"Leben ohne Lernen, unvorstellbar"

Anita Springer zu Hause in ihrer Bibliothek: Ein Leben ohne Lernen ist für die Langenwangerin unvorstellbar.
  • Anita Springer zu Hause in ihrer Bibliothek: Ein Leben ohne Lernen ist für die Langenwangerin unvorstellbar.
  • hochgeladen von Angelina Koidl

Anita Springer war 40 Jahre Hauptschullehrerin in St. Marein und Langenwang, studiert jetzt in ihrer Pension Kunstgeschichte an der Universität Wien und gibt Deutschunterricht für Flüchtlinge. Im Rahmen der WOCHE- Werteserie sprechen wir mit ihr über Bildung - ein Teil ihres Lebens. Soziologieprofessor Stephan Moebius erklärt Bildung aus wissenschaftlicher Sicht im Artikel unten.
„Bildung hatte bei uns in der Familie immer schon einen hohen Stellenwert. Dass ich die Matura mache, war klar. Nicht selbstverständlich, zur damaligen Zeit“, erklärt die Langenwangerin. Was bedeutet Bildung für Sie? „Bildung hat einen sehr hohen Wert für mich. Es ist das Erschließen von ganz neuen Denkräumen. Und wenn ich mich in einem neuen Denkraum bewege, dann verändere ich mich.“

„Lebenslanger Lernprozess“

Bildung ist für Springer ein lebenslanger Lernprozess. Zu meinen, das wichtigste Wissen sei jenes, das vielleicht im Beruf einmal nützlich sein könnte, sei für das Verständnis von Bildung zu wenig. „Das ist für mich der größte Irrtum, dem wir aufsitzen. Wissen, das für den Beruf gebraucht wird, muss man sich im Leben erwerben. Deshalb bin ich nach wie vor ein riesen Fan von Allgemeinbildung. Ich habe meinen Kindern immer wieder gesagt ‚ich will nicht haben, dass ihr nur das könnt was Lernstoff ist, ich möchte, dass ihr darüber hinaus schauen könnt‘.“ Bildung ist für mich, sich für alles was rundherum ist zu interessieren. Das Wissen über verschiedenste Dinge, die mich interessieren zu erweitern“, sagt Springer.

Studieren in der Pension

In der Pension zu studieren, war schon immer ein lang gehegter Gedanke von Anita Springer und ihrem Mann, der vergleichende Religionswissenschaften in Wien studiert. „Deshalb haben wir uns auch eine Wohnung in Wien gekauft. Ich hätte auch ganz gerne während meiner Arbeitszeit studiert. Aber ohne, dass man irgendwo total zurückstecken muss, lässt sich das nicht machen“, so Springer. „Ich kann mir ein Leben ohne Lernen nicht vorstellen“, sagt die 65-Jährige. Warum ist das so? „In meinem Alter Prüfungen zu schaffen und das viele neue Wissen - es hat sportlichen Charakter. Es ist ungefähr so, als ob ich auf einem Berg schnell oben bin, das motiviert mich auch. Ich war mein Leben lang ehrgeizig, ehrgeizig viel zu wissen.“
„Jeder muss nicht studieren“, so Springer. Es sei aber wichtig, sich in der Pension etwas zu suchen, für das man sich mit Leidenschaft, mit Passion, interessiert. Etwas, woran das Herz hängt.“ Ob das der eigene Traumgarten, Handarbeiten oder Fotografieren ist, sei egal.

Wahre Werte

In der WOCHE-Serie „Wahre Werte“ reden wir mit Menschen über Werte, die dazu einen besonderen Bezug haben. Welche Werte sind Ihnen wichtig? Schreiben Sie uns: muerztal@woche.at

Experte Stephan Moebius meint

Der steirische Soziologe Stephan Moebius begleitet die WOCHE- Serie „Wahre Werte“ wissenschaftlich. Was meint er zum Thema Bildung? Eng verwandt mit dem Begriff der Bildung ist die „Gestaltung“ oder „Formgebung“. Spätestens seit dem Denken der Aufklärung im 18. Jahrhundert meint man mit Bildung eine Formgebung, Veredelung des Charakters und menschliche Vervollkommnung, die entweder durch Erziehung oder durch Selbstbildung erreicht wird. Nach Wilhelm von Humboldt hat der Mensch ein Bedürfnis nach Selbstentfaltung durch Bildung. Dabei geht es beim Humboldt’schen Bildungsideal nicht um die bloße Ansammlung von Wissen und Fakten, sondern Bildung bedeutet Persönlichkeitsbildung, das Erlangen von Charakter und Individualität. Bildung ist in diesem Sinne ein lebenslanger Prozess.
Je nach Kultur und Gesellschaft kann Bildung etwas Anderes bedeuten und unterschiedlich hoch bewertet werden. Heute wird unter Bildung zum Beispiel immer weniger der genannte Wert der Persönlichkeitsbildung verstanden, sondern die reine Fachausbildung, die man mit Blick auf ihre wirtschaftliche Verwertbarkeit zu optimieren erhofft.

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