Zettwing und seine schicksalhafte Geschichte

Zettwing 1913 | Foto: Heinrich Melzer
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WINDHAAG, ZETTWING (CZE). Kein anderer Ort an der südböhmisch-oberösterreichischen Grenze spiegelt die schicksalshafte Geschichte mehr als Zettwing (Cetviny) an der Maltsch. Sechs politische Systeme drückten im 20. Jahrhundert diesem einst blühenden Marktort mit 120 Häusern ihren Stempel auf. Am Wochenende 12./13. August lädt der Erinnerungsort Zettwing mit zwei Veranstaltungen zum Besuch ein.

Das Zukunftsforum Freiwald koordiniert aktuell in einem tschechisch-deutsch-österreichischen Gemeinschaftsprojekt die Beseitigung der Nässeschäden in der gotischen Maria-Geburt-Kirche mit ihren 600 Jahre alten Fresken. Gleichzeitig wird die wechselhafte Zeitgeschichte in einem Forschungsprojekt aufgearbeitet. Fast 400 Jahre bildete in der Monarchie die Maltsch lediglich eine Verwaltungsgrenze zwischen Böhmen und Österreich. Die Menschen heirateten "herüber und hinüber“. Nach 1918 verhandelte man dann die Staatsgrenze. Die tschechische Seite wollte diese zunächst an der Wasserscheide festlegen. So wären Windhaag und Leopoldschlag in der neu entstandenen Tschechoslowakischen Republik gelandet.

Die wirtschaftliche Situation entwickelte sich in der Zwischenkriegszeit von 1918 bis 1938 in Südböhmen wesentlich stabiler als im Mühlviertel. Zum Einkaufen und Biertrinken wurde Zettwing an Wochenenden zu einem beliebten Ausflugsziel. Auch der Schmuggel mit günstigen Bata-Schuhen, Textilien und Sacharin blühte zum Leidwesen der österreichischen Zöllner.

Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich explodierte von Oberdonau aus die Nazihetze gegen die Tschechoslowakei. In einer spektakulären Aktion entführten im September 1938 das sudetendeutsche Freikorps und die SA 29 tschechische Grenzbeamte samt Frauen und Kindern von Zettwing nach Salzburg. Feuergefechte an der Maltsch forderten Verletzte und Tote.

Am 10. Mai 1945 kam die Rote Armee nach Zettwing. Die bisher deutsche Gemeindeverwaltung wurde den tschechischen Behörden übergeben. Der neue provisorischen Bürgermeister Josef Chyle schützte jedoch die deutschsprachige Bevölkerung vor Übergriffen durch die „Revolutionsgarden“. Etwa ein Drittel flüchtete meist zu Verwandten ins benachbarte Mühlviertel. In acht Transporten erfolgte dann 1946 die Ausweisung der zu staatenlos gewordenen Deutschen vor allem nach Süddeutschland. Manche landeten schließlich auch in Australien, Süd- und Nordamerika oder Schweden.

Eine tschechische Volksschulklasse war bis 1950 in Zettwing in Betrieb. 1951 erfolgte die Erklärung zur „Verbotenen Grenzzone“. Der Pfarrer musste mit den noch etwa 40 Verbliebenen den Ort verlassen. 1955/56 wurden die etwa 120 Häuser dem Erdboden gleich gemacht. Ein Sprengversuch der Kirche endete für den Sprengmeister tödlich. Von der Grenzkaserne aus kontrollierten 50 bis 60 Grenzsoldaten den undurchlässigen Eisernen Vorhang. Aber immer wieder gelang manchen die Flucht in den "Westen“. An der südböhmisch-oberösterreichischen Grenze wurden jedoch auch 14 Flüchtende brutal erschossen.

Nach der Wende 1989 schockierte die als Stall und Wachturm zweckentfremdete Zettwinger Kirchenruine. Diese konnte dann 2003 auch mit Unterstützung des Landes Oberösterreich restauriert werden.  Betreut wird die Zettwinger Kirche vom Zukunftsforum Freiwald, der Plattform der Gemeinden Grünbach, Leopoldschlag, Rainbach, Sandl, St. Oswald und Windhaag bei Freistadt. Ziel der Aktivitäten ist neben der Erhaltung der Bausubstanz des einzigartigen Kirchenraumes vor allem auch die Reflexion der gemeinsamen Vergangenheit. „Gerade das Geschehen um Zettwing ist so spannend und vor allem sehr lehrreich für das Heute“, sagt Obmann Hubert Roiß, der mit zahlreichen Ehrenamtlichen beiderseits der Maltsch seit mehr als 15 Jahren das Projekt betreut.

Samstag, 12. August, 14 Uhr:
Festgottesdienst (Kirchenchor Grünbach bei Freistadt)

Sonntag, 13. August, 14.30 Uhr:
Gemeinsam Singen – Familie Talir

Zeitgeschichtliche Führungen:
Zukunftsforum Freiwald: 0664 / 7394 3727
Green Belt Center Windhaag: 07943 / 61383

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