Ende des Zweiten Weltkriegs

"Das Nazi-Reich dauerte im Enns-Donauwinkel am längsten"

Der Kronstorfer Heimatforscher Gerhard Riedl berichtet über neue Erkenntnisse rund um das Ende des Zweiten Weltkrieges in der Region Enns. 

KRONSTORF. Mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht endete am 8. Mai 1945 der Zweite Weltkrieg in Europa. "Im Donauwinkel dauerte das 1000-jährige (Nazi-) Reich am längsten", erklärt Gerhard Riedl. Der frühere Leiter eines Konstruktionsbüros in Steyr widmet sich seit seinem Pensionsantritt 2012 intensiv der Heimatgeschichte. "Die ersten Bücher 'Entlang der Steyr' und 'Entlang der Enns' erschienen 1998 in erster Linie als Anschauungsmaterial, um die Veränderungen an den Flüssen sichtbar zu machen. Der Zutritt bei diversen Archiven und die hohe Quote an neuen Fundstücken waren Motive, die historische Entwicklung im Gebiet untere Enns in weiteren Büchern darzustellen", so der Kronstorfer. Derzeit beschäftigt er sich mit der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. "In den vergangenen Monaten habe ich mich auch mit ungarischen Soldaten an der unteren Enns beschäftigt und bin auf viele Neuigkeiten gestoßen."

SS kämpfte im Raum Ennsdorf/St. Valentin weiter

Riedl: "Der Anstieg des Kampffiebers in der Waffen-SS verlängerte den Zeiten Weltkrieg wesentlich. SS-Führer Heinrich Himmler wurde nach dem fehlgeschlagenen Attentat auf Hitler „Befehlshaber des Heimatheeres“ und nahm mit Nachdruck die Rolle eines Kriegstreibers ein. Er dirigierte noch in den letzten Kriegstagen den schlecht bewaffneten Volkssturm und die Hitlerjugend an die Front, während die Wehrmacht die Sinnlosigkeit nach dem Verlust von Wien am 13. April 1945 erkannte. SS-Einheiten kämpften im Raum Ennsdorf/St. Valentin noch am 8. Mai für ihr mystisches Reich."

Die ungarische Honved-Armee

Wenig bekannt sei bisher auch die Rolle der ungarischen Honved Armee, die laut Riedl "bis zu Kriegsende mit den Deutschen mehr oder weniger gemeinsame Sache machte. Obwohl sie buchstäblich erst am letzten Tag absprang, duldete die US-Armee den erstrebten Status 'Überläufer'. Damit entkam die Honved der sowjetischen Kriegsgefangenschaft." 

Pferde verkauft – die Russen kommen

Riedl: "Der Umzug musste wegen den rasch heranrückenden Russen in großer Eile erfolgen. In Holzleiten (Haag) verkaufte Leutnant Dr. Göbel Görgy vom 3. Husaren-Regiment noch schnell elf Pferde an den Viehhändler Josef Heuberger für 1.557 Reichsmark. Am 8. Mai ließ der Divisions-Kommandant Oberst Shell Zoltan die um Haag verstreuten Husaren am Brückenkopf Ernsthofen gruppieren. 252 Offiziere, 2155 Mannschaft und 406 Zivilisten (darunter viele Kinder) querten die Enns bei Aigenfließen. Als Treffpunkt wurde mit den Amerikanern Schmieding (Kronstorf) vereinbart. Bevor sie sich frei bewegen durften, mussten sie aber für einen Tag in das Kriegsgefangenenlager. „Wir trafen hier (Kronstorf) auf das erste US-Gefangenenlager, wo deutsche Häftlinge mit auf sie gerichteten Maschinengewehren auf einer Wiese zusammengehalten wurden“, erzählt ein Veteran. Er schwärmte von dieser Zeit mit „Lagerfeuern und schönen Hymnen“. Für die Einheimischen, die das Gefühl vom „Eingesperrt sein“ hatten, war die Behandlung der Ungarn schwer zu verstehen. Die US-Besatzungsmacht sorgte für ihre Mobilität, für Nahrung und Behaglichkeit. Zu ihrer eigenen Sicherheit wurden sie sogar ausgerüstet."

Befreiung von Sowjets

Gerhard Riedl weiter: "Die (meisten) Husaren gehörte zu jenen, die an eine ungarische Auferstehung glaubten, auch wenn sie gleich der erste Tag der Freiheit hart getroffen hatte: „An den Ufern der Enns ist die Waffe, die wir all die Jahre so stolz getragen haben, zu Schrott geworden, und wir hätten nie gedacht, dass sie für immer vorenthalten werden würden.“ Die von der US-Armee ausgestreckte Hand gab den Husaren wieder Zuversicht. Viele von den etwa 280.000 ungarische Soldaten, die in französische, englische oder amerikanische Gefangenschaft gerieten, waren sich sicher, dass sie sich für die Befreiung von der sowjetischen Herrschaft einzusetzen hätten."

Mehr über die Ungarn in Kronstorf lesen Sie hier:

Wer kann beitragen?

Wer zusätzliche Informationen oder Erinnerungen an die ungarischen Soldaten im Raum Enns hat, wird gebeten, sich bei Gerhard Riedl zu melden: gerhard.riedl@drei.at

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