Gewaltschutz-Symposion in Mödling:
Blauer Fleck? Nicht wegschauen!
BEZIRK MÖDLING/THERMENREGION. Ein blauer Fleck kann viele Ursachen haben. Eine - leider häufige - ist Gewalt. Nicht wegzuschauen, nachzufragen, sensibel auf "Symptome" zu sein, dafür müssen noch mehr Menschen sensibilisiert werden. Auch 25 Jahre nach Einführung des Gewaltschutzgesetzes, für das Österreich Vorreiter war, gibt es im Bereich Gewalt gegen Frauen und damit auch gegen Kinder noch viel zu tun. Es gibt heute mehr Frauenberatungsstellen und Opferschutzeinrichtungen als damals, es gibt spezielle Schulungen bei der Polizei. Und dennoch: Die Zahl der Tötung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts stieg weiter kontinuierlich an. Viele der ermordeten Frauen haben nie rechtzeitig den Weg zur Hilfe gefunden. Nach wie vor haben viele Frauen das Gefühl, "selbst schuld" zu sein, wenn ihnen Gewalt widerfährt. Ein "blaues Auge" ist meist mit Scham besetzt.
Es ist also wichtig, die Schutzeinrichtungen noch bekannter zu machen, noch besser zu vernetzen und öffentlich über das sensible Thema "Gewalt an Frauen" zu sprechen.
Forderung: Forensische Ambulanzen
Die Frauenberatungsstelle Kassandra in Mödling organisierte deshalb ein interdisziplinäres Symposion, um Wege zu finden, wie das bestehende Angebot auf regionaler Ebene besser vernetzt und bekannt werden könnte. Schon die Inputs der geladenen Expertinnen zeigten die Vielschichtigkeit des Themas auf.
"Wenn wir bei häuslicher Gewalt einschreiten, haben wir kein Problem, einen offensichtlichen Gewalttäter unter Anwendung des Gewaltschutzgesetzes aus der Wohnung wegzuweisen und mit einem Betretungsverbot zu belegen. Schwieriger wird es schon, wenn es um verbale Gewalt geht, etwa um Morddrohungen",
berichtet die Mödlinger Bezirkspolizeikommandantin Gertraud Haselbacher aus der Praxis.
Der ökonomische Druck und die finanzielle Abhängigkeit, die viele Frauen betrifft, spricht Mödlings Vizebürgermeisterin Silvia Drechsler an.
"Wir haben das Recht, gewaltfrei zu leben."
Michaela Egger, Geschäftsführerin des Gewaltschutzzentrums, thematisiert unter anderem Probleme des Datenschutzes.
"Oft erfahren wir eben aus Datenschutzgründen gar nicht oder viel zu spät bei einer unserer interdisziplinären Fallkonferenzen mit der Polizei, ob zum Beispiel ein Weggewiesener das Betretungsverbot gebrochen hat. Denn aus Datenschutzgründen muss ein Gefährder der Weitergabe seiner Daten zustimmen."
Unter den Tagungsgästen war auch Erwin Hauser, Abteilungsvorstand der Kinder- und Jugendheilkunde sowie Leiter der Opferschutzgruppe im Klinikum Baden-Mödling, sowie Henriette Wais, klinische Sozialarbeiterin in der Opferschutzgruppe des Klinikums Baden-Mödling.
Anneliese Erdemgil-Brandstätter, langjährige Leiterin der Beratungsstelle Kassandra und heute in der Schulungsarbeit tätig, fasst zusammen:
"Der Opferschutz im Gesundheitswesen wurde in den letzten zehn Jahren massiv ausgebaut, er braucht allerdings dringend finanzielle und personelle Ressourcen, denn jetzt ist der Opferschutz einfach als zusätzliche Arbeit dem Personal aufgebürdet worden."
Sie spricht sich auch für so genannte forensische Ambulanzen aus, die jetzt österreichweit diskutiert werden.
"Betroffene sollen von sich aus DNA-Labors, wie wir auch in Mödling eines haben, aufsuchen können, um Verletzungen dokumentieren zu lassen. Oft kommt es ja erst Jahre später zu Gerichtsprozessen und dann ist es äußerst hilfreich zu wissen, woher zum Beispiel ein blauer Fleck wirklich stammt. Gerichtsmediziner können das heute gut beurteilen und es kommt immer wieder vor, dass Gewalttäter nach vielen Jahren noch überführt werden können."
An dem Symposium nahmen auch einige Frauen teil, die selbst von Gewalt betroffen sind oder waren. Sie schilderten persönliche Erfahrungen und betonten, wie wichtig Beratung und das "Darüber-Sprechen" sei. Man kann sagen, sie sind mutige Pionierinnen der Enttabuisierung eines schwierigen Themas.
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