Österreichischer Auslandsdienst
Auf den Spuren der NS-Opfer in Shanghai
Sozialer Dienst in Shanghai: Ein Jahr lang leistet der 22-jährige Brigittenauer, Myrzabek Isaev, ehrenamtlich Recherche-, Assistenz- und Übersetzungsarbeiten.
BRIGITTENAU. Mehrere Monate ins Ausland reisen und dabei auch noch etwas Sinnvolles tun? Das ermöglicht der Verein "Österreichischer Auslandsdienst". Seit 1992 leisten jährlich mehr als 60 junge Menschen Gedenk-, Sozial- oder Friedensdienste auf der ganzen Welt. Einer von ihnen ist Myrzabek Isaev aus dem 20. Bezirk.
Ein Jahr lang leistet der 22-jährige Student einen Gedenkdienst im Center of Jewish Studies Shanghai (CJSS), einem Institut der Akademie der Sozialwissenschaften Shanghai. Seine Einsatzstelle: eine Forschungseinrichtung der Judaistik, die sich mit der Erforschung der jüdischen Kultur, Religion und Geschichte beschäftigt.
Interesse am Holocaust
Der Gedenkdienst des Brigittenauers besteht hauptsächlich aus Recherche-, Assistenz- und Übersetzungstätigkeiten für die Mitarbeiter des Instituts, ausländische Wissenschafter und das Jüdische Museum in Shanghai. Infolgedessen hat Isaev großes Interesse daran entwickelt, sein Wissen über die internationalen Dimensionen des Holocausts zu vertiefen und den österreichischen Fußabdruck in China zu ergründen.
"Shanghai hat eine besondere Bedeutung für die Rettung tausender Juden vor der NS-Verfolgung in Europa", erzählt der Student. Oft werde die Tragödie des Holocausts nur mit dem europäischen Kontinent in Verbindung gebracht.
"Doch das ist ein weit verbreiteter Trugschluss, die Folgen des Holocausts hatten globale Ausmaße", so Isaev. Dafür sei die Hafenstadt Shanghai das beste Beispiel: Für rund 19.000 jüdische Schutzsuchende war sie eine Zufluchtsstätte vor dem nationalsozialistischen Terror in Europa. "Und das selbst dann, als die als demokratisch und antiautoritär geltenden Staaten von ihrer Aufnahmewilligkeit Abstand nahmen", erzählt der Brigittenauer.
Viele der geflüchteten Juden kamen aus Österreich, was zur Verbreitung unserer Kultur in Shanghai führte. Denn auch im fernen China wurden die österreichischen Gewohnheiten weiter gepflegt, beispielsweise durch den Besuch von Wiener Kaffeehäusern, die von Flüchtlingen im Shanghaier Stadtteil Hongkou eröffnet wurden. Dies brachte dem Stadtteil den inoffiziellen Beinamen „Little Vienna“ ein.
"Alles in allem kann ich auf ein faszinierendes und ereignisreiches Jahr zurückblicken", reflektiert Isaev seinen bisherigen Gedenkdienst. Trotz der Coronakrise und mühsamer Behördengänge vor Ort wird der Brigittenauer seinen Dienst in Shanghai bis zum 30. Juni verrichten.
Weitere Informationen
Der Verein "Österreichischer Auslandsdienst" ist eine vom Sozialministerium anerkannte Non-Profit-Organisation. Mehr Infos erhalten online auf der Homepage der Vereins oder telefonisch unter 0664/100 83 61.
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