Politik im Sommer: "Viele Gemeinden sind ohne Spielraum"
Ernst Schöpf ist bis zur nächsten Gemeinderatswahl 2016 als Gemeindeverbandspräsident gewählt.
Bezirksblätter: Vor dem Gesetzesbeschluss zur Agrarfrage im Mailandtag ging es im Gemeindeverband richtig rund. Sind die Wogen intern wieder geglättet?
Ernst Schöpf: "Das wird sich wieder beruhigen. Aber Ruhmesblatt hat sich der Gemeindeverband durch diese Differenzen keines erarbeitet und diese haben den Gemeindeverband nicht gerade gestärkt."
Immer wieder haben die Agrarier von der finanziellen Mehrbelastung gesprochen, die diese Gesetzesnovelle für die Gemeinden bringen wird. Gibt es schon eine erste Bilanz aus Gemeindesicht?
Schöpf: "Nein, dazu ist das Gesetz noch zu kurz in Kraft. Wären die Agrargemeinschaften reine Zuschussbetriebe, wie oft behauptet wird, dann hätten die Gemeinden längst schon alles von den Bauern geschenkt bekommen."
Wie viel Geld ist mittlerweile an die Kommunen geflossen?
Schöpf: "Auch das ist in Summe noch nicht endgültig zu beziffern, aber es gibt Gemeinden, da sind plötzlich enorme Geldmittel vorhanden. Bis nach dem Sommer werden die Zahlen am Tisch sein. Auch der Überling wird jährlich Geld in die Gemeindekassen spülen."
Ein Drittel der Gemeinden ist über 50 Prozent bzw. voll verschuldet. Der Trend ist laut Land Tirol leicht rückläufig. Geht es den Gemeinden wirklich besser?
Schöpf: "Nein. Besser überhaupt nicht, obwohl die Kommunen exzellent haushalten. Aber immer mehr Gemeinden sind im finanziellen Würgegriff ohne Spielraum. Aufgaben wie Kinderbetreuung, Pflege oder Pflichtschulwesen und die Mindestsicherung werden immer mehr. Ganztägige und ganzjährige Kinderbetreuung ohne Elternbeitrag werden von Bund und Land nicht adäquat abgegolten. Aber alle diese Kosten drücken den Spielraum der Gemeinden. Dadurch müssen immer mehr Gemeinden um eine Bedarfszuweisung betteln. Daher sollten die Aufgaben klar abgegrenzt werden. Die Gemeinden wären für die Kinderbetreuung zuständig und bekommen dafür entsprechend Geld und das Land wäre für die Krankenhäuser samt Finanzierung zuständig."
Wo liegen die größten Herausforderungen für die Kommunen mittelfristig?
Schöpf: "Die genannten Bereiche Kinderbetreuung, Pflege, Mindestsicherung und Pflichtschulwesen sind große Brocken. Dazu kommen die Instandhaltungen im Wasser- und Abwasserbereich sowie Straßenerhaltung. Für viele Zusatzleistungen wird immer weniger Geld zur Verfügung stehen. Das wird sich auch nicht ändern."
2016 finden Gemeinderatswahlen statt. Finden die Gemeinden genügend Kandidatinnen, speziell für die Bürgermeisterjobs?
Schöpf: "Es wird nicht leichter. Die fehlende soziale Absicherung und die Gehaltsaussichten als Bürgermeister sind nicht gerade motivierend, geeignete KandidatInnen zu bewegen, aus dem Erwerbsleben ins Bürgermeisteramt zu wechseln."
Die russischen Sanktionen treffen die großen Touristenzentren. Wie geht es Sölden mit den russischen Gästen? Gibt es Einbußen?
Schöpf: "Bisher nicht, aber im Winter könnte das durchaus Auswirkungen haben, denn mittlerweile hat Sölden einen akzeptablen russischen aber auch ukrainischen Gästeanteil."
Word Rap
Tempo 100
Unsinn
Regierungsarbeit
durchwachsen
Ötztaler Wasser
gehört ausschließlich im Ötztal abgearbeitet
Bürgermeistergehalt
Luft nach oben
Schlechtwetter
Spürbar weniger Gäste
Sommerurlaub
gerade jetzt
Zur Person
Ernst Schöpf, Betriebswirt, Gemeindeverbandspräsident und Bürgermeister in Sölden, geboren 1960 in Sölden
Beruflicher Werdegang:
Volks- und Hauptschule in Sölden
Gymnasium am Meinhardinum in Stams
1985: Studienabschluss Betriebswirtschaft Uni Ibk
1989-1994: Geschäftsführer der Ötztal Werbung
1990-1994: Vorstand der Timmelsjoch-Hochalpenstraßen AG
Politische Funktionen
seit 1986 Bürgermeister der Gemeinde Sölden
1994-2002: Bezirksparteiobmann der ÖVP
1994-2003: Abgeordneter zum Tiroler Landtag
1995-2000: Landesparteiobmannstellvertreter der ÖVP
2004-2009: Vizepräsident des Tiroler Gemeindeverbandes
seit 2009: Präsident des Tiroler Gemeindeverbandes
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