltung und traditionsgemäßen Zucht der Pferderasse Lipizzaner, sowie Zucht und Bereitstellung bestgeeigneter Hengste für die Spanische Hofreitschule, auch die Ausübung und Bewahrung der klassischen Reitkunst („Hohe Schule“) sowie der historischen Tradition der Spanischen Hofreitschule, die ursprünglich der reiterlichen Ausbildung der kaiserlichen Familie diente.

Sie ist dem Landwirtschaftsministerium zugeordnet und erhält keine Kulturförderung, obwohl sie als immaterielles Kulturerbe gilt. Eine Million Euro Förderung erhält die Hofreitschule für die Nachwuchsförderung aus dem Topf des Landwirtschaftsministers. 

Petition für eine "gesunde" Hofreitschule

* Die Spanische Hofreitschule wollte keine Stellungnahme zu der Causa abgeben, sondern forderte MeinBezirk unter Androhung einer Klage dazu auf, den Artikel offline zu stellen, weil er "einige Fehler" enthalte. MeinBezirk kam der Aufforderung mit der Bitte nach, die Fehler zu benennen und einer Stellungnahme. Weder war die Hofreitschule innerhalb von 24 Stunden imstande, fehlerhafte Fakten anzuführen, noch erfolgte in dieser Zeit eine Stellungnahme. Daher wurde der Artikel wieder online gestellt - mit der Korrektur, dass es sich bei Herrn Rothleitner nicht um einen Oberbereiter, sondern einen Bereiter handelt, und das Urteil nicht rechtskräftig ist - die Hofreitschule hat einen Tag nach Erscheinens des Artikels eine außerordentliche Revision beim Obersten Gerichtshof gegen das Urteil eingebracht. Zwischenzeitlich hat uns folgende schriftliche Stellungnahme erreicht, die wir selbstverständlich im Sinne der journalistischen Sorgfaltspflicht veröffentlichen:

Spanische wehrt sich weiter gegen Gerichtsurteile

„Die Geschäftsführung der Spanischen Hofreitschule steht daher auf folgendem Standpunkt: Wenn österreichische Gerichte trotz des im Verfahren festgestellten Umstands, dass ein Bereiter mehrfach Aussagen gegenüber Mitarbeiterinnen getätigt hatte, die vom Erstgericht wörtlich u.a. als „eines Bereiters der Spanischen Hofreitschule unwürdig, anstößig und demütigend“ bezeichnet wurden, auf dem Standpunkt stehen, dass dieser Bereiter auf Grund einer verspäteten Entlassungserklärung (die nur deshalb „verspätet“ erfolgt ist, weil sich die damalige Geschäftsführerin ein vollständiges Bild der Angelegenheit verschaffen wollte) weiter zu beschäftigen ist, so ist das zur Kenntnis zu nehmen. Selbstverständlich hat die Hofreitschule aber bereits Revision an den Obersten Gerichtshof erhoben. In jedem Fall ist aber vor dem Hintergrund, dass unabhängige Gerichte in zwei Rechtsgängen derart schwerstwiegende Vorwürfe bestätigen, die Weiterbeschäftigung dieses Bereiters für die Geschäftsführung ausgeschlossen. Die Entscheidung der Geschäftsführung wurde vor allem im Lichte des Schutzes von Minderjährigen und von weiblichen Mitarbeiterinnen vor sexueller Belästigung getroffen.“

Zum Thema:

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Der ehemalige Bereiter gesteht zu, einmal eine Aussage über den Hintern eines weiblichen Reitlehrlings und dessen Größe, was den Sattel betrifft, gemacht zu haben. | Foto: Rene van Bakel/Spanische Hofreitschule
Seit 2006 in der Spanischen Hofreitschule. In Piber werkte der Bereiter zwei Jahre lang, dann wurde er entlassen. | Foto: Rene van Bakel/Spanische Hofreitschule (es handelt sich nicht um den hier abgebildeten Bereiter)
Die Lipizzaner in Piber sind weltberühmt. | Foto: SRS/Boiselle

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