Sich spielend auf die anderen zubewegen
Kann Sport Menschen nachhaltig einander näher bringen, die sonst eher nicht miteinander in Kontakt kommen? Migranten und Österreicher zum Beispiel? Oder Kinder aus armen und reichen Familien? Sportwissenschafter Minas Dimitriou sagt ja – wenn es genügend Freiräume dafür gibt.
„Sport kann abschreckend wirken“, sagt Minas Dimitriou und meint den großteils leistungsorientierten Sportunterricht in den Schulen. „Schüler, die etwas dicker sind, will niemand im Team haben, weil das diesem Leistungsprinzip widerspricht und das bewirkt, dass die Diskriminierung dicker Personen auch in andere Bereiche in der Gesellschaft transportiert wird“, schildert er. Und ist der Meinung: Es ginge auch anders: Wenn nämlich der Sportbegriff weiter als nur bewegungsorientiert gefasst werde, auch Kultur oder Weiterbildung einschließe und vor allem Kreativität erlaube.
„Wenn von Integrationskonzepten die Rede ist, höre ich ständig, das kostet Geld. Das stimmt aber nicht, denn die notwendige Kreativität ist dort möglich, wo es Platz zum Bewegen, zum Spielen oder auch zum Herumsitzen gibt – und es kann ja kein Geld kosten, Plätze frei zu halten, oder?“ Denn nur wenn es diesen Freiraum gibt, der eigenes Spielen erlaubt, ohne fixe Geräte, die auf eine bestimmte Art „bespielt“ werden sollen, entsteht Kommunikation. „Das beste Beispiel ist für mich die Wiese neben dem Hellbrunner Spielplatz. Dort sitzen die Leute beim Picknick im Gras, spielen Frisbee oder Federball oder etwas ganz anderes. Und dabei kommen unterschiedlichste Menschen einander näher. Warum glauben Sie, ist der Almkanal bei den Jugendlichen so beliebt? Weil es ein Platz ist, der nicht normiert ist, der nicht nach bestimmten Vorstellungen eines Spielplatzdesigners benutzt werden muss – sondern die Fantasie und Kreativität anregt.“
Vorhandene Analysen sind wenig hilfreich
In Salzburg gebe es wunderbare Studien über das Bewegungsverhalten der Salzburger: „Wir wissen, wie oft die Salzburger Sport betreiben, in welchen Sportarten Mädchen oder Migranten über- oder unterrepräsentiert sind, sogar wie gut sie Deutsch sprechen, aber diese Analysen sind alle mangelhaft, weil sie nicht mehr tun, als zu beschreiben. Um ein zielgruppengerechtes Bewegungsangebot erstellen zu können, müsste man aber die einzelnen Zielgruppen kennen. Und dazu müssen die Zielgruppen schon in die Konzeption eingebunden werden.“ Es brauche Struktur- und Bedarfs-analysen anstelle von beschreibenden Studien. „Das könnten wir mit unseren Studenten hier am Interfakultären Fachbereich Sport- und Bewegungswissenschaften machen, wir wären sogar froh, wenn wir einen Auftrag dazu bekämen.“ Auch die Politik hätte etwas davon, ist der Wissenschafter überzeugt. Wobei er auch einräumt: „Für die Politik muss es leider meistens schnell, schnell gehen, aber der Wissenschafter braucht – anders als externe Beraterfirmen, die innerhalb von einem Monat das liefern, was der Politiker braucht – Zeit.“
Sportwoche mit den „anderen“?
Um zusammen kommen zu können, bedürfe es vor allem Möglichkeiten, ist Minas Dimitriou überzeugt. „Ich habe bei einem Elternabend einer Schule in Anif den Vorschlag gemacht, die kommende Wintersportwoche gemeinsam mit einer Klasse aus dem dicht besiedelten Salzburger Stadtteil Lehen zu verbringen.“ Damit sei er aber nicht nur auf offene Ohren gestoßen. „Es könnte aber sein, dass Lehener und Anifer Kinder entdecken, dass sie gemeinsame Interessen haben und sich in Folge für Freizeitaktivitäten wie Skaten oder Radfahren außerhalb der Schule treffen. Dann hätte der Sport Menschen zusammen gebracht, die sonst nicht zusammen gekommen wären“, sagt der Wissenschafter und findet: „Man müsste es einfach ausprobieren.“
Zur Sache:
Sport und Integration
Im Rahmen der Salzburger Zukunfts Dialoge hat Minas Dimitriou für die Jungk-Bibliothek ein wissenschaftliches Arbeitspapier mit dem Titel „Sport zwischen Inklusion und Exklusion“ geschrieben. Infos unter www.jungk-bibliothek.at.
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