Wirtschaftskammer
Gewerke kämpfen mit hohen Preisen und Lieferproblemen
Michael Pecherstorfer, Obmann des oö. Gewerbe und Handwerks und Angelika Aubrunner, Spartenführerin in der Wirtschaftskammer Niederösterreich, hoffen auf eine Beruhigung der Lieferproblematik und damit Preissituation im Herbst.
REGION ENNS. Vor allem investitionsgüternahe Gewerbe, allen voran Bau, Holzbau, baunahe Branchen, Bauhilfsgewerbe oder Metallverarbeiter leiden laut Wirtschaftskammer (WKO) seit Monaten unter Rohstoffverknappung und Lieferunsicherheiten und damit einhergehenden Preissteigerungen. Zusätzlich erschweren monatelange Lieferverzögerungen und Versorgungslücken bei zahlreichen Roh- und Grundstoffen sowie verarbeiteten Produkten die Projektabwicklung.
Entspannung im Herbst
„In der Baubranche ist derzeit nicht die Frage, wie hoch der Preis ist, sondern ob überhaupt etwas verfügbar ist. Wir haben Lieferzeiten von zwei bis drei Wochen anstelle von wenigen Tagen. In der Ziegelindustrie gibt es teilweise einen Annahmestopp für neue Projekte. Teilweise nicht wegen des Produkts selbst, sondern etwa wegen fehlender Verpackungsmaterialien. Momentan verkaufen wir etwas ohne zu wissen, was es tatsächlich kosten wird“, beschreibt Michael Schöller von der gleichnamigen Ennser Baufirma die Herausforderungen. Da sehr viel Stahl aus Italien kommt, sei laut Schöller etwa ein Engpass rund um Ferragosto, den italienischen Urlaubswochen ab Mitte August, vorhersehbar. Manche seiner Zulieferer und Branchenkollegen glauben an eine Entspannung im Herbst, andere gehen davon aus, dass sich die Situation erst im Frühling verbessert. Eine Einschätzung sei schwierig, so Schöller.
Große Nachfrage
Von Preissteigerungen ist auch das Stiftssägewerk St. Florian betroffen. „Alle Produkte, mit denen wir handeln, wie etwa Leimbinder, OSB-Platten oder Befestigungen, haben in den letzten drei Monaten eine enorme Preisrallye hinter sich, wobei die Spitze des Eisberges sicher noch nicht erreicht ist“, so Betriebsleiter Karl-Heinz Aitzetmüller. Durch die enorme Nachfrage sowohl bei Privat- als auch Firmenkunden kam es auch hier zu Lieferverzögerungen. „Meiner Meinung nach wird sich die Lage bei Firmenkunden, wo die Nachfrage weiterhin sehr hoch ist, frühestens gegen Ende des Jahres entspannen, wobei die Preise auf hohem Niveau bleiben werden“, prognostiziert Aitzetmüller. Inwieweit sich ab Herbst die Lieferungen von Rohstoffen und verarbeiteten Produkten tatsächlich stabilisieren und sich damit auch die Preise wieder auf ein vernünftiges und vorhersehbares Niveau einpendeln werden, bleibt laut WKO abzuwarten. „Dennoch deutet alles daraufhin, dass sich die Lage über die Sommermonate entspannt und so ein gewaltiger Brocken auf der Straße zurück zur wirtschaftlichen Normalität aus dem Weg geräumt sein wird“, zeigt sich Pecherstorfer optimistisch. Für Aubrunner lässt sich die Entwicklung schwer einschätzen. Sie schließt sich ihrem oberösterreichischen Kollegen an und hofft auf eine Entspannung für Herbst.
Regionale Partner
Laut Michael Schöller machen sich in dieser Phase langjährige Geschäftsbeziehungen mit Partnern aus der Region bezahlt. Im Stiftssägewerk war ebenfalls durch langjährige Lieferpartner, aber auch den eigenen Stiftsforst, die Rohstoffversorgung relativ problemlos gewährleistet. Der Ennser Baumeister empfiehlt privaten Häuslbauern: „Momentan ist Bauen in Summer um 20 bis 40 Prozent teurer. Wer kann, sollte jetzt alles vorbereiten, Angebote einholen und dann bis Frühling warten.“ Pecherstorfer rät Betrieben zu vorsichtiger Kalkulation und flexibler Vertragsgestaltung, um nicht durch Festpreisverträge in die Kostenfalle zu tappen: „Wenn veränderliche Preise vor allem für preissensible Leistungsbestandteile vereinbart werden, führt das zu einer faireren Risikoaufteilung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer.“
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