Theater praesent präsentiert Uraufführung von "Biokhraphia"

Auf der Bühne des Theater praesent: Barca Baxant, Performerin und Sängerin der Band The Bandaloop. | Foto: Hans Danner
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  • Auf der Bühne des Theater praesent: Barca Baxant, Performerin und Sängerin der Band The Bandaloop.
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IBK. Im Theater praesent wird eine Österreichische Erstaufführung gefeiert: Unter der Produktionsleitung von Schauspielerin und Theater-Leiterin Julia Kronenberg wird das Stück "BIOKHRAPHIA" der libanesischen Schauspielerin und Performancekünstlerin Lina Saneh und Rabih Mroué auf die Bühne gebracht.

Politisches Theater

Das Stück thematisiert auf bestechende Art und Weise den Zusammenhang zwischen Kunst, Politik und Leben. Eine Frau befragt sich nach dem eigenen Tod selbst via Kassettenrekorder. Das Interview (das Verhör?) läuft aus dem Ruder und verselbständigt sich. Gerade angesichts der jüngsten Entwicklungen in der arabischen Welt stellt sich die Frage nach der Position der Frau und insbesondere der Frau als Künstlerin neu.

Inszenierung

Klaus Huhle, in Wien lebender deutscher Schauspieler und Regisseur, bringt das Stück mit der tschechischstämmigen Musikerin und Performerin Barca Baxant auf die Theater praesent Bühne.
Beide – Huhle und Baxant – sind als Jugendliche aus ihrer Heimat (DDR bzw. CSSR) geflohen und inzwischen als Künstler international erfolgreich, teilen also einen Teil ihrer Biographie mit den Autoren von „Biokhraphia“, die sich beim Schreiben nach eigenen Angaben von Becketts letztem Band, aber auch von Praktiken des Geheimdienstes beeinflussen haben lassen.
Die aus Innsbruck stammende und in Wien lebende Filmemacherin Ulrike Kofler (Preis der Jugendjury und Publikumspreis bei den „Vienna Independent Shorts 2013“ für „Wir fliegen“) liefert den visuellen Hintergrund für das Stück.

Biokraphia ist persönlich, politisch, peinlich privat, provokativ - ist ein Solo für eine Frau mit ihrer eigenen Kasettenstimme, ihrem eigenen Ich im Film.

Regie: Klaus Huhle
Es spielt: Barca Baxant
Video: Ulrike Kofler
Aufführungsrechte: Hartmann & Stauffacher
Produktionsleitung: Julia Kronenberg

TERMINE

Premiere: 15. März 2014 um 20 Uhr im Theater praesent (Jahnstraße 25, 6020 Innsbruck); Weitere Vorstellungen am: 20., 21., 22., 27., 28., 29. März und 3., 4., 5., 10., 11. und 12. April 2014 jeweils um 20 Uhr.
Am 10. April findet im Anschluss an die Vorstellung ein Nachgespräch mit dem Regisseur Klaus Huhle statt.
TICKETS:
Online-Reservierung über www.theater-praesent.at
Tel: 06506436036
info@theater-praesent.at

Inhalt, Hintergründe

„Biokraphia setzt sich aus drei Wörtern zusammen: bio von bios, also Leben, khara heißt (im Arabischen) „Scheiße“ und phia „darin“. Also eine Scheißbiographie.“ (Stücktext)

Eine Künstlerin begeht Selbstmord, sie versucht es fünf Mal, sechs Mal, sie weiß es nicht genau, aber beim letzten Mal klappt es. Wie ihr gesamtes künstlerisches Leben ist auch dieser Akt eine Performance, die von ihr künstlerisch und politisch bewertet wird. Die Bewertung ist radikal und schonungslos. Alles andere wäre spießig und langweilig, wie „Theater“ eben normalerweise ist.

„Ich gehe nicht ins Theater. Ich weigere mich. Und wenn, dann setze ich mich in die erste Reihe, knabbere Sonnenblumenkerne und schlürfe geräuschvoll Cola.“ (Stücktext)

Bevor sie sich tötet, stellt sie sich auf einem Kassettenrekorder selbst Fragen über ihre künstlerische und private Identität. Sie möchte sie nach ihrem Tod beantworten.
Das Stück beginnt.

Lina Saneh hat Biokraphia im Alter von 35 Jahren geschrieben. In Beirut.
Knapp 20 Jahre davon waren dort Bürgerkrieg und kein Frieden in der Region ist in Sicht. Syrien ist ein Katzensprung entfernt, Israel und Palästina auch. Die gesamte Region bebt.

„Wir erinnern uns immer nur dann, dass wir Araber sind, wenn die Amerikaner oder Israelis Beirut, Gaza oder den Irak bombardieren. Die arabische Identität ist wie ein Schicksal, dass uns von oben auferlegt wurde.“ (Stücktext)

Und dennoch ist „Biokraphia“ keineswegs ein Stück über den Krieg, es ist wesentlich umfassender, lebendiger und kreativer. Es ist unvollkommen und natürlich parteilich. Es spiegelt sowohl einen Aspekt der arabischen Frauenbewegung wieder, als auch die globale Suche nach einer sinnvollen Existenz, die ständig in Frage gestellt wird. Sowohl von Lina Saneh, als auch von Barca Baxant, der Performerin in dieser Inszenierung.

„Ich habe nichts mit der Kriegsgeneration zu tun. Jemand wie ich hätte mit derselben Härte und Verbissenheit revoltiert, egal ob mit oder ohne Bürgerkrieg.“ (Stücktext)

Der aufwühlende und wunderbare Text von „Biokraphia“ erinnert an Texte von Beckett, Sartre oder Duras. Die eigene Existenz als Performance innerhalb hierarchischer, patriarchaler Verhältnisse zu begreifen und in einem permanenten Widerspruch damit zu leben, macht das Stück zu einem persönlichen, wilden und intelligenten Theaterabend.

„Nach dem Tod macht jeder ein Interview mit sich selbst“ antwortet die Frau etwas schnippisch ihrer eigenen fragenden Stimme von Band. Eine Selbstdarstellung beginnt, die sich schon bald absurd im Kreise dreht, zum Verhör wird, das die selbst ausgelegte Schlinge immer fester zusammenzieht, aus der sich die Befragte nun geschickt herauszuwinden sucht.“ (taz.de 16.8.2004)

Mit dem arabischen Frühling entstand ein völlig neuer feministischer Diskurs. Argumentationshilfen dafür sind längst auf den arabischen Straßen des Nahen Ostens mittels einer wunderbaren Fülle von Graffitis in den arabischen Theatern, in der Literatur und in der Musikszene angekommen. Selbst in den härtesten Phasen von Krieg und Bürgerkrieg, die der Libanon zwischen 1975 und 1990 durchlebte, haben „libanesische Künstler und Künstlerinnen niemals aufgehört, eine innovative Theaterpraxis zu leben, ihre Instrumente neu zu denken, ihre ästhetischen Konzepte zu hinterfragen und alternative Formen der Produktion anzustreben.“ (Theater der Zeit Heft 11/2011)

Saneh hat große Lust, sich in der nationalen Widerstandsbewegung zu engagieren, aber sie hat
„panische Angst vor Kakerlaken in den Kasernen und Monatsbinden gibt es dort sicher auch keine.“
(Stücktext)
Wie eine Trophäe zeigt sie dem Publikum ihre Schusswunde am Bein. Von einem Milizionär, den sie in Beirut provoziert hat. „Wenn Du Eier hast, dann schieß.“ „Ich hätte damals jemand mitnehmen sollen, der das filmt. Das wäre eine so bedeutende Performance geworden.“ (Stücktext)

Personen

Die Wiener Elektropopsängerin Barca Baxant spielt die private Barca Baxant nach ihrem Suizid mit dem Text von Lina Saneh. Sie ist so alt wie Lina Saneh, als sie Biokraphia schrieb.
Barca Baxant ist Sängerin und Performerin der Wiener Elektro-Pop Band The Bandaloop. Biokraphia ist ihre erste Theaterarbeit. „Ich bin keine Schauspielerin.“ Barca Baxant ist Tschechin und mit 6 Jahren nach Österreich gekommen. Aus politischen Gründen.

Klaus Huhle hat sich „Biokraphia“ als seine erste Regiearbeit in Tirol gewünscht. Nicht weil der Libanon näher an Tirol ist als man denkt, auch nicht weil Tirol so politisch spannend wäre, sondern weil ihm das Stück gefällt. Er ist in der DDR geboren, mit 5 Jahren in die BRD gekommen. Aus politischen Gründen. Hat dafür in seiner Jugend Empörung gelernt und seine Eltern beschimpft und ist bis heute politisch und künstlerisch glücklicherweise nicht „zur Ruhe“ gekommen. Er lebt seit drei Jahren als Schauspieler in Wien.
Für seine postmigrantischen, polyglotten Theaterarbeiten in Deutschland wurde er 2008 für „Beste Produktion“ und 2011 für den bundesweiten Innovationspreis beim Fonds Soziokultur nominiert. 2008 erhielt er den Integrationspreis der Stadt Wiesbaden.

Stimmen:
Biokraphia ist persönlich, politisch, peinlich privat, provokativ - ist ein Solo für eine Frau mit ihrer eigenen Kasettenstimme, ihrem eigenen Ich im Film.
Diese Performance existiert gar nicht. Die Performerin ist tot.
Ihre Stimme existiert. Von Band. Sie ist gut zu hören und zu sehen. Im Film. Auf der Bühne.
Von wegen. Sie lebt. „Ich bin 35 und meine Generation ist noch lange nicht am Ende.“

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