„Keine Garantie für Demokratie!“

Anneliese Rohrer ermutigt zur Selbstverantwortung, denn: „Keiner soll sagen: Das habe ich nicht gewusst!“ | Foto: aau/Maurer
  • Anneliese Rohrer ermutigt zur Selbstverantwortung, denn: „Keiner soll sagen: Das habe ich nicht gewusst!“
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Die Kärntner Journalistin Anneliese Rohrer war zu Gast bei „Wissen schafft Kultur“ an der Universität Klagenfurt. Der WOCHE stand sie für ein Interview zur Verfügung.

WOCHE: Sie sehen die Demokratie gefährdet. Wer trägt Schuld an der derzeitigen Politikverdrossenheit?
ROHRER: Ich muss Ihnen ehrlich sagen, dass mir diese Schuldzuweisungen auf die Nerven gehen. Es sind immer alle anderen schuld: die Immigranten, die Islamisten. Aber in Wahrheit sind wir selbst schuld. Es herrscht eine Gleichgültigkeit und Ignoranz. Wir kümmern uns nicht. Nehmen wir nur das Beispiel von 2010, als der Rechnungsabschluss dem Parlament nicht vorgelegt wurde. Das war ein glatter Verfassungsbruch. Niemand hat sich aufgeregt. Gleichzeitig wurde damals der 90. Geburtstag unserer Verfassung gefeiert – allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Damals sagte Bundespräsident Fischer: „Man soll nicht glauben, dass die Demokratie nicht unzerstörbar wäre.“ Und ganz prekär finde ich eine Studie, die auch für mein Buch gemacht wurde: 25 Prozent der Österreicher gaben an, nichts gegen ein autoritäres System zu haben. Wir müssen nicht auf die Islamisten warten, um unsere Demokratie zu zerstören, das machen wir schon selbst.

Woher kommt diese Gleichgültigkeit?
Wir haben nie etwas für unsere Verfassung gemacht, wir haben nicht dafür gekämpft. Sie wurde uns gegeben. Nach dem 2. Weltkrieg hatten wir dann eine Art Gnadenpolitik. Die Politiker gaben und die Bevölkerung hat genommen. Und drittens sind wir generell ein Volk, das Schuldzuweisungen und Ausreden benutzt. Irgendwann ist Schluss mit den Ausreden.

Können Sie Beispiele für die von Ihnen zitierten „unbekannten Mitbestimmungsrechte“ nennen?
Es gibt unzählige, aber keiner kennt sie. Keiner informiert sich. Keiner interessiert sich. Daher haben wir keine Beziehung zu unserer Verfassung. Allerdings gibt es eine Bring- und Holschuld. Jeder kann sich die Verfassung ansehen, sich informieren und recherchieren. Es gibt auch die einzelnen Landesverfassungen. In Kärnten ist sie leicht einzusehen. Aber wir nehmen unsere „Rechte“ nicht wahr. 2010 hätte es im Zuge des Verfassungsbruches Demonstrationen geben müssen. Aber in Österreich gibt es keine Konsequenzen.

Wie beurteilen Sie das österreichische Bildungssystem?
Bei uns werden das Hinterfragen oder das kritische Denken nicht gefördert. Und das wird von Generation zu Generation weitergegeben. Zivilcourage kann und muss man lernen. Wir haben ein gut ausgebildetes „Unterdrückungssystem“ und hier ist Umdenken gefragt. Wenn sich neun von zehn zur Wehr setzen, wird der zehnte nicht mehr unterdrückt. Gerade bei der Bildung sind auch die Eltern gefragt. In einer Studie zum Bildungssystem wurden Studenten gefragt, was sie denken, warum niemand handelt. Der Großteil der Studenten meinte: „Unser Leidensdruck ist nicht groß genug.“

Wie denken Sie über den Mutbürgermarsch von Unternehmer Franz Miklautz?
Da bin ich ein wenig befangen. Ich finde es beachtlich, was er alles organisiert hat in der kurzen Vorbereitungszeit. Ich bin auf das Ergebnis gespannt. Klar ist, Politiker verstehen nur Zahlen. Das heißt: Wenn nur ein paar Hundert kommen, bringt es nicht viel. Es liegt also wieder an den Leuten.

Zurück zur Politikverdrossenheit: Viele gehen erst gar nicht mehr zur Wahl …
Man muss auf jeden Fall zur Wahl gehen, auch wenn man ungültig wählt. Oder man entscheidet sich für das kleinere Übel, was vielleicht auch nicht optimal ist. Es gibt noch eine Möglichkeit – bis zu den Wahlen ist ja noch etwas Zeit. Man geht zu der Gruppe, die einem am nächsten ist und engagiert sich. Jeder kann mitbestimmen. Man kann der Partei mitteilen, was einem nicht gefällt. Und auch hier: nicht einmal, sondern immer und immer wieder! Die Leute müssen etwas tun und nicht locker lassen. Sie werden sehen, es erfüllt sie selbst mit Zufriedenheit.

Zur Person - Rohrer:
Anneliese Rohrer: geboren 1944 in Wolfsberg.

Ab 1974 Journalistin bei der „Presse“. 2003 erhielt sie den Kurt-Vorhofer-Preis. Heute arbeitet sie als freie Journalistin.

Heuer veröffentlichte sie ihr Buch: „Ende des Gehorsams“.

Autorin: Carmen Kassekert

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