Die Stadt von gestern
Alles gerettet im Ringtheater
Das neue Buch "Die Stadt von gestern" lädt zu einer Entdeckungstour durch das Wien der Vergangenheit. Ein Kapitel widmen die Autoren dem Brand des Ringtheaters, einer der größten Brandkatastrophen der k.u.k.-Monarchie.
INNERE STADT. Zwar nehmen die Autoren Thomas Hofmann und Beppo Beyerl die Leser ihres Buches auf eine Zeitreise durch Wien mit, doch als Nostalgiewerk wollen sie "Die Stadt von gestern" nicht sehen. "Wir reden nicht von der guten, alten Zeit, sondern wollen aufzeigen, wie verdichtet und angereichert mit menschlichen Geschichten diese Stadt ist", erklärt Hofmann.
"Es war uns wichtig, die verschütteten Identitäten der Stadt wieder an die Oberfläche zu holen", so Beyerl, der gemeinsam mit Hofmann genauso an die Rutschbahn im Meidlinger Tivoli erinnert wie an die Rotunde im Prater oder die Brandkatastrophe des Ringtheaters. "Das war eine Horrorkatastrophe mit 384 offiziellen Toten. Inoffiziell soll es mehr als 400 Opfer gegeben haben", erklärt Beyerl. Als Ursache nennt der Autor eine Kette von Schlampereien. "Es gab kein Notlicht und kein Löschwasser – beide Systeme waren abgeschaltet. Die Lampen der Notbeleuchtung wurden aus Sparsamkeit nur vor einer Inspektion mit Öl gefüllt. Und die Wasserzufuhr wurde abgedreht, da zwei Tage zuvor ein Defekt festgestellt wurde."
Von einem Feuerwehrmann entzündet
Doch was genau war am Abend jenes 8. Dezembers 1881 im erst sieben Jahre alten Theater am Schottenring 7 passiert? "Um 19 Uhr sollte die Offenbach-Operette `Hoffmanns Erzählungen´ beginnen. Die Zuseher hatten bereits Platz genommen und der Feuerwehrmann Breithofer entzündete die Lampen", schildert Beppo Beyerl den Hergang einer der größten Brandkatastrophen der k.u.k.-Monarchie. "Durch ein Versagen der Zündvorrichtung strömte unbemerkt Gas aus. Als der Feuerwehrmann die nächste Lampe entzünden wollte, kam es zur Explosion."
Während sich Schauspieler und Personal durch den Hintereingang retten konnten, saß das Publikum unwissend im Dunkeln. "Durch das Öffnen der Hintertür entstand ein Luftstoß, der den brennenden Bühnenvorhang zum vierten Rang hinaufschleuderte", erzählt Thomas Hofmann. In Panik und beißendem Rauch versuchten die Theaterbesuche die Saaltüren zu öffnen. "Die Türen ließen sich nur nach Innen öffnen, was aufgrund der drängenden Menge nicht möglich war." Als die Polizei zehn Minuten nach Brandausbruch mit der Feuerwehr vor den dunklen, verschlossenen Türen stand, gab der Polizeirat Landsteiner mit dem Ausspruch "Alles gerettet!" Entwarnung, ohne zu wissen, dass hinter den Türen hunderte Menschen starben. "Die Leichen waren teilweise so entstellt, dass sie nur anhand forensischer Medizin identifiziert werden konnten", so Beyerl.
Kaiser stiftete das Sühnhaus
Erschüttert über die Katastrophe war nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch Kaiser Franz Joseph. "Der Kaiser spendete aus seinen Privatmitteln das Sühnhaus. Das war ein Mietshaus, das an dieser Stelle errichtet wurde und deren Mieteinnahmen für wohltätige Zwecke verwendet wurden." Doch auch das Sühnhaus, das übrigens Sigmund Freud zu seinen Mietern zählte, stand nicht lange. "1945 wurde es so schwer beschädigt, dass es 1951 abgetragen werden musste. Seit 1974 befindet sich an dieser Stelle die Bundespolizeidirektion Wien."
Vom Ringtheater selbst sind vier Statuen, die sich einst an der Vorderfront des Theaters befunden hatten, im Schlosspark Pötzleinsdorf zu besichtigen. "Aufgrund der Katastrophe wurden viele Sicherheitsmaßnahmen wie ein Feuerwehrmann in jeder Theateraufführung oder die Vorgabe, dass sich Türen in öffentlichen Gebäuden stets nach außen zu öffnen haben, eingeführt."
Zur Sache
"Die Stadt von gestern" von Thomas Hofmann und Beppo Beyerl ist im Styria Verlag erschienen, hat 240 Seiten und kostet 27 Euro.
ISBN 978-3-222-13610-8
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