Brief
Shoa-Überlebende plädieren für Entfernung des Lueger-Denkmals
In einem offenen Brief an Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) plädieren neun Shoa-Überlebende für die Entfernung des Lueger-Denkmals und die Umbenennung des Lueger-Platzes. Die Stadt möchte jedoch an der Kontextualisierung festhalten.
WIEN/INNERE STADT. Die Lebensläufe von neun Zeitzeuginnen und Zeitzeugen liegen auf dem Podium. Sie alle sind unterschiedlich, doch eines eint sie: Alle mussten aus Wien flüchten, weil sie jüdischer Abstammung waren.
Seither ist viel passiert, den neun Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern jedoch noch nicht genug. In einem offenen Brief plädieren sie an Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) für die Entfernung des Lueger-Denkmals und die Umbenennung des gleichnamigen Platzes. Unter den Verfassern des Briefes findet sich unter anderem auch der Nobelpreisträger Eric Kandel, der mit seinem Einsatz bereits 2012 maßgeblich daran beteiligt war, dass der ehemalige Dr. Karl-Lueger-Ring in Universitätsring umgetauft wurde.
"Schmerzlicher Stachel"
"Es schmerzt uns, dass Karl Lueger, einer der prononciertesten Antisemiten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, immer noch im Herzen Wiens geehrt wird", heißt es in dem Brief der von der Liga gegen Rassismus und Antisemitismus in Österreich, kurz Licra, veröffentlicht wurde. Deren Co-Chef Benjamin Kaufmann spricht von einem "schmerzlichen Stachel im Fleisch" von jüdischen Bürgerinnen und Bürgern, welchen das Lueger Denkmal darstellt.
Zudem widerlegt er auch einige Punkte, die immer wieder im Zuge der Diskussion gefallen sind, etwa dass es sich hierbei um einen Generationenkonflikt handle oder das mit der Entfernung Geschichtslöschung betrieben werde. Die Kontextualisierung, also eine künstlerische Umgestaltung, die die Stadt Wien im Moment plant, hält er für nicht weitreichend genug.
"Wir sind dafür, dass sichtbar wird, dass das Ehrenmal entfernt wurde. Der Platz soll aber nicht leer bleiben, sondern durchaus künstlerisch gestaltet werden", so Kaufmann. Als Lösung für das Denkmal schlägt er einen passenderen Rahmen vor wie etwa das Wien Museum oder das Haus der Geschichte.
Stadt Wien hält an Plänen fest
Seitens der Stadt zeigt man sich von diesen Plänen wenig begeistert. Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler von der SPÖ rechtfertig die Kunst-Kontextualisierung: "Die Stadt Wien hält an der künstlerischen Kontextualisierung des Denkmals fest, denn Kunst hat sehr wohl die Fähigkeit, ein Gegengewicht herzustellen. Kunst kann Bewusstseinsprozesse und öffentliche Diskurse anstoßen, die Ambivalenz des Themas aufzeigen und Erinnerungskultur lebendig halten, auch ohne Bestehendes dafür wegräumen zu müssen."
Auch eine Umbenennung des Platzes hält die Stadträtin nicht für den richtigen Zugang. "Wir können nicht alles aus dem Blick nehmen, was uns aus heutiger Sicht stört, auch wenn das heißt, manchmal über unangenehme Aspekte in der Geschichte einer Stadt zu stolpern. Die Wunden der Geschichte schreiben sich als Narben in eine Stadt ein. Alle Zeugnisse zu entfernen, halte ich für problematisch, weil sie der Öffentlichkeit, die Möglichkeit zur Debatte entzieht", so Kaup-Hasler.
Internationale Diskussion
Seitens der Licra holte man sich im Zuge der Pressekonferenz auch andere Stimmen, die gegen die geplante Kontextualisierung sind. Aus München wurde etwa die Mirjam Zadoff, die Direktorin des NS-Dokumentationszentrums München, zugeschaltet. "Es ist keine rein Wiener Diskussion, sondern etwas was durchaus auch im Ausland beobachtet wird", so Zadoff.
Prinzipiell wären künstlerische Auseinandersetzungen zu befürworten, allerdings sei die Debatte rund um das Lueger Denkmal bereits sehr aufgeladen, weshalb Zadoff bezweifelt, dass es in vorliegendem Fall funktionieren würde.
Einer mag sich heute zu dem Thema nicht äußern, nämlich der Adressat selbst. Aus dem Büro des Bürgermeisters Michael Ludwig (SPÖ), verweist man lediglich auf die Aussage Kaup-Haslers.
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