WK-Präsident Peter Nemeth
„Fast in jeder Branche fehlen willige Hände“
Wirtschaftskammer-Präsident Peter Nemeth über Arbeitskräftemangel, Mindestlohn und die Zusammenarbeit mit der Landesregierung.
Bevor wir ins Detail gehen, welche Stimmung orten Sie aktuell in der burgenländischen Wirtschaft? Welche der vielen Krisen beschäftigen die heimischen Unternehmen am meisten?
PETER NEMETH: Die Wirtschaftskammer hat zu dieser Frage eine Umfrage in Auftrag gegeben: Für drei von vier burgenländischen Betrieben sind die aktuell hohen Energie- und Rohstoffpreise die größte Herausforderung. Mit knappem Abstand folgt der Arbeitskräftemangel, der für 74 Prozent der Firmen im Burgenland problematisch ist. Als weiteren herausfordernden Faktor sehen burgenländische Unternehmen die Lieferkettenproblematik (67 Prozent), diese verbleibt auf hohem Niveau und liegt höher als der Österreichdurchschnitt. Auch die hohen Arbeitskosten sind für 65 Prozent der burgenländischen Betriebe herausfordernd.
Ein Dauerthema ist der Arbeitskräftemangel – in welchen Branchen sehen Sie im Burgenland diesbezüglich die größten Probleme?
Die Arbeitslosenquote liegt im Burgenland meist unter dem Österreichschnitt. Die Folge daraus ist, dass der Arbeitskräftemangel eine der größten Herausforderungen der kommenden Jahre ist. Wir brauchen Menschen, die Photovoltaik-Anlagen aufstellen, Häuser bauen, im Tourismus arbeiten. Willige Hände fehlen aber fast in jeder Branche.
Welche Maßnahmen würden helfen?
Um die Personalnot der Betriebe längerfristig und nachhaltig zu lindern, braucht es einen breiten Maßnahmenmix in fünf verschiedenen Handlungsfeldern. Neben der Rekrutierung internationaler Fachkräfte sind dies Maßnahmen in der Aus- und Weiterbildung sowie mehr Anstrengungen in der Vermittlung. Ich glaube, wir müssen den Leistungswillen wieder mehr fördern, steuerliche Modelle schaffen, damit den Menschen mehr Netto vom Brutto bleibt, Arbeitslose wieder in Beschäftigung kommen wollen, Teilzeitkräfte wieder in einen Vollzeitjob wechseln und Pensionisten gerne länger arbeiten. Dazu müssen auch Kinderbetreuung, Mobilitätsangebote und die Digital-Infrastruktur ausgebaut werden.
Wird es vonseiten der Wirtschaftskammer wieder Lehrlingsaktionen (z.B. Lehrlingscasting) geben?
Natürlich werden wir unsere bisherigen Maßnahmen weiter ausbauen. Ob das unser Lehrlingscasting ist oder die Plattform was-tun.at. Aber das sind nur zwei beispielgebende Aktionen von vielen. Wir arbeiten mit Schulen und Berufsorientierungslehrern zusammen, organisieren Talente-Checks und unterstützen bei der Wahl der richtigen Ausbildung. Und ganz wichtig, wir sind auch viel bei Betrieben und in Schulen unterwegs, um etwa für die Lehrausbildung Werbung zu machen.
Vor allem Jüngere wollen mehr Freizeit und flexiblere Arbeitszeiten – eine zusätzliche Herausforderung für die Firmen?
Corona hat die Welt verändert, Corona hat die Arbeitswelt verändert. Dass man bei einem Betrieb in die Lehre und dann auch dort in die Pension geht – die Zeiten sind vorbei. Wir Unternehmer müssen ganz sicher neue Modelle finden, flexibler sein. Aber dass zum Beispiel ein Kellner im Homeoffice arbeitet, wird halt auch in Zukunft nicht funktionieren.
Soll verstärkt auf ausländische Arbeitskräfte zurückgegriffen werden, d.h. proaktiv in den gewissen Ländern rekrutiert werden?
Die sogenannte Rot-Weiß-Rot-Karte enthält wichtige Weichenstellungen in vielen Bereichen – sei es für Unternehmen, die für kurzfristige Projekte Spezialisten brauchen, für Betriebe, die Mitarbeiter in Mangelberufen suchen, oder für unseren Tourismus. Dennoch kann die Rot-Weiß-Rot-Karte nur eine von vielen Stellschrauben sein, an denen wir im Kampf gegen den Arbeitskräftemangel drehen müssen.
Der Wiener Bürgermeister fordert, dass Asylwerber einen schnelleren Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen sollen – eine gute Idee?
Natürlich, jene Menschen, die arbeiten wollen, sich an die Spielregeln bei uns halten, sollen auch so schnell wie möglich die Chance bekommen. So wie es derzeit läuft, ist es doch für alle Beteiligten nur frustrierend.
Inwieweit wirkt sich der Mindestlohn von 1.700 Euro netto in den Landes- und landesnahen Betrieben auf die Privatwirtschaft aus? Sind dadurch nicht viele Betriebe gezwungen, nachzuziehen?
In ganz vielen Branchen wird darüber nicht gesprochen, hier waren die Tariflöhne schon vor dem burgenländischen Wahlkampfschlager höher.
Der Landes-Mindestlohn sorgt vielmehr für Unzufriedenheit und Unsicherheiten bei den landesnahen Gesellschaften und für Kopfschütteln bei den Tarifpartnern – auch auf Arbeitnehmerseite.
Ihre Kritik am Landes-Mindestlohn bleibt also aufrecht?
Natürlich, die Kollektivverhandlungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite haben in Österreich nicht nur lange Tradition, sondern sind auch Garanten für Gerechtigkeit und sozialen Frieden. Hier ist der Staat – oder eben die Landespolitik – gut beraten, wenn sie sich nicht einmischt.
Wie würden Sie die Zusammenarbeit mit der burgenländischen Landesregierung bewerten?
Die Zusammenarbeit ist bei manchen Themen sehr gut, in anderen Bereichen fehlt die Kommunikation fast gänzlich. Aber speziell dort, wo man meint, alles selbst besser zu wissen, zeigen die Erfahrungen, dass dann wieder adaptiert, novelliert oder zurückgerudert werden muss. Hier könnte man sich – durch bessere Einbindung und vorherige Gespräche – einiges an leeren Kilometern ersparen.
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