Agrargemeinschaften: Keine Verhandlungen nötig, heftige Reaktionen

Kampf um Gemeindeeigentum v.r.: GV-Präsident Ernst Schöpf, em. Univ. Prof. Sigbert Morscher und Dr. Martin Zanon, Rechtsanwalt
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  • hochgeladen von Sieghard Krabichler

Der Gemeindeverband hatte zur Podiumsdiskussion geladen, gekommen waren etwa 160 Bürgermeister oder Gemeindevertreter. Tenor: Keine Verhandlungen, keine Verträge unterzeichnen, das Tiroler Flurgesetz muss umgesetzt werden.

TIROL (sik). GV-Präsident Ernst Schöpf holte sich drei unabhängige Rechtsberater aufs Podium, die den Bürgermeistern die Sachlage zu erklären versuchten. Mit drastischen Worten agierte dabei Dr. Martin Zanon, der einige Gemeinden bereits am Gerichtsweg gegen die Agrargemeinschaften begleitet. „Das Tiroler Flurverfassungsgesetz muss umgesetzt werden, es braucht keine Verhandlungen, die sind nicht nötig“, riet er den Bürgermeistern.

Ärger als Kärnten
Verfassungsrechtler Prof. Sigbert Morscher ging mit der Agrarbehörde und auch mit der Landesregierung hart ins Gericht: „Es herrscht ein totaler Realitätsverlust vor, und das Missachten der Höchstgerichtsbeschlüsse hat ärgere Folgen als in Kärnten, denn bei uns geht es nicht um ein paar Ortstafeln, sondern um enormes Gemeindevermögen“, ließ Morscher aufhorchen.

Insgesamt seien Vereinbarungen zwischen Agrargemeinschaften und Gemeinden, wie sie derzeit vom Land und von der Behörde ins Spiel gebracht werden, eine „verfassungswidrige Enteignung“, sagt Morscher. Gemeindeverbands-Präsident Ernst Schöpf forderte erneut eine klare Umsetzung des Gesetzes und eine viel raschere Abwicklung bei der Agrarbehörde.

ÖVP-KO Geisler lobt Behörde
Die vom GV eingeforderte raschere Arbeit der Behörde weist ÖVP-Klubobmann Josef Geisler zurück. Bereits 202 Verfahren konnten durch Feststellungsanträge bei der Agrarbehörde anhängig gemacht werden, von denen 115 bescheidmäßig erledigt wurden und davon 50 bereits rechtskräftig seien. „Wenige Ausnahmen werden in erster Instanz rechtskräftig, da beinahe alle Bescheide angefochten werden. Aber nahezu alle Bescheide werden vom Landesagrarsenat bestätigt“, erklärt Geisler.

Heftige Kritik kommt von der FPÖ und Fritz Dinkhauser. „So ist das Gesetz völlig unbrauchbar und die Gemeinden kommen nicht zu ihrem Recht. Nach wie vor wird – trotz klarer Gesetzgebung – das Volk um sein Vermögen gebracht“, sagen Dinkhauser und FPÖ-Chef Hauser. Der Grüne Klubobmann, Georg Willi, ortet einen tiefen Riss innerhalb der ÖVP, der Folgen haben wird.

LK-Präsident Josef Hechenberger: Verzweifelte Verhinderungstaktik des Tiroler Gemeindeverbandes verhindert Lösungen

„Ernst Schöpf ist das größte Problem seiner Bürgermeister. Druck und Angst auf die Gemeinden auszuüben sind seine Taktik, um Lösung in der Agrargemeinschaftsdebatte kategorisch zu verhindern und den Schwarzen Peter den Behörden zuzuschieben“, zeigt sich LK-Präsident Josef Hechenberger verärgert über die jüngsten Aussagen des Gemeindeverbands-Präsidenten.

„So ganz nebenbei werden auch noch Landesverwaltung und Funktionäre kriminalisiert. Das mutet stark nach verzweifeltem Versuch an, hoch zu pokern und gleichzeitig hoch zu verlieren. Als Mitglied der Expertenkommission, rät auch Professor Karl Weber in einem Gutachten zu einvernehmlichen Lösungen, also gütlichen Einigungen auf gesetzlicher Basis. Für uns steht es außer Streit, dass das Erkenntnis des VfGH so rasch wie möglich umgesetzt und gelebt wird. Zuerst sollte eine Einigung auf Ortsebene zu erzielen versucht werden. Bei erfolglosen Gesprächen steht dann immer noch der Rechtsweg offen. Und das sollte auch das Anliegen des Gemeindeverbands-Präsidenten sein“, so der LK-Präsident.

Gemeinden und Agrargemeinschaften sind jeweils beide Körperschaften öffentlichen Rechts. Sie stehen also auf gleicher Ebene und sind gegenseitig nicht weisungsgebunden.

Realitätsfremde Vorwürfe - Tiroler Gemeindeverband kontert unfundierte Kritik von Bauernkammerchef

Auf einen untergriffigen Stil, der Argumentationsnotstand vermuten lässt, scheint sich jetzt Bauernkammerchef Josef Hechenberger in Sachen Gemeindegutsagrargemeinschaften eingeschworen zu haben. Anders lassen sich jedenfalls seine jüngsten Angriffe auf Gemeindeverbandspräsident Ernst Schöpf nicht erklären, heißt es in einer Aussendung des GV. „Es mutet schon seltsam an, dafür kritisiert zu werden, die Interessen jener Gebietskörperschaften wahr zu nehmen, deren Interessen man Kraft seines Amtes zu vertreten hat. Als Präsident des Gemeindeverbandes ist es schlichtweg meine Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Kommunen zu ihrem Recht kommen, an dem es aufgrund des Urteiles des Verfassungsgerichtshofes nicht den geringsten Zweifel gibt“, kontert Schöpf den unfundierten Angriffen Hechenbergers, der in seiner Verzweiflung offensichtlich versucht, das Opfer zum Täter zu machen. „Es sind die Gemeinden, die ihnen zustehendes Geld nicht bekommen. Dass Hechenberger das nicht einsieht, zeugt von seiner mangelnden Objektivität und reinem Lobbyismus für einen handverlesenen Kreis an Günstlingen“, stellt Schöpf klar, der auch eine breite Bürgermeisterfront hinter sich weiß. Zum Beispiel lassen Peter Schönherr (Neustift), Manfred Leitgeb (Mieders), Maria Zwölfer (Lermoos), Stefan Weirather (Imst), Alfons Rastner (Mühlbachl), Helmut Ladner (Kappl), Martina Klaunzer (Gaimberg), Johannes Hibler (Lienz), Hans Peter Wagner (Breitenwang), Aurel Schmidhofer (Lechaschau) und Gemeindeverbands-Vizepräsident Günther Fankhauser aus Mayrhofen keinen Zweifel daran, dass es eben Schöpf ist, der die Interessen der Gemeinden zur obersten Maxime erklärt hat und keinen Kniefall vor Agrarfunktionären macht, die in einem Akt der Realitätsverweigerung versuchen, Pfründe zu verteidigen, die eigentlich Gemeindegut sind.

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