U-Bahn-Bau in Wien
Unter dem Frankhplatz gab es einmal eine Römerstadt
Der U-Bahn-Bau der U2xU5 ist nicht nur ein Zukunftsprojekt – er ist auch eine einmalige Möglichkeit, um aus der Vergangenheit zu lernen. Dafür sorgt die Stadtarchäologie Wien, welche die Baustellen begleitet. So konnten etwa auch viele neue Erkenntnisse rund um den Frankhplatz gewonnen werden, wo einst Römerinnen und Römer lebten.
WIEN. Die Alser Straße ist so alt, dass wohl schon die alten Römerinnen und Römer hier gingen. Warum man das weiß? Weil die Stadtarchäologie Wien dies herausgefunden hat. Im Zuge der U-Bahn-Bauarbeiten am Frankhplatz fanden in dem Bereich Grabungen statt, um mehr über die Geschichte des Ortes zu erfahren.
Denn nun, da die Bauarbeiten fertig sind, gibt es die alten Überreste nicht mehr. Alle alten Straßen und Mauern, die freigelegt wurden, sind nun abgetragen. "Das ist leider bei 90 Prozent der Bauvorhaben so", erklärt Martin Mosser, Stadtarchäologie Wien, er war der Grabungsleiter am Frankhplatz: "Das kommt alles weg. Wir graben zirka zwei Meter in die Tiefe, der U-Bahn-Bau geht viel weiter nach unten. Worum wir uns vor der Abtragung noch kümmern können, ist die Dokumentation."
Eine Stadt rund um ein Militärlager
Denn unter dem Asphalt des Frankhplatzes fanden sich noch immer zahlreiche Überreste, die teils bis ins Zeitalter des alten Roms zurückreichen, also in die Zeit etwa von 100 bis 450 nach Christus. "Auf der Fläche des 1. Bezirks befand sich damals ein 22 Hektar großes Legionslager", so Kristina Adler-Wölfl, Stadtarchäologie Wien und Projektleiterin U-Bahn-Archäologie. In diesem "Vindobona" genannten Lager lebten zwischen 4.000 und 6.000 Soldaten. Rundherum bildete sich eine "Lagervorstadt", wie Mosser sagt: "Hier gab es Wirtshäuser, Handwerksbetriebe und Händlerinnen und Händler."
Diese Betriebe lebten vom Lager und versorgten es und seine Bewohner. Römischen Soldaten war es zwar in jener Zeit nicht erlaubt, zu heiraten. "Das heißt aber nicht, dass sie enthaltsam wie die Priester gelebt haben", sagt Mosser: "Stattdessen hatten sie oft trotzdem Familien, die teils in der Vorstadt lebten."
Lagervorstadt größer als gedacht
Und hier kommt nun der Frankhplatz ins Spiel. Denn durch die Grabungen fand man heraus, dass diese Lagervorstadt wohl größer war als gedacht und sich mindestens bis dorthin erstreckte, wenn nicht sogar darüber hinaus. " Wir haben gewusst, dass hier die Straße zur Legionsziegelei in Hernals verlief", so Adler-Wölfl: "Wir glaubten auch, Gräber entlang dieser Verkehrsader zu finden. Aber wir wurden überrascht."
Stattdessen fand man nicht nur Überreste der Straße, die sich tatsächlich auf die Römerzeit datieren lassen, sondern auch Siedlungsspuren. So konnte man etwa zwei Öfen freilegen und Steinfundamente, die zu einem römischen Gebäude gehörten. Dazu kamen laut Adler-Wölfl auch zahlreiche Funde: "Wir fanden unter anderem ungewöhnlich viele Gefäße mit Löchern, die wohl zur Käseherstellung dienten."
15.000 bis 20.000 Römer in der Lagervorstadt
All dies zeigt, dass hier eine Siedlung bestand und dass die Lagervorstadt deutlich weiter nach Westen reichte als bisher angenommen. Insgesamt dürfte die Lagervorstadt, die sich halbkreisförmig um das Lager im 1. Bezirk ausgebreitet hatte, eine Bevölkerung von 15.000 bis 20.000 Menschen gezählt haben. Einige von ihnen lebten dabei auch auf dem Gebiet des heutigen Frankhplatz.
Mittlerweile sind die archäologischen Grabungen am Frankhplatz abgeschlossen, die letzten Abschnitte an der Alser Straße wurden im Herbst 2022 dokumentiert. Nun laufen laut Mosser noch immer die Auswertungen der entdeckten Gegenstände. "Das sind Kisten voller Fundstücke, die nun gesäubert, erfasst und ausgewertet werden müssen." Wenn die Stücke fertig bearbeitet sind, werden sie für zukünftige Forschergenerationen aufbewahrt: sie kommen in die Sammlung des Wien Museums.
Zur Sache
Mehr Infos über die Ausgrabungen der Stadtarchäologie Wien gibt es auf www.stadtarchaeologie.at.
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