„Hab‘ Bürgerpolitik im Blut“

Nicht der liebste, aber einer der wichtigsten Plätze für Fritz Gurgiser: Auf der Autobahngalerie am Schönberg: Dort wurde der wichtigste Erfolg in der Transitgeschichte eingefahren
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  • Nicht der liebste, aber einer der wichtigsten Plätze für Fritz Gurgiser: Auf der Autobahngalerie am Schönberg: Dort wurde der wichtigste Erfolg in der Transitgeschichte eingefahren
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Berge, Seen, Almen. Die Tiroler haben so ihre „liabsten Platzln“, auch unsere Spitzenpolitiker tanken Kraft in der Heimat. Wir besuchen in den nächsten Wochen die Parteichefs aller im Landtag vertretenen Fraktionen an ihren liebsten Plätzen. Fritz Gurgiser, Chef vom Bürgerklub Tirol, trafen wir zu Hause in Vomp in seinem Wintergarten.

Bezirksblätter: Abschalten daheim, ein Muss für Fritz Gurgiser?
GURGISER:
„Für mich der liebste Platz, um von Politik und Job abzuschalten und wieder kreativ zu sein.“

BB: Heuer kein größerer Urlaub geplant?
GURGISER:
„Doch, im August zwei Wochen Griechenland, mit Frau und Gitarre, das muss sein, denn in Tirol kann ich nicht richtig abschalten.“

BB: Abschalten, auch weil es ein heißer Herbst wird?
GURGISER:
„Ja, der Herbst wird intensiv, weil erstmals seit Jahrzehnten für das Budget entschieden werden muss, ein Zukunftsbudget zu erstellen oder unseren Kindern neue Schulden zu hinterlassen.“

BB: Eine klare Entscheidung?
GURGISER:
„Keine neuen Schulden. Denn durch die Globalisierung werden in Tirol gute Jobs rar, die Einnahmen sinken weiter, hier muss von der Politik entgegengewirkt werden.“

BB: Aber heißt sparen nicht gleichzeitig weniger Geld für die heimische Wirtschaft?
GURGISER:
„Die Politik hat die Rahmenbedingungen für die heimischen Betriebe zu verbessern, Steuergeld gezielt in arbeitsplatz­intensive Projekte zu investieren. Tut sie das, schafft sie Arbeitsplätze, tut sie das nicht, vernichtet sie Arbeitsplätze.“

BB: Heißt konkret?
GURGISER:
„Wir haben keine Finanz- oder Wirtschaftskrise, sondern eine Systemkrise. Und diese Spirale gilt es zu stoppen. Der weitere Ausbau des Straßennetzes in Tirol zum Beispiel ist genau zu hinterfragen. Denn das verursacht Kosten und schafft wenige Arbeitsplätze.“

BB: Gilt das dann auch für den Brennerbasistunnel?
GURGISER:
„Richtig, weil durch den Bau keine Verlagerung und Entlastung gesichert ist. Das ist, wie vom Landtag verlangt, vorher zu regeln. Sonst sind die 120 Mio. Euro nur ein verlorener Zuschuss. Aufgabe der Politik ist es, die Tausenden Klein- und Mittelbetriebe aller Branchen abzusichern und nicht internationale Banken- und Baukonzerne zu füttern.“

BB: Haben wir regional in Tirol da überhaupt Chancen?
GURGISER:
„Klar, eine starke regionale Kreislaufwirtschaft ist der effiziente Gegenpol zur hemmungslosen Globalisierung. Die Politik muss entscheiden, ob sie in den Gemeinden investiert, damit Steuern, Abgaben und Arbeitsplätze sichert oder Steuergeld in Megaprojekten versenkt.“

BB: Einfache Sache, warum wird politisch anders gehandelt?
GURGISER:
„Es wird behauptet, dass bei solchen Megabauprojekten Gelder in Parteikassen verschoben werden. Anders ist das Beharren auf solche überholte Projekte kaum zu verstehen. Darum wehren sich die Großparteien auch gegen die Transparenz der Parteifinanzen.“

BB: Stichwort Politik: Gurgiser ist der Bürgerpolitiker in Tirol schlechthin, macht es noch Spaß?
GURGISER:
„Natürlich, ich hab Bürgerpolitik im Blut, mein Engagement hat mit dem Bau der Autobahn vor meiner Nase begonnen, hier wurde ich in Vill aus der Idylle herausgerissen. Und nur am Stammtisch nach jedem Bier noch mehr über Politik zu schimpfen, war mir zu wenig.“

BB: Was bedeutet generell Politik für den kämpferischen Gurgiser?
GURGISER:
„Handschlagqualität, Ehrlichkeit zu sich und den Leuten, Mut und Freiheit im Denken.“

BB: Und die Parteipolitik?
GURGISER:
„Sie schadet dem Land mehr als sie nützt. Aus parteipolitischem Kalkül für oder gegen etwas zu sein, ist fatal. Mit Thomas Schnitzer habe ich einen sehr verlässlichen Partner, der mit mir die Bürger- und Sachpolitik macht, die wir 2008 versprochen haben. Viele, die sich Bürgermeis­ter nennen, müssten eigentlich Parteimeister heißen, dafür bin ich nicht zu haben.“

BB: Und im Landtag, läuft hier alles rund?
GURGISER:
„Es gehören hier Abläufe und Zeremonien entstaubt, denn die Zeiten haben sich geändert, eine Anfrage zum Beispiel dauert drei Monate, das ist zu lange.“

BB: Wie sieht Fritz Gurgiser die politische Kultur in Tirol?
GURGISER (überlegt):
„Sie ist nicht besonders gut, man braucht gute Nerven. Und Probleme lösen sich nicht durch politische Wadelbeißerei.“

BB: Welche Auswirkungen hat das bei den Leuten?
GURGISER:
„Eindeutig wenden sich immer mehr Menschen von der Politik ab, das ist schade.“

BB: Aber jammert der Tiroler nicht auf hohem Niveau?
GURGISER (lacht):
„In diesem Land geboren zu sein, ist schon genug Grund, positiv zu denken. Auch für die Zukunft. Die Negativdenker gehören versenkt bis in den Erdmittelpunkt.“

BB: Stichwort Erdmittelpunkt: Ein Kommentar zum Fußballweltmeister Spanien.
GURGISER:
„Spanien ist verdient Weltmeister, weil die Holländer ihre Chancen vergurkt haben
und ihre grobe sportliche Unfairness mit dem Tor von Iniesta bestraft wurde.“

BB: Fritz Gurgiser war Fußballtrainer. Wünsche für den FC Wacker im Oberhaus?
GURGISER:
„Ein Bundesliga-Wacker ist für den Tiroler Nachwuchs wichtig; ein Platz im Mittelfeld zu schaffen. Alles Gute zum Start.“

Am liabsten Platzl von Fritz Gurgiser war Sieghard Krabichler

Nicht der liebste, aber einer der wichtigsten Plätze für Fritz Gurgiser: Auf der Autobahngalerie am Schönberg: Dort wurde der wichtigste Erfolg in der Transitgeschichte eingefahren
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