Die Geschichte einer 32 Jahre alten Kolumne...
Vom Ärgernis zum Glücksbringer, von der Plakatwand ins Geldbörsel
KOTTINGBRUNN. Manchmal holt dich die Vergangenheit ein, fällt fast über dich her, je unerwarteteter desto wuchtiger. ..
Vergilbte "Nadelstiche"
1. September 2017, Premiere zum Septembertheater bei der Kulturszene. Ich bin damit beschäftigt, Leute zu interviewen. Da tippt mir jemand auf die Schulter. Ich drehe mich um, sehe einen Mann, der einen vergilbten Zeitungsausschnitt in der Hand hält.
Ich erkenne den Schriftzug "Nadelstiche" und das Logo, eine Karikatur von Reini Buchacher, die eine Frau zeigt, die einen Mann mit einer Nadel in den Allerwertesten sticht . Es war die allererste Kolumne, die ich - damals für die NÖN - in meiner journalistischen Laufbahn mit Inhalt befüllen durfte. Und mit was für einem Inhalt: mit emanzipatorischem Inhalt, mit Frauen-Themen. Anno 1985 oder so.
"Ich bin der Fredi"
Da steht also ein Mann vor mir und hält mir sichtlich gealterte "Nadelstiche" vor die Augen. Er stellt sich als Alfred Bader vor und er wolle nicht lange stören und ob ich mich erinnern könne...
Ich zögere, gewiss hab ich nicht all die geschätzten 100 Kolumneninhalte im Kopf. Ich werfe einen Blick auf den alten Ausschnitt - über der Kolumne ein Foto, schwarz weiß natürlich., wie es damals üblich war. Auf dem Foto ist Plakat abgebildet mit der Aufschrift "Frauen sind nicht dazu da, dass man sie versteht, sondern dass man sie liebt. Ich liebe dich, dein Fredi."
Ich ahne, dass ich zu diesem Text wohl heftige Nadelstiche verteilt habe. Dunkel erinnere ich mich auch an das abgelichtete Plakat.
"Ich bin dieser Fredi," sagt Alfred Bader. "Und das da ist meine Frau Renate - ihr galt damals dieses Transparent. Ich habe es gemalt, um sie zu überraschen. Es hing genau gegenüber von unserem Schlafzimmer in Kottingbrunn. Und es sollte das erste sein, was sie in der Früh, nach dem Jalousien-Raufziehen sehen sollte. Es war mein Geschenk für unsere Hochzeit am 9. November. Ich habe das Plakat in der Nacht von 8. auf 9. November 1985 gemalt."
Ins Geldbörsel geschafft
Mir ist das grad ein bißchen peinlich. Ich ahne, dass ich mit meinen Worten nicht so besonders zimperlich war. "Fredi" erzählt, dass er und seine Frau sich auch wirklich einigermaßen über meine Beurteilung des Plakates aufgeregt hatten. Ein geharnischter Leserbrief an die NÖN sei jedoch nie abgedruckt worden.
Aber der Zeitungsausschnitt mit besagter Kolumne hatte es allem Ärger zum Trotz in sein Geldbörsel geschafft, quasi als Glücksbringer. Seit 32 Jahren trage er das Papier nun mit sich herum., erzählt Alfred. Einmal sei ihm die Geldbörse sogar gestohlen worden, er habe sie wieder zurückbekommen, nur der Zeitungsausschnitt hatte einen Riss erlitten.
Alfred und Renate Bader haben mir offensichtlich verziehen und können meinen feministischen Übereifer von damals heute mit Humor nehmen. Sie sind immerhin 32 Jahre verheiratet, trotz jener "Nadelstiche". Ich wünsche ihnen alles Gute für die nächsten 32 Jahre. Und möge das alte Zeitungspapier auch noch einige Jährchen im Geldbörsel überdauern...
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