Leserbrief von Heimo Cerny
Kilianbrunnen – Schwamm darüber in Amstetten?
Unser Leser, Heimo Cerny, macht sich seine Gedanken um den Hauptplatz von Amstetten:
Als Kulturpreisträger (1989) meiner Heimatstadt und demnächstSchwammstadt Amstetten sehe ich mich veranlasst, zum geplanten Abriss des alten Marktbrunnens (Kilian -, Sparkassenbrunnen) Stellung zu nehmen.
Wie auf dem Merianstich (1648) ersichtlich, war der "Kilianbrunnen“ seit jeher zentraler Mittelpunkt des Marktes, Symbol der Ordnung (Gerichtsbarkeit) und Identität stiftendes Wahrzeichen. Am letzten Tag des 2. Weltkriegs (8. Mai1945) wurde er durch sowjetischen Bombenhagel vernichtet. 35 Jahre später, am 10. Mai 1980, hat man ihn in neuer Form, finanziert von der Stadtsparkasse eingeweiht. Neben dem Amstettner Wappen zieren auch die Wappen der Partnerstädte und das Sparkassensymbol den „Amstettner Stadtbrunnen“.
Warum, fragt man sich, soll dieses älteste historische und zugleich Kühlung spendende Relikt kommunaler Befindlichkeit nunmehr von seinem ursprünglichen Standort entfernt werden?
Eine bereits angedachte Dislozierung in den Sakralbereich der Stephanskirche wäre eine sinnwidrige Verfälschung seiner Symbolik und käme einer verantwortungslosen Kindesweglegung gleich! Dass von der derzeitigen Rathausmehrheit der Stadtgemeinde seit geraumer Zeit das bisher bewährte Kulturamt sowie die Position eines Stadtbaudirektors abgeschafft worden ist, empfinde ich als unwürdiges Signal für eine Kulturstadt!
Wie jede andere Stadt hatte und hat auch Amstetten heute noch herzeigbare Beispiele gelungener Architektur verschiedenster Stilrichtungen. So manche Schätze dieser Art sind im Lauf der Zeit allerdings für immer verschwunden. 1959 wurde das alte Bezirksgericht am Hauptplatz mit seinen wertvollen Renaissance-Arkaden demoliert.
Ein noch bestehendes Baujuwel ist der denkmalgeschützte Wasserturm, einst stolzes Wahrzeichen der „Eisenbahnerstadt“. In Verbindung mit der leider auch entfremdeten alten Remise hätte hier ein interessantes regionales „Leuchtturmprojekt“ promoviert werden können. Dies scheiterte allerdings an Interesselosigkeit der zuständigen Politiker.
Hingegen wurde ein anderes „Leuchtturmprojekt“ verwirklicht, indem man das letzte noch bestehende Relikt einstiger urbaner Architektur der Amstettner Gründerzeit abgerissen hat: das ehrwürdige „Cafe` Central“. 1872 hatte Ignaz Putz hier ein Kaffeehaus nach Wiener Art errichtet, womit der damalige Markt Amstetten eine städtische Note bekam. Hier waren oftmals prominente Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur zu Gast, wie z. B. Anton Bruckner, wenn er von St. Florian nach Wien reiste. Das Cafe´ wurde 1959 aufgelassen und ist vielleicht älteren Amstettnern noch als Humanic-Filiale in Erinnerung. Seit 2020 ragt an dieser Stelle ein neuer Leuchtturm zeitgenössischer urbaner Architektur empor, womit laut damaliger Bürgermeisterin Ursula Puchebner „die Innenstadt nachhaltig und qualitativ hochwertig aufgewertet“ würde.
Was ist von der „Eisenbahnerstadt“ - einst stolzer und identitätsbildender Begriff - übrig geblieben? Wir erwarten hoffnungsvoll das Zeitalter der „Schwammstadt“.
Tempora mutantur!
Dr. Heimo Cerny
Amstetten
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