„Gejagt wird nur dort, wo es notwendig ist“ – Hermann Stotter, Direktor Nationalpark Hohe Tauern im Portrait

Hermann Stotter, Direktor Nationalpark Hohe Tauern | Foto: Mühlanger
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Die jagdliche Nutzung steht für Hermann Stotter, Direktor des Nationalpark Hohe Tauern (NPHT), selbst Aufsichtsjäger und Jagdleiter, nicht im Vordergrund.

Hermann Stotter quittiert die Frage, wie man es auf den Posten des Direktors des NPHT schafft, mit einem Lächeln und ergänzt: „Im Rahmen der Gründung und der Planung des Nationalparks wurde die Stelle 1990 ausgeschrieben und auch ich habe mich beworben.“ Aufgewachsen auf einem Bauernhof, fand Hermann Stotter bereits als junger Bursche Begeisterung für die Geschehnisse in der Natur und die Artenvielfalt. Davon scheint er bis zum heutigen Tag nichts verloren zu haben. „Manche Menschen glauben, dass ich in meinem Amt begünstigt bin, die Natur vom Feld aus beobachten zu können. Fakt ist, dass ich sehr viel unterwegs bin, aber mich hauptsächlich um administrative Angelegenheiten kümmere“, erklärt Stotter. Dennoch bleibt Stotter der „Basis“ verbunden, kennt die unterschiedlichen Anforderungen der vielfältigen Aufgabengebiete eines Nationalparks, auch wenn sie vermeintlich im Widerspruch zueinander stehen: Jagd und Nationalpark – handelt es sich dabei um einen Gegensatz oder um ein Miteinander?

Dissens oder Konsens
Die Frage sei zu pauschal und würde gelegentlich gerne verwendet, um möglicherweise gegenseitige Ängste und Fronten zu schüren, so Stotter. „Jagd und Nationalpark sind aber grundsätzlich nicht so weit voneinander entfernt. Beide wollen einen gesunden, beobachtbaren Wildbestand – der Weg dorthin ist allerdings verschieden“, ergänzt Hermann Stotter. Aus diesem Grund hat der NPHT mit dem Tiroler Jägerverband (TJV) eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen, auf deren Basis gemeinsam Projekte und Maßnahmen, auch für Aus- und Weiterbildungszwecke, umgesetzt werden. Die Jagd in der klassischen Bewirtschaftungsform gibt es in weiten Bereichen des Nationalparks nicht, immerhin wurden 28.000 Hektar des Schutzgebietes jagdlich außer Nutzung gestellt. Hier soll die Natur so weit wie möglich sich selbst überlassen werden, was zu einer wesentlichen Aufgabe des Nationalparks gehört. Aus diesem Grund war es unumgänglich, ein Wildtiermanagement zu etablieren. „Durch den Umstand, dass gewisse Flächen nutzungsfrei sind, kann die Arbeit nur dann gut funktionieren, wenn man auch das Umfeld miteinbezieht. Das Wildtiermanagement betrifft weniger das Wildtier selbst als vielmehr die Zusammenarbeit mit jenen Personen, die mit Wildtieren zu tun haben“, so Stotter.

„Bleifrei“ als Beispiel
Die Zusammenarbeit mit Interessenvertretern ist ein Teil des Wildtiermanagements. So gab es im Projekt „Bleifrei“ eine Kooperation mit dem TJV, um miteinander enger zusammenzuarbeiten, da beide Seiten dieses Thema bereits aufgegriffen hatten. Auch das ist ein wesentlicher Teil der Kooperationsvereinbarung zwischen dem NPHT und des TJV. „Wir haben von Anfang an versucht, uns an der Diskussion zu beteiligen und Wege zu schaffen, die es Jägern ermöglichen, die bleifreie Munition zu testen oder kostengünstig umzustellen“, erklärt Stotter. Ziel sei es, die Umstellung voranzutreiben. „Wenngleich ob aller Vorteile bleifreier Munition diese Diskussion vorsichtig zu führen ist, damit ein ohnehin schon hervorragendes Produkt in Form des Wildbrets‚ nicht schlecht geredet wird“, ergänzt Stotter.

Trends im Nationalpark
Über die letzten Jahre hinweg hat der NPHT größere Flächen geschaffen, die nicht mehr bejagt werden. Das Wild lernt, wo die Jagdruheflächen liegen, was unter Umständen die Bejagung außerhalb erschweren könnte. „Aus der Sicht des Wildes sind die jagdlich beruhigten Gebiete sicher als Aufwertung des Lebensraums zu sehen“, so Stotter. Auch gehört es zu den Aufgaben eines Nationalparks, der Natur ihren freien Lauf zu lassen und ganz bewusst eigennützige Interessen zurückzunehmen. Die Wissenschaft ist notwendig, um Veränderungen zu dokumentieren und zu analysieren. Damit dies möglich ist, braucht es viel Aufklärungsarbeit und ein entsprechendes Angebot an die Nutzungsberechtigten. Der regulierte Eingriff in die Natur oder der bewusste Verzicht darauf, obliegen schluss-endlich auch der gesellschaftlichen Akzeptanz. „Wir alle wollen uns in einer freien, reinen Natur bewegen und die Wildnis erleben. Tritt allerdings die Wildnis, etwa in Form von Wildkrankheiten – die von der Gesellschaft oft als grausam, wahrgenommen werden – nach außen, sind Diskussionen, wie man damit umzugehen hat, vorprogrammiert. Hier zeigt sich auch die oft vorherrschende, verklärte Naturromantik; denn viele Naturereignisse will manch einer eigentlich gar nicht wahrhaben “, betont Stotter. Allerdings sieht er das Sterben und Verenden als einen Teilbereich des gesamten Ökosystems, somit auch die Jagd in ihren Grundzügen. Die jagdliche Entnahme ist all zu oft auf Tiere beschränkt, die „einen gewissen Stellenwert“ besitzen. „Leider Gottes oft aufgrund ihrer Trophäen.Das Wildbret ist bei manchem weit in den Hintergrund gedrängt “, ergänzt Stotter und begrüßt, dass der Tiroler Jägerverband für Jäger, aber auch für Nichtjäger verstärkt Aufklärungsarbeit leistet, die auch Aspekte abseits der jagdlichen Nutzung aufgreift. Aber natürlich sei es legitim, sich einen Teil der Natur nutzbar zu machen, so Stotter. „Allerdings bräuchte es seitens mancher Jäger noch ein breiteres Verständnis, vielleicht sogar ein Umdenken: Die Jagd ist mehr, als nur trophäenträchtige Stücke zu ernten“, hebt Stotter hervor.

www.hohetauern.at

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