Experten-Blog: Vom äußersten Rand in die Mitte Europas

25 Jahre sind vergangene, seitdem sich der „Eisernen Vorhang“ angehoben hat und Österreich aus einer Randlage Europas wieder in dessen Mitte gerückt ist. Im Sommer 1989 fing es mit anfangs Hunderten, später Tausenden DDR-Bürgern an, die aus Ungarn über Österreich in die Bundesrepublik Deutschland flohen. Sie kamen zu Fuß oder mit dem eigenen Auto, häufig dem „Trabant“.

Es begann mit dem Paneuropapicknick in Sopron im August des Jahres, an der Grenze bei Sankt Margareten im Burgenland, als sich die Tore der Grenzanlage kurzzeitig öffneten. Niederösterreich kam in den nächsten Jahren der Demokratisierung in der Tschechoslowakei, später Tschechien, wieder in Kontakt mit den BewohnerInnen Südböhmens und Mährens, welchen es seit dem Beginn des Kalten Kriegs 1947/48 verloren hatte.

Die unbekannten Räume hinter der Grenze wurden wieder zugänglich. Diese neue Nachbarschaft war allerdings auch mit Konflikten verbunden, Temelin, das tschechische Atomkraftwerk in der Nähe der Grenze ist eines der Namen, die von diesen Konflikten zeugen. Die Benešdekrete sind ein anderer Begriff, der von der konfliktreichen Geschichte beider Staaten zeugt. Inzwischen sind Gemeindepartnerschaften über die ehemals trennende Grenze hinweg eine Alltagsrealität. Manche Österreicher wohnen inzwischen sogar in den Grenzgebieten Tschechiens oder der Slowakei. Und die eigenen Zähne werden in den ungarischen Zahnkliniken in Grenznähe preiswerter repariert.

Die Entwicklung im ehemaligen staatssozialistischen Osteuropa hat die Situation in Österreich und natürlich besonders in den Bundesländern, die unmittelbar an der Grenze zu den neuen Nachbarn liegen, deutlich verändert. Sind die Chancen oder die Gefahren größer, die entstanden sind? Darauf gibt es sicher unterschiedliche Antworten, je nach den gemachten Erfahrungen.

Unternehmen, wie die niederösterreichische EVN AG sind im Osten und Südosten aktiv geworden, haben investiert, Gewinne gemacht, aber sind auch auf Probleme gestoßen. Die EVN etwa 2012 in Bulgarien, als es eine öffentliche Protestbewegung gegen die gestiegenen Strompreise gab. Die OMV ist besonders in Rumänien aktiv geworden und hat sich dort in das größte Mineralölunternehmen Petrom eingekauft. Die österreichischen Banken haben osteuropäische Banken übernommen und deren Kundennetze erworben. Hier waren sie erfolgreicher als deutsche oder italienische Mitbewerber. Bis zur Finanzmarktkrise 2008 war das Geschäft auch ertragsreich, dann kam es zu Problemen.

Teilweise versuchten osteuropäische Regierungen, wie die aktuelle ungarische, den österreichischen Banken und Unternehmen die Unsicherheiten und Probleme der Wirtschaftskrise allein umzuhängen. Das ist begleitet von einem neuen Nationalismus. Doch diese Ereignisse ändern nichts an der erfolgreichen wirtschaftlichen Expansion österreichischer Unternehmen im europäischen Osten.

Die Beziehungen Österreichs zum neuen Osteuropa sind jedenfalls nicht nur durch Probleme geprägt. Der wirtschaftliche Aufstieg Österreichs seit dem eigenen EU-Beitritt 1995 – das Bruttosozialprodukt pro Kopf ist heute größer als das Deutschlands – zeugt nicht zuletzt von der erfolgreichen wirtschaftlichen Expansion österreichischer Unternehmen. An den Baumaßnahmen vor den Winterspielen in Sotschi waren österreichische Unternehmen maßgeblich beteiligt: laut APA haben die heimischen Unternehmen Aufträge im Umfang von 1,2 Mrd. Euro an Land gezogen. Dazu zählt etwa das Olympische Dorf in Krasnaja Poljana, für das die Strabag einen Großauftrag bekam. Die Firma Doppelmayr baute Skilifte. Ein Flughafen in Adler wurde mit österreichischer Beteiligung erbaut.

Ein anderer Aspekt ist noch wichtiger: vor 1989 war auch Österreich trotz seiner Neutralität durch den militärischen Konflikt zwischen den beiden Systemen bedroht. Seit der Gorbatschowschen Entspannung und später unter dem russischen Präsidenten Jelzin sind die militärischen Bedrohungen abgebaut worden. Die Präsidentschaft Putin hat zwar diesen Kurs nicht bruchlos fortgesetzt, aber auch heute gibt es keine neue militärische Konfrontation.

Der Frieden in Europa ist mit Ausnahme der Kriege in Jugoslawien sicherer geworden im letzten Vierteljahrhundert.
Die Integration von inzwischen elf osteuropäischen Staaten in die EU hat einen großen Raum geschaffen, in dem Frieden und Demokratie herrschen. Die Ende 2007 erfolgende Erweiterung des Schengenraums nach Osten hat Österreichs Grenze aus einer Außengrenze der EU in eine Binnengrenze verwandelt. Auch hier gibt es noch Ängste, berechtigte wie auch übersteigerte wie bei allen Ängsten. Das Bild der „Ostbanden“ ist eine davon. Trotzdem ist auch hier die Gesamtbilanz positiv. Österreich ist in die Mitte Europas gerückt, es hat neue Chancen genutzt und hat vielleicht seine neuen Möglichkeiten noch gar nicht alle ausprobiert.

„1989“ ist eine Chiffre dafür, wie viel sich innerhalb kurzer Zeit ändern kann. Die österreichischen Unternehmen haben gezeigt, dass sie im Großen und Ganzen in der Lage waren, die Chancen jener Wende in Osteuropa zu nutzen. Interessant ist auch, dass nach 1989 das historische Bewusstsein der Österreicher als Land in der Mitte Europas wieder erwacht ist. Das war verbunden mit einer Wiederentdeckung der eigenen Geschichte vor 1918. Überall im Osten und Südosten wurden die historischen Verbindungen mit Österreich wiederentdeckt, ob in Gestalt der historischen Architektur in Lemberg, Krakau oder Cluj oder bei der Feier bestimmter historischer Ereignisse wie des 100. Jahrestages der Gründung Albaniens als Nationalstaat im Jahr 1912. Auch daran hatten die Diplomaten Österreich-Ungarns einen wichtigen Anteil. Das Engagement der Österreicher in Ost- und Südosteuropa wird so gefördert auch durch positive Geschichtserzählungen über die eigene fernere Vergangenheit. Die historische Erzählung über das Österreich nach 1989 ist noch nicht Allgemeingut. Es sind aber jedenfalls Jahre, von denen die Älteren den Jüngeren Spannendes zu erzählen haben.

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