Leserbeitrag zur Eis-Katastrophe: "Ein Mal Auftauen, bitte"
Wie es sich so anfühlt, wenn man mitten in einer Naturkatastrophe steckt? Die geliebten Bäume, der ganze Wald rund ums Haus, alles weg, niedergemetzelt, es gleicht einem Schlachtfeld. Nur erahnen kann man das volle Ausmaß, der Nebel seit Tagen da, er ist viel zu dick und erst nach und nach wird man die vielen geknickten Stämme erkennen. Alles ist überzogen von zentimenter-dicken Eisschichten. Ja, auf den ersten Blick schaut es nach wunderschöner weißer Weihnachtsstimmung aus - aber wenn der Natur die Last dieses oft gewünschten Weiß dann zu heftig wird, dann wird daraus ein kleines Land, das so verwundbar wird ... und bald ganz zusammenbricht. Täglich bin ich durch die Bäume im Wald gleich neben an geschlüpft, wildromantisch war es ... nur drei Meter und du stehst mitten drinnen, grün, Stille, dieser Duft, sonst nix. Plötzlich wird daraus Lebensgefahr, Bäume stürzen unter der Eislast auf Hausdächer, Schluss mit Romantik. Ewigkeiten gehen zu Ende, uralte Bäume - jetzt müssen sie weichen. Riesen Harvester, furchteinflössende Maschinen, von hochprofessionellen Forstkennern bedient, ein Gigant fällt nach dem anderen.Tiere flüchten ... übrig bleibt ein Schlachtfeld, wo Gott sei Dank alle Menschenleben heil davon kommen. Dennoch, mir blutet das Herz ...
Dazu: kein Strom, vielerorts schon seit Tagen. Am ersten Abend wo es finster wird, so ganz ohne Licht ... da denkst du noch, wie romantisch, endlich kann drinnen irgendwie hinter zugezogenen Vorhängen Weihnachtsfriede einkehren. Keine Chance für Radiolärm, für noch mehr Katastrophen im Fernsehen, schon gar kein Internet und auch dem Telefon dürstet nach Strom ... Kerzenlicht nur soviel wie nötig - nicht mehr, alles wird behutsam wie schon lange nicht erledigt. Nur hie und da draußen ein kleiner Schimmer Licht, weit und breit Finsternis, keine Autos, aus der Ferne nur ein Motor eines Notstromaggregates ... die Kühe des Bauern in der Nachbarschaft, sie müssen irgendwie versorgt werden. Dann wieder, Totenstille. Ungewohnt, fast unheimlich ... plötzlich wieder ein Knacksen im Wald, der nächste Baum geht. Und drinnen? Drinnen rückt man näher zusammen. Kein Licht, kein Staubsauger, kein Computer, kein Werkstattlärm, keine Kekse im Backrohr, nichts. Nichts scheint wichtig genug, plötzlich wird der viele Überfluss bewusst und ganz wenig ist genug. Eine Runde Kartenspielen mit den Kleinen vielleicht, denen das Kerzenlicht schön langsam geheuer wird? Zeit zum Legobauen, Liedersingen? Lesen, oder tatsächlich mal die Freiheit genießen um halb sieben schon ins warme Bett zu schlüpfen ... oh ja, klingt wie aus dem Bilderbuch!?!
Muss dazu draußen wirklich alles lahm gelegt werden um "innen" drinnen wirklich endlich einmal kurz Ruhe zu finden? Scheinbar ja ... jeder Tropfen Wasser wird wieder kostbar, jedes Scheit Holz das Wärme gibt behutsam in den Ofen gesteckt, warmer Tee dankbar geschlürft und liebe Menschen mit noch mehr Segenswünschen zur Arbeit geschickt und heilfroh in einem Stück am Abend zuhause empfangen. Herzen bluten ob der Grausamkeit die die Natur gerade ausstehen muss - verrückterweise aber rücken Herzen so auch wieder näher zusammen...Katastrophe sei Dank, so dumm es auch klingen mag. 1x Auftauen, bitte! Von Herzen alles Gute uns allen...
michi auer - dein schreiberling
mag. (fh) michaela auer, galgenberg 153, 3925 Arbesbach
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