Gedanken zum Sonntag
Smetanigs Gedanken zum ersten Adventsonntag
Gert Smetanig, Braunaus Dechant, teilt auch im zweiten Lockdown seine Gedanken zum Sonntag mit uns. Am Sonntag, 29. November, findet der erste Adventsonntag statt.
BEZIRK BRAUNAU.
Liebe Leserinnen, liebe Leser!
In seinem Buch „Die Wasserträger Gottes“ erzählt der jüdische Schriftsteller Manes Sperber, wie sehr die armen Bewohner seines Heimatstädtchens das Kommen des Messias herbeigesehnt hätten. Der Großvater sei oft vom kargen Essen aufgesprungen und auf einen nahen Hügel gerannt, um nach ihm Ausschau zu halten. Und die Kinder hätten geübt, so lange wie möglich auf den Händen zu stehen und zu gehen. Sie hatten nämlich gelernt, dass der Messias, wenn er kommt, die Welt auf den Kopf stellt - und den Ungeübten würde das, so glaubten sie, viele Schwierigkeiten bereiten. „Messianische Gymnastik“ nannten die Kinder ihr Spiel.
Wenn wir uns für die Adventszeit wünschen, dass Jesus neu bei uns ankommt, dann könnten wir von diesen Kindern einiges lernen. Als adventliches Trainingsprogramm für Erwachsene schlage ich vor: Lockerungsübungen für den Mund: damit ich ihn im rechten Augenblick schließen, damit ich schweigen und still werden kann - denn im Lärm und in der Geschwätzigkeit findet Jesus keinen Zugang zu uns. Damit ich meinen Mund aber auch öffnen kann, wo es nötig ist und für andere gute Worte finde - denn Jesus will auch durch unsere Worte zur Welt kommen. Lockerungsübungen für die Augen: damit ich sie schließen kann, wenn ich von Bildern des Alltags überflutet werde - denn so entdecke ich vielleicht die Spur Jesu in meinen Hoffnungen und Enttäuschungen, in meinen Gefühlen und in meinem Nachdenken. So lerne ich vielleicht, mit dem Herzen zu sehen. Damit ich meine Augen aber auch weit aufmachen kann. Damit ich wach bin für das, was um mich herum geschieht, und hellsichtig für andere, die mich brauchen - denn Jesus begegnet mir auch in den Menschen, die er mir auf den Weg stellt. Lockerungsübungen für die Ohren: Damit ich sie offen halten kann für das, was andere mir sagen und mich fragen wollen. Damit auch die Zwischentöne und die leisen Töne noch bei mir ankommen - denn die Stimme Jesu ist nie laut und schrill. Damit ich meine Ohren aber auch im rechten Augenblick schließen kann. Damit ich in mich hineinhöre und erfahre, was an Stimmungen und Gedanken in mir ist - denn so höre ich vielleicht die Lebensmelodie, die Jesus mir zuspielt, die Saiten, die er in mir zum Klingen bringt. Adventliche Gymnastik, Lockerungsübungen für Mund, Augen und Ohren - damit wir ein wenig beweglicher werden in diesen Tagen.
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