Experimentelle, audiovisuelle Kunst zu einem ernsten Thema
"Unsre Gschtêttn" wurde im Rahmen des Viertelfestivals 2014 zuletzt am 6. Juli in Allentsteig gezeigt.
ALLENTSTEIG (kuli). Dialektik in symptomatischer Ausprägung liegt dem Projekt zu Grunde. Christian Pfabigan vom Verein "lepschi" wählte den Mundart-Begriff "Gschtêttn" ganz bewusst, um dessen unterschiedliche Attribuierung dem Publikum bewusst zu machen. Der Untertitel "Im Einklang mit der Naturmaschine", der wiederum in sich ein Paradoxon darstellt, verfremdet zunächst und führt dann zum Verständnis des Gesamtkunstwerks. Die unmittelbare Partizipation des Betrachters durch Verwendung des Possesivpronomens "uns(e)re" nicht nur als Rezipient, sondern als Mitglied der Gesellschaft, macht das Projekt einerseits komplex, andererseits publikumswirksam. Viele Spagate, dennoch ein großartiges Ergebnis.
Zum Inhalt sollen nicht viele Worte verloren werden: Es werden Menschen gezeigt, deren Gedanken, Worte und vor allem Taten Möglichkeiten aufzeigen, der an die Grenzen des Ver-/Erträglichen gestoßenen Ausbeutungsmaschinerie zu entkommen und zufrieden stellende Handlungsweisen als Lösungsansätze dazu vorzustellen. Theoretiker, Planer und Macher sind paritätisch vertreten, alle sind im Waldviertel beheimatet und agieren dort. Beschränkt ist die Auswahl für diese Dokumentation auf Protagonisten aus dem Ernährungs- und Energiebereich.
Innovativ ist die Verwendung von drei Projektionsflächen, die einem Flügelaltar gleich wie ein Triptychon wirken und daher nicht nur sequentielle, sondern parallele Kinematik ermöglichen. Das fordert zwar den Zuseher, beschert ihm aber auch eine mehr als nur TV-übliche, oberflächlich wirksame Aufnahme der Inhalte. Mit Reinhard Pölzl vom Lichtspiel Allentsteig hat Pfabigan einen kongenialen Partner gefunden, um das sehr ernste Thema Überlebensstrategie in unterhaltsamer Form mittels künstlerischer, computergesteuerten Installation innerhalb des NÖ-weiten Kulturfestivals in die Köpfe der Besucher zu bringen.
Leider kann diese sehr beeindruckende audiovisuelle Installation in dieser Form nicht mehr besucht werden. Lepschi arbeitet aber bereits an einer Version, die in absehbarer Zeit auf der homepage
http://www.lepschi.org/index.php
als Download erhältlich sein wird. Dort sind jetzt bereits zusätzliche Informationen zum Gschtêttn-Projekt abrufbar.
Zuletzt noch ein Ausflug ins Dialektische: In Wien und Umgebung ist man schon immer "lepschi gegangen", wenn man etwas besseres zu tun gahabt hat, als sich den Zwängen der Kulturindustrie und gesellschaftlichen Konventionen auszusetzen. Und dort wird mit Gschtêttn eine Naturoase bezeichnet, in der sich die Pflanzen- und Tierwelt inmitten von Beton, Asphalt, Stahl und Glas ein wenig von selbst ausbreiten darf. Hierzu passt die erst kürzlich erschienene Neuauflage des "Gschtêttn-Führers" der Wiener Umweltanwaltschaft; mehr dazu unter folgendem Link:
http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20140707_OTS0033/umweltanwaltschaft-stadtwildnis-vor-der-haustuere-bewusst-machen
Im Waldviertel sind Gschtêttn nicht oder nur sehr schwer agrarisch oder forstlich zu bewirtschaftenede Landschaftsteile, meist in steiler Hanglage.
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