Kultur

Neue Handreichung zum Film „Die Stadt ohne Juden“

Es war der 25. Juli 1924, als in Wien ein Film uraufgeführt wurde, der in mehrfacher Hinsicht Geschichte schreiben sollte! ‒ Jetzt gibt es erstmals eine vom Historiker Dr. Werner Sulzgruber erarbeitete Handreichung zum Film „Die Stadt ohne Juden“.

WIENER NEUSTADT. Im Gedenkjahr 2018 wurde der gefragte Stummfilm „Die Stadt ohne Juden“ auch im Stadttheater von Wiener Neustadt gezeigt und zog außergewöhnlich viel Publikum zum Filmabend an. Es fand außerdem eine vom Historiker Dr. Sulzgruber gezielt für Jugendliche konzipierte Schul-Vorführung statt.
Dies war für den Historiker ‒ der schon 2016 in einem Online-Beitrag auf die Bedeutung des Films hingewiesen hatte (http://www.zeitgeschichte-wn.at/stadt-spaziergaenge/stadtspaziergang-juedisches-wr-neustadt/pplace/475) ‒ Anlass dafür, eine kompakte Handreichung zu erarbeiten, mit der zum einen dieser besondere Stummfilm der österreichischen Filmgeschichte an Bildungseinrichtungen vermittelt werden kann und in der sich zum anderen schnell hilfreiche Background-Informationen finden lassen.
Sulzgruber hat übrigens inzwischen die Ereignisse 1924 in Wiener Neustadt wissenschaftlich aufgearbeitet.

Infos für Interessierte

Die neue TOWN-Handreichung wird vom Filmarchiv Austria nicht nur als „sehr wertvolle Unterlage in der Vermittlung des Films“ beurteilt, sondern auch ausdrücklich empfohlen!
Zudem stufte Univ.-Prof. Murray Hall ‒ der Experte für Hugo Bettauer (dem Autor der Romangrundlage für den Stummfilm) und dessen Werk schlechthin ‒ die neue Handreichung als ausgezeichnete Informationsbasis für alle Interessierten ein.

Unter dem Menü-Punkt der „Lernmaterialien“ auf www.zeitgeschichte-wn.at kann die Handreichung, als fundierte Hilfe für Pädagogen/innen, gratis downgeloadet werden: http://www.zeitgeschichte-wn.at/lernmaterialien/stadt-ohne-juden
Die neu rekonstruierte und digital restaurierte Fassung des Films ist als DVD erhältlich.

Großartige Filmrarität

Dr. Sulzgruber: Pädagogen und Pädagoginnen fehlte nicht nur ein schnell greifbares Material für den Einsatz des Films im Unterricht, sondern auch einsetzbare Hintergrund-Information zur Geschichte und zum Film. Es wurde daher versucht, mit dieser Handreichung die Lücke zu schließen, sodass auch Filmabschnitte und Szenen herausgenommen werden können, um bestimmte Elemente ‒ Handlungsstränge, Darstellungsweisen, filmtechnische Punkte, Botschaften des Films und anderes ‒ zu zeigen.
Nicht ohne Grund hat man sich derartig große Mühe in Österreich gemacht, diese Filmrarität aus den 1920er Jahren zu restaurieren und wieder in die Kinos zu bringen. Der Film sorgte bekanntlich 2018/19 für Furore und wird inzwischen weit über die Grenzen Österreichs hinaus in aller Welt gespielt.

Botschaft des Zeitgeistes

Der Geschäftsführer des Filmarchivs Austria, Dr. Nikolaus Wostry, betonte anlässlich der Präsentation der Handreichung: Der Film „Die Stadt ohne Juden“ ist nicht nur einer der raren österreichischen Stummfilme, sondern ein auch heute noch relevantes Statement gegen Antisemitismus und Xenophobie. Er zeigt, wie die Hetze gegen Mitbürger politisch instrumentalisiert wird, letztlich aber niemand von dieser Inhumanität profitiert. Damit ist er eine ‒ leider wieder aktuelle ‒ Mahnung, Menschengruppen nicht zu stigmatisieren und zu Sündenböcken zu machen.
,Die Stadt ohne Juden' ist ein Aufruf zu Toleranz und zu einem friedlichen Zusammenleben. Die österreichische Identität, wie sie seit 1945 eine Erfolgsgeschichte darstellt, ist ohne den Beitrag unserer jüdischen Mitbürger nicht denkbar. Sigmund Freud, Arthur Schnitzler, die Wiener Moderne und vieles andere sind Teil dieser Identität. Österreich hat sich dieses kulturellen Beitrages exzessiv bedient, aber kaum Anstrengungen unternommen, die Vertrieben wieder zurückzuholen und den eigenen Anteil an der Ermordung jener, die nicht flüchten konnten, aufzuarbeiten.
Die TOWN-Handreichung für Pädagogen und Pädagoginnen ist eine sehr wertvolle Unterlage in der Vermittlung des Films!

Ausschreitungen in Wr. Neustadt

Sulzgruber hat in der Handreichung bewusst die Verbindungen zu Wiener Neustadt hergestellt, nachdem es 1924 bei der Vorführung des Films im Wiener Neustädter Zentral-Kino zu Ausschreitungen gekommen war und bald darauf der Buchautor Hugo Bettauer, dessen Buch die Basis für den Film darstellte, ermordet wurde.