"Die werden sich wie in einem Gefängnis fühlen"
Wolfsbergs Bürgermeister Hans-Peter Schlagholz (SPÖ) im WOCHE-Interview über das Asylprojekt für Jugendliche in St. Stefan.
petra.moerth@woche.at
WOCHE: Warum haben Sie Ihren Standpunkt zum Asylprojekt in St. Stefan geändert? Haben Sie Zweifel bekommen?
HANS-PETER SCHLAGHOLZ: Obwohl wir zwei Informationsveranstaltungen zu diesem Thema gemacht haben, muss man sagen, dass sich an der vorherrschenden Stimmung und der ablehenden Haltung eines Großteils der Menschen da unten nichts geändert hat, obwohl die Betreiber nicht nur mir, sondern auch österreichweit den Nachweis erbracht haben, ähnliche Einrichtungen mit derselben Zielgruppe ohne Probleme zu betreiben. Die zu uns nach St. Stefan kommenden Asylwerber werden die bestbewachten Österreichs sein, weil die haben nicht nur elf Betreuer, sondern werden auch von der Bevölkerung rund um die Uhr mit Argusaugen betrachtet werden. Die werden sich wie in einem Gefängnis fühlen.
In einem an die Medien gelangten vertraulichen Brief kritisierten Sie zuletzt den Standort. Warum?
Es reden zwar immer alle davon, den Flüchtlingen helfen zu wollen, aber dann ist kein Standort für ein Asylheim ideal. Wenn man sich so wie ich zum Helfen bekennt, was meinem Wesen entspricht, dann kann ich es mir nicht aussuchen, dann muss ich schauen, dass ich das so gut als möglich mache. Deshalb ist es jetzt mein Ansinnen, dass die da unten so aufgenommen und betreut werden in der kurzen Zeit, in der sie bei uns bleiben, dass sie etwas für ihr weiteres Leben mitnehmen, und dass sich die Bevölkerung mit der Angst auseinandersetzt und sie abbaut. Auch wenn die vielen grausigen Vorfälle der letzten Zeit die Situation überhaupt nicht erleichtern, sondern im Gegenteil, sie erschweren sie noch und erzeugen Vorbehalte.
Was können Sie als Bürgermeister gegen die Ängste der Menschen bewirken?
Ja schauen, dass so viele Menschen wie möglich mithelfen, die Angst zu lindern. Menschen, die jetzt schon ehrenamtlich arbeiten, zu den elf professionellen Betreuern dazu zu bekommen, dass auch die Exekutive den Menschen das Gefühl gibt, das sie öfters vor Ort ist, indem sie nicht nur vorbeifährt, sondern auch aussteigt und mit den Bewohnern redet, dass wirklich alle näher zusammenrücken.
Was war der Grund für diesen vertraulichen Brief an das Land Kärnten?
Ich musste die Stimmung in St. Stefan in diesem Brief wiedergeben. Und das habe ich wiedergegeben. Ich habe aber natürlich auch hineingeschrieben, dass der Standort und das Verhältnis zwischen der Flüchtlingsbeauftragten und dem Eigentümer keine saubere Optik haben.
Aber das Vater-Tochter-Verhältnis zwischen dem Eigentümer Johann Gutsche und der karenzierten Flüchtlingsbeauftragten Barbara Payer war doch schon länger bekannt.
Dass sich das Gebäude in seinem Eigentum befindet, war mich nichts Neues, aber dass sie die Geschäftsführerin seiner Immobilienfirma ist, schon. Denn ich pflege keine Beziehung zu dieser Familie und kenne diese Tatsache - ähnlich wie jene über den Mieter, der sich zuerst noch im Haus befunden hat, nur aus der Zeitung.
Was halten Sie von der ÖVP-Unterschriftenaktion zur Reaktivierung des Polizeipostens in St. Stefan?
Als der Posten im Jahr 2014 zugesperrt worden ist, gab es von der ÖVP Wolfsberg keinen Aufschrei. Damals gab es in Wolfsberg aber auch schon rund 130 Asylwerber - doch von der ÖVP Wolfsberg kam kein Aufschrei. Jetzt halten wir zahlenmäßig bei ungefähr 150 Flüchtlingen - und die ÖVP Wolfsberg suggeriert der Bevölkerung so quasi, dass man vor diesen Menschen Angst haben muss. Das ist blanker Populismus und dafür bin ich nicht zu haben. Was ich aber unterstütze, ist, dass der Posten Wolfsberg, wie damals bei der Schließung von St. Stefan versprochen worden ist, eine personelle Aufwertung erfährt. Das ist leider Gottes bis jetzt nicht eingetreten und daher forder ich, dass das - am Posten Wolfsberg fehlen sieben bis neun Personen - endlich einmal nachgeholt wird.
Was möchten Sie den Bewohnern St. Stefans noch mitgeben?
Das Wichtigste ist mir, dass jetzt da unten niemand überreagiert und unter Umständen etwas Unüberlegtes macht. Meine Bitte ist, dass die Menschen eher aus Zivilcourage bereit sind, einen Schritt auf die Flüchtlinge zuzugehen, um die Spannung und Verkrampfung herauszunehmen. Und ich möchte einen Appell an die Eltern richten: Wir haben in St. Stefan so gute Bildungseinrichtungen, deshalb bitte ich Sie, Ihre Kinder nicht vom Kindergarten oder der Volksschule abzumelden. Das halte ich für einen Wahnsinn, denn damit tun Sie nicht nur Ihren Kindern, sondern auch den Lehrern und der Schule und letztlich sich selbst nichts Gutes. Sie strafen damit nur die Kinder und es ändert nichts an der Situation.
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