Terrornacht in Wien
Der Einsatz der burgenländischen Spezialkräfte
Burgenländische Polizistinnen und Polizisten schildern ihre Eindrücke vom Terror-Einsatz in Wien.
BURGENLAND/WIEN. Am 2. November 2020 wurde in den späten Abendstunden über den Offizier vom Dienst die Einsatzeinheit (EE) Burgenland für eine Unterstützungsleistung bei dem bereits laufenden Terroranschlag in der Wiener Innenstadt alarmiert.
42 Bedienstete
Innerhalb kürzester Zeit waren insgesamt 42 Bedienstete der Einsatzeinheit Burgenland verfügbar, welche sich in der LPD Burgenland in Eisenstadt meldeten. Zum einen wurden Bedienstete aus der Freizeit oder aus dem Urlaub alarmiert, zum anderen aus dem laufenden Streifendienst abkommandiert.
Die Entsendung konnte deshalb auch sehr zielgerichtet und zeitnah in den Einsatz nach Wien erfolgen, weil jedes Mitglied dieser Spezialeinheit über die persönliche Sonderausrüstung inklusive Langwaffe verfügte und nicht erst vor Ort ausgestattet werden musste. Das garantiert im Ernstfall eine sehr schnelle Verfügbarkeit und eine sehr effektive Einsatzbereitschaft in kurzer Zeit.
Der Einsatz dauerte für die Bediensteten der EE Burgenland bis zur Mittagszeit des 3. November, danach übernahmen Kräfte des Österreichischen Bundesheeres oder der zuständigen Dienststellen in Wien.
„Ein Einsatz, mit dem ich in dieser Form in Österreich nicht gerechnet hätte“
Ein erfahrener 49-jähriger EE-Beamter, der in Wien in der operativen Führung eingesetzt war, erinnert sich: „Es war in meiner fast 30-jährigen Polizeilaufbahn ein Einsatz, mit dem ich in dieser Form in Österreich nicht gerechnet hätte. Wir bereiten uns doch sehr intensiv beim Einsatztraining auf Amok- oder Terrorlagen vor und trainieren verschiedenste Szenarien. Ich dachte auch das wir in Österreich doch von solchen Ereignissen verschont bleiben würden.“
„Angst habe ich verdrängt“
Trotz der laufenden Terrorlage, sei er von Beginn an – von der Alarmierung weg – sehr ruhig und gelassen gewesen. „Aufgrund des doch sehr langen und intensiven Trainings der letzten Jahre waren alle möglichen Handlungsabläufe in mir präsent. Angst habe ich verdrängt, jedoch ist eine gewisse Anspannung immer spürbar gewesen. Vor allem in den Phasen, als wir uns durch den Tatort durchbewegten, in der Annahme das noch ein weiterer Täter vor Ort sei. Es war zu dieser Zeit gespenstig ruhig und sehr angespannt. Ein sehr unheimliches Gefühl, das uns alle zu dieser Zeit überkam. Ich habe auch versucht die doch noch sehr jungen und unerfahren Kollegen zu führen und hatte nie den Eindruck, dass auch nur ein Kollege oder eine Kollegin dieser Sache nicht gewachsen wäre.“
„Jetzt hat es uns getroffen“
Auch eine 28-jährige Polizistin, die seit 2014 Mitglied der EE Burgenland ist, schildert ihre Eindrücke: „Am 2. November bin ich so gegen 20.30 Uhr nach einem normalen Tagdienst nach Hause gekommen und habe von meinem Partner erfahren, welche Szenen sich in der Wiener Innenstadt abspielten. So wie bei jeder Meldung eines dramatischen Großereignisses durchforstete ich sofort alle Medien, und mir wurde klar: Jetzt hat es uns getroffen.“ In dem Moment wurde ihr klar, dass sie nach Wien fahren wird müssen, um die Kollegen zu unterstützen.
„Keine Angst, sondern Respekt“
„Ich verspürte keine Angst davor, sondern Respekt. Als wir uns in der LPD Eisenstadt sammelten, war ich überrascht, wie viele EE – Beamten schon einsatzbereit waren. Damit hatte ich nicht gerechnet. In der Runde bemerkte man eine gewisse Anspannung. Wo sonst kleine Witze oder ,Schmähs‘ gemacht wurden, war plötzlich alles ernst. Am Weg nach Wien hörten wir am Funk mit, um die Lage besser einschätzen zu können.“
2er-Teams
In Wien angekommen wurde, die Einsatzörtlichkeit bekannt gegeben und 2er Teams eingeteilt. „Mir wäre eigentlich egal gewesen, wer mein Teampartner wird, weil ich wusste, dass wir alle dieselbe hochwertige Ausbildung genossen haben. Obwohl es ein sowohl körperlich als auch psychisch sehr anstrengender Einsatz war, waren meine Sinne ununterbrochen geschärft. Ständig kreisten dieselben Gedanken in meinem Kopf: ,Du hast jetzt keine Zeit für Müdigkeit‘, ,Bleib konzentriert‘, ,Lass nichts unbeobachtet‘. Ich konnte alles abrufen, was ich in meiner Ausbildung gelernt hatte. Ständig spielte ich mögliche Szenarien in meinem Kopf ab.“
Zusammenhalt der Polizei
Letztendlich kam es glücklicherweise nicht soweit, dass solche Szenen für die burgenländische Polizistin wirklich wurden. „Auch wenn ich zu diesem Zeitpunkt in jeder Sekunde zu 100 Prozent funktionierte, so wird mir im Nachhinein sehr wohl die Realität und ihre möglichen Ausgänge bewusst. Wenn ich mich frage, was genau es war das mich funktionieren ließ, dann glaube ich, dass es größtenteils der Zusammenhalt der Polizisten war mit demselben Ziel: Den Schutz der Unbeteiligten.“
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