„Kulturförderung eines vom Wichtigsten!“

Unter der Leitung von Mag. Johannes Stecher begeistern die Wiltener Sängerknaben derzeit das Publikum in China.
2Bilder
  • Unter der Leitung von Mag. Johannes Stecher begeistern die Wiltener Sängerknaben derzeit das Publikum in China.
  • hochgeladen von Georg Larcher

INNSBRUCK/TELFS. Knapp ein Jahr ist es her, als Mag. Johannes Stecher seinen Rücktritt als Direktor der Musikschule Telfs u.U. und als Obmann von „Interregional“ erklärt hat. BEZIRKSBLATT bat den leidenschaftlichen Kulturmenschen vor der großen China-Tournee mit den Wiltener Sängerknaben (seit 3. August unterwegs) zum Gespräch.

Die fehlende finanzielle und moralische Unterstützung von Seiten der neuen Gemeindeführung waren für Johannes Stecher Gründe, seine amtlichen und ehrenamtlichen Funktionen zurückzulegen. Kunst- und Kulturbegeisterte in ganz Tirol und über die Grenzen hinaus waren erschüttert. Jetzt widmet sich Stecher ganz der Arbeit als künstlerischer Leiter der Wiltener Sängerknaben und am Tiroler Landeskonservatorium.

BB: Herr Stecher, wie würden Sie Ihr derzeitiges Befinden beschreiben?
Mag. JOHANNES STECHER: „Es geht mir Gott sei dank hervorragend. Ich schaue zwar schwermütig auf alte Telfer Zeiten zurück, jedoch mit viel Freude und Zuversicht auf die Gegenwart und in die Zukunft. Die Abgabe von Verantwortung bedeutet halt auch, dass Energien, die nicht mehr gebunden sind, anders eingesetzt werden können.“

BB: Die Wiltener Sängerknaben und Ihre Tätigkeiten am Landeskonservatorium füllen jetzt Ihren Terminplan, finden Sie hier auch künstlerische Erfüllung, können Sich sich entfalten?
STECHER: „Ich realisiere nach wie vor bestimmte Projekte und konzentriere mich darauf. In Telfs war ich - so habe ich das empfunden - vor allem dafür zuständig, anderen Möglichkeiten zu verschaffen: Kindern, MusikschülerInnen, LehrerInnen, KünstlerInnen, MusikerInnen und Vereinen. Ich habe das mit großer Freude gemacht und selbst nicht unbedingt Aufgaben übernommen, von denen ich immer geträumt habe, sondern eher welche, die für die Durchführung von Veranstaltungen notwendig und noch nicht durch andere abgedeckt waren. Ich habe den Job des Musikschulleiters immer als einen unterstützenden und nicht als einen alles vorgebenden und bestimmenden verstanden. Meine eigenen musikalischen Tätigkeiten sind jetzt eher sogar mehr geworden.“

BB: Ihre ehrenamtlichen Tätigkeiten haben Sie zur Gänze zurückgelegt, genießen Sie nun mehr Freizeit? Sehnen Sie sich nach neuen Aufgaben?
STECHER: „Ich habe mehr Freizeit, das ist keine Frage! Langweilig ist mir jedoch nicht!“

BB: Der Telfer Verein „Kreis für Kultur & Bildung“ (daraus ist „Interregional“ entwachsen) sucht immer noch einen Obmann. Ehrenamtliche Tätigkeiten fordern einen Menschen, wenige sind bereit, das auf sich zu nehmen. Sie haben eine Lücke hinterlassen ...
STECHER: „Ich habe mich einfach nicht mehr in der Lage gesehen unter den gegebenen Umständen weiter zu arbeiten: ehrenamtlich, ohne Spesenersatz, mit viel Zeitaufwand und vor allem mit der privaten Übernahme der Haftung für die Finanzen ohne den notwendigen Rückhalt der Gemeindeführung. Ein Programm fertig zu planen und dann absagen zu müssen ist nicht lustig, sondern eine große persönliche psychische Belastung. Gott sei dank konnte ich den Verein ohne Schulden auf soliden finanziellen Standbeinen übergeben. Ich freue mich sehr wenn es mit Interregional möglichst gut weitergeht.“

BB: Sie haben in Sachen Kultur-Förderung seitens der Politik viel Erfahrung, sehen Sie hier die Entwicklung mit Sorge oder mit Zuversicht? 
STECHER: „Ich habe Kulturförderung immer vor allem als Förderung von Kinder, Jugendlichen und Persönlichkeiten mit künstlerischem Interesse und Potential gesehen. Menschen, die ersthaft kreativ tätig sind, durchschreiten einen Entwicklungsprozess. Beschäftigung mit Kultur im weitesten Sinne kann zu mehr Toleranz, zu einer anderen, vielleicht umfassenderen Sicht der Dinge führen. Kulturelle Förderung von Kindern und Jugendlichen ist ohnehin etwas vom wichtigsten in einer Gesellschaft. (Hier sind wir übrigens bei der grundsätzlichen Diskussion über die Bildungspolitik!) Es handelt sich um eine der wichtigsten Investitionen in die Zukunft einer Gesellschaft. Politiker, die in Ansprachen über Prävention reden, denen es hinter verschlossenen Türen jedoch egal ist, ob hundert Kinder mehr oder weniger eine Musikschule besuchen, Hauptsache man spart ein paar Tausender, sind eben nicht glaubwürdig. Umdenken tun sie meistens erst dann, wenn eigene Kinder betroffen sind. Um zu ihrer Frage zurückzukommen: Natürlich muss gespart werden. Für Kulturförderungen braucht es eben klare Konzepte und Menschen mit Rückgrat, die diese Konzepte dann durchführen und dazu stehen und dort investieren, wo es wirklich wichtig ist und sonst eben bremsen und so manchen Abgehobenen auf den Boden realistischer Möglichkeiten und angemessener Vorgangsweisen zurückholen.

BB: Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Gespäches befinden Sie sich mit den Wiltener Sängerknaben auf einer einmonatigen Tournee in China, Langeweile kommt also auch in der Ferienzeit nicht auf!
STECHER: „Das wird spannend. 12 Konzerte in riesigen Sälen, eine TV-Show, zahlreiche Flüge, Städte, die vor 40 Jahren noch Fischerdörfer waren, die kleinsten davon jetzt mit eineinhalb Millionen Einwohner, die größten mit fast 20.“

BB: Kunst- und Kulturfreunde freuten sich immer auf das neue „Interregional“-Programm, dürfen wir auch künftig auf Ihre hochprofessionelle Arbeit, Ihr Potential, Ihre Kontakte/Beziehungen zur Klassik-Welt und Projekte freuen?
STECHER: „Im Moment konzentriere ich mich ganz auf die Sängerknaben und auf das Unterrichten. Immerhin gibt es Anfragen renommiertester Festivals, was mich sehr freut und auch sehr fordert.“

BB: Herr Stecher, wir danken für das Gespräch!

Interview: Georg Larcher

Unter der Leitung von Mag. Johannes Stecher begeistern die Wiltener Sängerknaben derzeit das Publikum in China.
Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Folge uns auf:

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.