Gailtal
Gastronomie-Start mit angezogener Handbremse
Lokalaugenschein der WOCHE Gailtal: Gedämpfte Freude, aber gesunder Optimismus begleiten Gastronomen in den Neustart nach der Corona-Zwangspause.
GAILTAL. Es war eine lange Durststrecke: Nach neun Wochen Zwangspause in der Corona-Pandemie haben Gasthäuser, Konditoreien und Cafés seit vergangenem Freitag endlich wieder offen. Die WOCHE Gailtal nahm einen Lokalaugenschein vor und sprach mit Gastronomen über Perspektiven unter den gegebenen Auflagen.
30 Prozent weniger Sitzplätze
Das Traditions-Gasthaus Tarmann in Labientschach bei Nötsch ist überregional als gemütlicher „Schlemmer-Treff“ bekannt. Vater Ferdinand und Sohn Michael beurteilen die Neustart-Phase mit 30 Prozent weniger Sitzplätzen eher durchwachsen. Gastronomie-Urgestein Ferdinand Tarmann blickt auf jahrzehntelange Erfahrung zurück. „Desinfektionsmittel im Eingangsbereich, Personal mit Mund-Nasen-Schutz – das ist ganz klar keine Gasthaus-Gemütlichkeit", berichtet Tarmann. Natürlich ist es erfreulich, dass seine Mitarbeiter und er für die Gäste wieder normal arbeiten dürfen. "Aber der hohe Warenverlust nach der Schließung im März und der verlorene Umsatz seit nunmehr zwei Monaten reißen ein deutliches Loch in das Betriebsergebnis“, betont Tarmann.
Italienische Gäste fehlen
Sohn Michael bedauert, dass neben dem normalen Alltagsbetrieb private und kirchliche Feiern derzeit nicht stattfinden können. „Ebenso fehlen alle gastronomischen Aktivitäten des Vereinslebens von der Feuerwehr bis hin zur Jagd. Die Verunsicherung über die Dauer der aktuellen Einschränkungen ist hoch", fügt Michael Tarmann hinzu. Weil sich das Gasthaus im Dreiländereck befindet, spüren die Wirtsleute klarerweise die Auswirkungen der geschlossenen Grenzen zu Italien. Ferdinand Tarmann: „Unsere Kulinarik ist bei Italienern sehr gefragt. Noch ist nicht absehbar, wann unsere Nachbarn wieder kommen können. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.“
Innovativ sein
Auf den nun erfolgten Neustart angesprochen, zeigt sich „Bärenwirt“ Manuel Ressi auf dem Hauptplatz in Hermagor jugendlich motiviert: „Jeder hat jetzt ein Minus, daran ist nicht zu rütteln. Aber unser Blick ist nach vorne gerichtet.“ Während der Corona-Schließung richtete der innovative Gastronom bald einen Liefer-Service ein und erreichte damit neue Kunden. „Wir haben in dieser Phase Erfahrung gesammelt und viel Neues entdeckt. Meiner Frau Claudia ist es gelungen, durch kluge Logistik die täglichen Zustell-Routen so zu gestalten, dass unsere Kunden weitestgehend ihr Menü zur gewünschten Zeit am Tisch hatten", erklärt Ressi.
Kundenfreundliche Abstimmung
Die einzuhaltenden Mindest-Abstände zwischen den Tischen sind für Ressi nicht das große Problem, weil er – bei Schönwetter – auf der Terrasse flexibel ist. Dass es derzeit keinerlei Feste gibt und auch das Thekengeschäft fehlt, beurteilt der „Bärenwirt“ negativ, aber: "Wir spüren, dass sich unsere Gäste freuen, endlich wieder zu uns kommen zu können." Für Berufstätige gibt es täglich ein Mittagsmenü, die Ruhetage (Dienstag und Mittwoch) sind mit den Gastronomie-Kollegen in der Stadt kundenfreundlich abgestimmt. "Jetzt sind Innovation und Optimismus mehr denn je gefragt", betont Ressi.
Keine Euphorie
Bäckermeister Johannes Kandolf aus Hermagor, auch Bezirksobmann der Wirtschaftskammer, warnt vor übertriebener Euphorie. Seine Bäckerei und das angeschlossene Kaffeehaus spüren die Nachwehen Corona-Beschränkungen deutlich. „Ein Aufholen der bisher verlorenen Umsätze wird im Laufe des Sommers nicht möglich sein. In unserem Lokal haben wir jetzt fünfzig Prozent weniger Sitzplätze, es fehlt an Atmosphäre und Wärme. Ein großes Fragezeichen wird hinter dem nächsten Winter stehen“, erläutert Kandolf.
Er verweist darauf, dass der Bezirk Hermagor österreichweit die geringsten Corona-Fälle aufweist: „Unser Bezirk ist praktisch ,clean‘, daher sollte sich die Tourismus-Werbung verstärkt auf die Region fokussieren.“
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