Sensationsfund im Stift St. Florian
Zwei neue Fragmente der Riesenbibel von St. Florian entdeckt

Stiftskustos H. R. Ehrl, Stiftsbibliothekar Friedrich Buchmayr und Kleriker Clemens Kafka mit den neuen Funden.  | Foto: fotokerschi.at/Kerschbaummayr
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Im Stift St. Florian wurden Fragmente der Riesenbibel aus dem zwölften Jahrhundert gefunden.

ST. FLORIAN. Bei einer Abstaubaktion im Sommer 2018 entdeckten Stiftsbibliothekar Friedrich Buchmayr und der Kleriker Clemens Kafka unter 150.000 Büchern einen Sensationsfund. Die Germanisten stießen völlig überraschend auf zwei neue Fragmente der Riesenbibel. „Nachdem schon viele Handschriftenforscher die Bestände durchgesehen hatten, rechnete niemand mehr mit solchen Überraschungsfunden. Aber offenbar gibt es bei so vielen Büchern immer noch etwas zu entdecken“, so Buchmayr, „Die Fragmente haben einen hohen ideellen Wert, weil die Riesenbibel von St. Florian die altehrwürdigste und bedeutendste Handschrift des Stiftes St. Florian ist. Man freut sich immer, wenn man Verlorenes wiederfindet, aber hier im Falle der Riesenbibel ist das etwas ganz Besonderes.“

Aufwendiges Verfahren

Das erste Fragment diente als Einband für eine Archivhandschrift der Pfarre Schöndorf in Vöcklabruck aus dem Jahr 1594. Der Text darauf ist eine Passage aus dem Brief des Apostels Paulus an die Römer. Bei einer wissenschaftlichen Untersuchung musste die Schrift mit jener der Riesenbibel verglichen werden. „Weil bei den Fragmenten eine sehr genormte romanische Buchschrift verwendet wurde, war dieses Verfahren sehr zeitaufwendig und nahm mehrere Monate in Anspruch. Dieselbe Überprüfung geschah mit den gemalten Initialien und den übrigen Verzierungen. Weiters wurden die Textformatierungen wie Spaltenbreite, Seitenränder etc. verglichen. Die Überprüfung des Layouts gab den entscheidenden Hinweis auf die Riesenbibel“, sagt Friedrich Buchmayr. „Der Text ist sowohl im Codex als auch beim Fragment auf zwei Spalten mit 45 Zeilen pro Seite aufgeteilt, die jeweils 15 cm breit und 48 cm hoch sind.“ Der zweite Fund diente ebenfalls als Einband eines Predigtbuches aus dem Jahr 1601. „Der Band ist mir wegen der schön verzierten D-Initiale sofort aufgefallen“, so Clemens Kafka. Die Untersuchungen des Fundes ergaben, dass der damalige Buchbinder das Riesenbibelblatt so zum Einband faltete, dass sich dieser Buchstabe genau am Vorderdeckel befand. Diese Initiale war laut Buchmayr und Kafka der erste Hinweis, denn eine verwandte findet sich auch im vorhandenen Buch der Riesenbibel.

Funde in Linz und Wien

Von den verschwundenen Blättern sind bisher nur zwei Fragmente in der Landesbibliothek Linz und in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien aufgetaucht. „Die bisher einzigen Funde zur St. Florianer Riesenbibel liegen mittlerweile schon ein halbes Jahrhundert zurück“, so Buchmayr. Die beiden neuen Seiten kamen, ebenso wie die bereits bekannten, um 1600 als Einbandmaterial in Verwendung. Es war üblich, dass Teile mittelalterlicher Handschriften für Einbände und Ausbesserungen neuerer Bücher herangezogen wurden. „Eine Riesenbibel anzufertigen, war im 11. und 12. Jahrhundert das größtmögliche Buchprojekt, das hohe Kunstfertigkeit, viel Zeit und hohen Materialaufwand erforderte. Der erhaltene Band der Riesenbibel ist für die Hausgeschichte deshalb von größter Bedeutung.“

Zur Riesenbibel

• Die Riesenbibel, wie auch die Fragmente, wurde um 1140 geschrieben.
• Sie gilt mit ihren enormen Maßen (66 x 48 cm) als größte mittelalterliche Handschrift Österreichs.
• Das prunkvoll ausgestattete Werk wurde um 1140/50 im Skriptorium des Stiftes angefertigt.
• „Größe und Umfang der Bibel zeigen, welch hohe Bedeutung das Wort Gottes für die Chorherren nach der Reform von 1071 hatte“, erläutert Stiftskustos Harald R. Ehrl.
• Ursprünglich dürfte das Werk drei Bände mit allen Büchern des Alten und Neuen Testaments umfasst haben. Erhalten blieb allerdings nur ein Einzelband.
• Die Neufunde können bis September in der Stiftsbibliothek im Rahmen der üblichen Führungen besichtigt werden. Danach werden sie im Tresor der Handschriftensammlung aufbewahrt.

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