Heimatforscher Gerhard Riedl
Der Sonderfall „Honved Husaren“ an der Enns
Heimatforscher Gerhard Riedl beschäftigt sich derzeit mit den Geschehnissen in der Region Enns rund um das Ende des Zweiten Weltkrieges, wie die BezirksRundSchau Enns berichtete ("Das Nazi-Reich dauerte im Enns-Donauwinkel am längsten")
KRONSTORF. "In den vergangenen Monaten habe ich mich auch mit ungarischen Soldaten an der unteren Enns beschäftigt und bin auf viele Neuigkeiten gestoßen", erklärt der frühere Leiter eines Konstruktionsbüros in Steyr, der sich seit seinem Pensionsantritt ganz der Heimatgeschichte verschreiben hat.
Der Sonderfall „Honved Husaren“
Riedl erzählt: "Nach einem Tag im Kriegsgefangenlager Kronstorf kamen die Honved-Husaren am 10. Mai 1945 in goldene Käfige, verteilt zwischen Kronstorf, Losenstein, Hofkirchen und Hargelsberg. Schloss Saxelhof wurde zur Divisionszentrale erklärt, wo sich die Offiziere mit ihren Frauen und Kindern behaglich einrichteten. Die Regimentsoffiziere lebten in großen Bauernhäusern, die Truppe in riesigen Zelten oder Scheunen daneben. Die Bauersleute zogen meist in den oberen Stock."
Kauften Lebensmittel und Tierfutter
"Ihre Anwesenheit war nicht konfliktfrei. In den ersten Wochen nach dem Krieg war die Bevölkerung durch die vielen Plünderungen verunsichert. Man wusste oft nicht, waren russische Kriegsgefangene, ehemalige KZ-Insassen oder Banden unterwegs. Weil auch die Ungarn verdächtigt wurden, drangen sie auf größeren Schutz. In dieser Situation erlaubten die Amerikaner jeder Honved-Abteilung, externe Garden aufzustellen und rüsteten sie mit 30 Karabiner aus. 'Mit Armbinden ausgestattet kontrollierten sie Straßen in Stallbach und Thann. Ein Posten bestand aus zwei bewaffneten Männern', so ein heute noch lebender Augenzeuge. Da manche Regimenter auch ein Auto, ein Motorrad, einen Lastwagen erhielt, verbesserte sich auch ihre Mobilität. Sie kauften in Enns, Linz oder Steyr Lebensmittel und Tierfutter ein."
Ungarn liebten Pferde
Der Kronstorfer Historiker erzählt: "Ihre Liebe zu den Pferden kam bei den Amerikanern besonders gut an. Die am 19. Mai im Schloss Losenstein organisierte Pferdeshow schlug so ein, dass sie zwei Tage später vor etwa 4.000 Amerikaner wiederholt werden musste. So herzlich sich das Verhältnis zu den Amerikanern entwickelte, so gering war das Verständnis bei den Gemeinde-Verwaltungen, zumal die Versorgungslage problematisch war. Am 22. Mai 1945 musste der Regimentsadjutant der 259. Infantry, Hubert Joseph Hoglan, die Ungarn ermahnen, dass sie das Übereinkommen über die Nahrungsmittel-Zuteilung befolgen. Er verlangte, Lebensmitteln und Futter nicht mehr direkt von der lokalen Bevölkerung einzufordern. Trotzdem beschwerte sich 14 Tage später Bürgermeister Straßmayr von Hofkirchen, dass die Husaren-Division bei verschiedenen Bauern Milch und Eier verlangt hätten, obwohl sie dafür keine Bezugsberechtigung hatten. Als noch andere Vorfälle auftauchten, wurde der Militärgouverneur von Oberösterreich, Generalmajor Stanley Reinhart, eingeschaltet. Im 10-Punkte Memorandum vom 6. Juni 1945 wird ausdrücklich das 'Ende der Freizügigkeit' angeordnet. Alle mussten zukünftig bei Kontrollen anwesend sein, und: 'Es gibt kein Hindernis für den Einsatz der Ungarn für jede notwendige Arbeit, außer dass sie Gefangene anderer Nationalitäten oder ihrer ehemaligen Verbündeten nicht bewachen können'. Die Honved-Offiziere wurden für Ordnung und interne Polizeiangelegenheit verantwortlich gemacht."
Stimmung kippte
"Kurz nachdem am 3. Juli der Jahrestag der Mobilisierung des 2. Husaren-Regiments im Kampf gegen den Bolschewismus gefeiert wurde und ein US-Regimentskommandant eine rühmende Rede hielt, begann die optimistische Stimmung zu kippen. Nach der Potsdamer Konferenz, die den Kalten Krieg einleitete, wurde unter anderem die Rückführung der Ungarn aktuell. Eine für den 18. August angekündigte Errichtung einer zentralen Sammelstelle in Steyr wurde wieder zurückgenommen. Scheinbar war ein US-Offizier ungarischer Abstammung nicht dafür. Die Rückführung schob sich auch deshalb hinaus, weil von den Russen keine Garantie gegeben wurde, dass die Honveds in ihrer Heimat sicher leben konnten. Erst nach vielen Verhandlungen erfolgte am 21. September die Repatriierung mit dem Zug. Als die Husaren das russische Wachpersonal an der Enns sahen, verwandelte sich ihr Optimismus in tiefes Schweigen. Der Fluss war für sie bekannt, als ein „Abbild“ zwischen schlechter und guter Stimmung. Ein Veteran, für den es bis 1990 nicht gut war, sich über den Krieg zu äußern, erinnerte sich: 'Wir fuhren durch ganz Niederösterreich in düsterer Stille'", sagt Gerhard Riedl.
Wer kann beitragen?
Wer zusätzliche Informationen oder Erinnerungen an die ungarischen Soldaten im Raum Enns hat, wird gebeten, sich bei Gerhard Riedl zu melden: gerhard.riedl@drei.at
UP TO DATE BLEIBEN
Aktuelle Nachrichten aus Enns auf MeinBezirk.at/Enns
Neuigkeiten aus Enns als Push-Nachricht direkt aufs Handy
BezirksRundSchau Enns auf Facebook: MeinBezirk.at/Enns - BezirksRundSchau
ePaper jetzt gleich digital durchblättern
Storys aus Enns und coole Gewinnspiele im wöchentlichen MeinBezirk.at-Newsletter
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.