Bald Potemkinsche Kasernen?

Das Bundesheer kämpft mit den von der Politik verordneten Sparmaßnahmen. | Foto: Bilderbox, Symbolfoto
  • Das Bundesheer kämpft mit den von der Politik verordneten Sparmaßnahmen.
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MURTAL. Gut, dass wir es haben, wenn wir es brauchen, unser Heer. Jugoslawien-Krise, Hochwasserkatastrophen, humanitäre Einsätze im Ausland und vieles mehr. Doch wie lange können unsere Soldaten ihren militärischen und zivilen Aufgabenstellungen noch so nachkommen, dass sie den Anforderungen gerecht werden? Das fragen sich längst nicht nur führende Militärs sondern auch weite Teile der Bevölkerung. Der politisch verordnete Sparkurs im „Hochsteuerland“ Österreich setzt nicht immer dort an, wo sparen wirklich angebracht wäre. Das Bundesheer wird gerade zu Tode gespart und das, obwohl sich die Mehrheit der Österreicher bei der Volksbefragung im Jänner 2013 für die Beibehaltung der Wehrpflicht ausgesprochen hat und grundsätzlich zum Bundesheer steht. Auch die Neutralitätsfrage spielt in dieses Thema hinein. Heeresinteressen sind also immer auch Interessen der Bürger dieses Landes.

Das Heer am Abstellgleis

Die Realität spiegelt das Gegenteil. In den letzten Jahrzehnten ist das Heer aufgrund immer eingeschränkterer Möglichkeiten zu einer Systemerhaltungstruppe verkommen, die vor allem mit zum Teil veraltetem Gerät und einer sanierungsbedürftigen Infrastruktur zu kämpfen hat. Die „Kampfhandlungen“ beschränken sich heute hauptsächlich auf den eigenen Überlebenskampf des Bundesheeres, das mit einem Budget von rund 2 Mrd. Euro gerade einmal die vorhandene Infrastruktur aufrechterhalten und altes Gerät mehr schlecht als recht in Einsatzbereitschaft halten kann. Das Jahresbudget des Heeres liegt mit zwei Milliarden Euro bei nur 0,6 Prozent des österreichischen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Im europaweiten Vergleich gehört es damit zu den niedrigsten. Doch auch das ist den verantwortlichen Politikern noch zu viel. Die Kürzungen im Budget zwingen das Bundesheer deshalb zu noch drastischeren Sparmaßnahmen. So wurden bereits zwei Drittel der Panzer verkauft oder verschrottet und jüngsten Berichten zufolge, verkauft das Bundesheer nun auch rund 700 Pinzgauer-Fahrzeuge. Damit geht bei den Einsatzverbänden wertvolle und flexible Transportkapazität verloren. Militärs sprechen von 60 bis 70 Prozent. Nächster budgetär bedingter Keulenschlag ist die Streichung von Überstunden im Heeresbetrieb. Betroffene fragen sich, was das eigentliche Ziel der hohen Politik in Wien ist. „Man will uns offenbar aushungern. Begonnen hat das Ganze schon vor 15 Jahren.“

Wehrdienst auf Sparflamme

Die wehrpolitischen Vereine wie die Unteroffiziersgesellschaft und der Österreichische Kameradschaftsbund zeigen sich über die Entwicklung beim Bundesheer ebenfalls verärgert. Sie haben sich vor der Volksbefragung besonders für den Erhalt der Wehrpflicht eingesetzt. Der Ausbildungs-, Übungs- und Einsatzbetrieb wird durch die mangelnde Verfügbarkeit der Mittel immer mehr eingeschränkt. Das ist natürlich auch sehr negativ für die Moral der Truppe und noch mehr ans Eingemachte soll es ab Herbst dieses Jahres gehen.

Luftraumüberwachung

Auch rund um den Kauf der Eurofighter rankte sich ja ein „bürgerliches Trauerspiel“. Die schließlich angekauften Donnervögel spiegeln in ihrer Spar-Ausstattung ebenfalls den Gesamtzustand des Heeres. Im Vergleich zur 43 Jahre alten, braven Saab 105 ist der Eurofighter natürlich ein absolutes Highlight im Waffensystem unseres Bundesheeres. Doch die betagten Saab-Abfangjäger müssten ebenfalls längst ausgetauscht werden. Nicht viel besser schaut es bei den Heereshubschraubern aus.

Aufblasbare Panzer?

„Wenn das so weitergeht, können wir uns bald nur mehr aufblasbare Panzer und Attrappen aus Holz und Pappe leisten“, so ein betroffener Heeresbediensteter. - Der Russe Potemkin hat ja vorexerziert, wie das geht. Für den Namen stand übrigens Feldmarschall Reichsfürst Grigori Alexandrowitsch Potjomkin Pate. Er war Gouverneur und Militärreformer, der sich um die Entwicklung Neurusslands bemüht hat.

Neuorientierung des Heeres

Verschleppte Reformen, von der Politik herbeigeführte unzulängliche Rahmenbedingungen und der wegen jahrzehntelanger Misswirtschaft bei der Ver(sch)wendung von Steuergeldern immer größer werdende Budgetdruck erschweren eine effiziente und sinnvolle Neuorientierung des Heeres. Die Substanz des Heeres leidet seit Jahren unter chronischer Schwindsucht, die man mit weiteren Sparmaßnahmen nur noch forciert. Sinnvoller erschiene ein von militärischen Experten gemeinsam mit den politischen Verantwortungsträgern erarbeitetes Sanierungs- und Investitionsprogramm zur Modernisierung und Stärkung unseres Heeres. Doch offenbar dürfen die wirklichen Experten da nicht mitreden und die Politik scheint anderes im Sinn zu haben. Fragt sich nur was? Aufgabe der Neutralität? Eintritt in ein militärisches Bündnis? Fremdbestimmte Landesverteidigung?

Wichtiger Arbeitgeber

Der Fliegerhorst Zeltweg, der Truppenübungsplatz auf der Seetaleralpe und die Kaserne in St. Michael ob Leoben gehören zu den wichtigsten Arbeitgebern der Region. Das sollte angesichts einer ohnehin sehr negativen demografischen Entwicklung im Murtal ebenfalls nicht vergessen werden. Zudem erzeugt das Bundesheer auch eine regionale Wertschöpfungskette für die heimische Wirtschaft.

Versagen der Politik

Die aktuellen Zustände beim Heer seien auf ein totales Versagen der Politik zurückzuführen. Darin ist man sich in militärischen Kreisen einig und auch weite Teile der Bevölkerung zweifeln inzwischen berechtigt an der Kompetenz vieler gewählter Volksvertreter.

Wie soll es weitergehen?

„Das ist eine gute Frage“, so ein Unteroffizier im Gespräch mit der Murtaler Zeitung/WOCHE Murtal. Wir werden unsere Leser über weitere Details, Entwicklungen und die davon abzuleitenden Auswirkungen auf die Region informieren.

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