Burgenländer brechen Tabu in Social-Media
Explosiver Anstieg von „Nazi-Prozessen“ durch Corona

Der oberste Richter des Burgenlandes, Hofrat Dr. Karl Mitterhöfer, präsentierte dramatische Statistiken und ortet eine "Verrohung der kultivierten Diskussion!" | Foto: Heigl
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  • Der oberste Richter des Burgenlandes, Hofrat Dr. Karl Mitterhöfer, präsentierte dramatische Statistiken und ortet eine "Verrohung der kultivierten Diskussion!"
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Corona hat die Welt verändert. In vielfacher Hinsicht. Dass dieses Virus indirekt aber auch für „Nazi-Prozesse“ verantwortlich ist, erscheint auf den ersten Blick absurd. Klingt wie eine Märe. Doch der „schlechte Witz“ ist leider alles andere als eine Lach-Nummer. Entpuppen sich Quarantäne und Krankenstände, in Kombination mit mehr Freizeit und Social-Media, tatsächlich als fruchtbarer Nährboden „brauner Auswüchse“! Mit explosionsartiger Tendenz. Rekordzahlen bei Anklagen. Zu Wiederbetätigung, Verherrlichung, Verhetzung. Belegt durch Statistiken. Analysiert vom obersten Richter des Burgenlandes, Hofrat Dr. Karl Mitterhöfer. Hier im Exklusiv-Interview.

BURGENLAND. Grundsätzlich sagt einem ja Hausverstand und Schulbildung, dass die Zurschaustellung und Verbreitung von Hakenkreuzen rechtswidrig ist. Ebenso wie von Hitler-Bildern, Führer-Sprüchen, SS-Glorifizierungen, NSDAP-Plakaten usw.. Was im „normalen Leben“ als absolutes Tabu gilt, mutiert im Zusammenhang mit Social-Media oftmals zu einer dramatischen Verharmlosung. Verrückt das Rechtsverständnis. Lässt sogar unbescholtene Menschen abdriften. Weil sie auf Facebook, WhatsApp & Co. verbotene Bilder posten, mit Texten versehen und/oder weiterschicken.

Fataler Irrtum. Das ist keine Bagatelle

Im Internet kursieren hunderte, wenn nicht tausende solcher Fotos mit „belustigenden“, rassistischen, heroisierenden und menschenverachtenden Botschaften. „In manchen Kreisen der Gesellschaft ist es zwischenzeitlich schon beinahe salonfähig geworden, sich gegenseitig solche Abbildungen zu senden“, erläutert Gerichtspräsident Hofrat Dr. Karl Mitterhöfer. „Ein fataler Irrtum, zu glauben, dass das eine Bagatelle ist. Denn jede Form von Präsentation und Weitergabe von Bildern oder Dateien, die Inhalte nach dem Verbotsgesetz zeigen, ist zu bestrafen. Das inkludiert auch das Kommentieren solcher Darstellungen“.

Mindeststrafe beträgt 1 Jahr Gefängnis

„All diese Handlungen sind weder ,Lappalie‘ noch ,Witz‘. Landen vor dem Landesgericht. Egal, ob man sie veröffentlicht, an Fremde oder Freunde versendet. Fakt ist, dass solche Verbrechen und Vergehen mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Haft zu ahnden sind! Ausdehnbar bis zu 10 Jahren Gefängnis. Verhandelt werden diese Tatbestände, gleich wie Morddelikte, vor einem Geschworenen-Gericht.“ In so einem Prozess urteilen 8 Laien- und 3 Berufsrichter. Ebenfalls fixer Bestandteil sind Staatsanwalt, Schriftführer und Verteidiger.

Ausreden sinnlos. Schon Kokettieren ist zuviel

Immer wieder versuchen Angeklagte sich bei solchen Verfahren „herauszuwinden“. Doch „Ausreden“ wie „Habe mir Nichts dabei gedacht“ oder „Für mich war das Satire“ bzw. „Ich habe weder gelesen, was da steht, noch habe ich mir das Bild genau angesehen“, sind leere Kilometer verbaler Flucht vor Verantwortung. Zählen einfach nicht. Denn für so ein Verhalten gibt es keine Rechtfertigung. „Hier herrscht eine Null-Toleranz-Linie. Kokettieren ist schon zu viel!“, so der oberste Richter des Burgenlandes, der während solcher Prozesse immer wieder, eindeutig, eindringlich und lautstark, darauf aufmerksam macht.

Verboten sind Hakenkreuze, Hitler-Bilder, Führer-Sprüche, SS-Glorifizierungen, NSDAP-Plakate usw.. Die Graphik zeigt den exorbitanten Anstieg von "Nazi-Prozessen" nach dem Ausbruch von Corona im Jahre 2020. | Foto: Heigl / Symbolfoto Pixabay
  • Verboten sind Hakenkreuze, Hitler-Bilder, Führer-Sprüche, SS-Glorifizierungen, NSDAP-Plakate usw.. Die Graphik zeigt den exorbitanten Anstieg von "Nazi-Prozessen" nach dem Ausbruch von Corona im Jahre 2020.
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Explosion von 2 auf 18 Prozesse

Bezüglich Corona und exorbitanter Steigerung von „Nazi-Verfahren“ im Landesgericht Eisenstadt besteht ein kausaler Zusammenhang mit Quarantäne, Krankenstand, Freizeit, Langeweile und Social-Media. „Denn vor Ausbruch der Viruserkrankung gab es jährlich 2 bis 3 Verfahren nach dem Verbotsgesetz. 2020 stieg die Zahl auf 11“, erörtert Hofrat Dr. Karl Mitterhöfer vorliegende Statistiken (siehe Graphik). Das ist aber noch nicht das Ende der Fahnenstange. „2021 waren es 18 Prozesse. Heuer verzeichnen wir bereits 17!“ Im Vergleich zu ähnlich großen Landesgerichten sind das katastrophale Werte. Denn in Wr. Neustadt gab es heuer erst 9, in Korneuburg gar nur 6 Anklagen.

Männliche Täter von 25 bis 70 Jahre

Auf die Frage, warum das offenbar ein burgenländisches Phänomen ist, gibt es keine nachvollziehbare Analyse. Anders sieht das beim Täterprofil aus. „Ich kann mich nur an eine einzige Frau erinnern. Alle anderen Beschuldigten waren Männer. Nie ganz jung. Ab 25. Bis rund 70 Jahre alt. Ein Akademiker war dabei. Sonst eher bildungsferne Schichten. Oftmals ohne Job, ohne Familie. Viele waren frustriert. Wollten etwas Loswerden. Fühlten sich cool, nachdem sie solche Sachen in soziale Netzwerke gestellt hatten.“

Vielfach auch rassistisches Gedankengut

Nach einer kurzen Pause fährt der oberste Richter des Landes fort: „Manche fühlen sich auch durch Einwanderer bedroht. Da spiegelt sich fallweise Angst und Befürchtung wider.“ Im Raum stehen illegale Migration, gepaart mit teils unbekannten Religionen und fremden Kulturen. Ein Problem mit aktueller Dramatik. Die schlimmer kaum sein könnte. „Hier entsteht vielfach rassistisch orientiertes Gedankengut.“ Auch wenn diese Personen keinen „ausgeprägten Nazis“ sind, „liebäugeln“ sie dann doch mit manch „brauner Gesinnung“. Naiv kundgetan im Internet. Als „Pointe, Satire oder Spaß“... Und schon ist es passiert!

Bei einer der jüngsten Verbotsgesetz-Verhandlungen im LG Eisenstadt. Vorsitzende Mag. Birgit Falb (auf der Richterbank ganz links), Gerichtspräsident Hofrat Dr. Karl Mitterhöfer und Mag. Gabriele Nemeskeri. | Foto: Heigl
  • Bei einer der jüngsten Verbotsgesetz-Verhandlungen im LG Eisenstadt. Vorsitzende Mag. Birgit Falb (auf der Richterbank ganz links), Gerichtspräsident Hofrat Dr. Karl Mitterhöfer und Mag. Gabriele Nemeskeri.
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Härtere Urteile mit Haft und Geldbuße

Den Vorsitz in solchen Geschworenen-Prozessen können fünf langjährig erfahrene Richterinnen des LG Eisenstadt führen, oder der Gerichtspräsident selbst. Rechnung tragend, ob der jüngsten, rasanten Entwicklung, fallen die Urteile inzwischen härter aus als vor Corona. Kommt es sogar oft, auch aus generalpräventiver Signalwirkung, zu „Mischstrafen“. Also mindestens einem Jahr Gefängnis, bedingt oder unbedingt und zusätzlich einer Geldbuße. Auch die nicht unwesentlichen Kosten des Verfahrens muss der Angeklagte tragen. Eine unmittelbare „Besserung“ der Situation scheint nicht in Sicht. So fanden diese Woche, an einem einzigen Tag, sogar zwei Geschworenen-Prozesse wegen Verbrechens gegen das Verbots-Gesetz statt. Wir berichteten.

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