„Eine Aufarbeitung ist erst jetzt möglich“
Irmtraut Karlsson, Verfasserin der Skandal-Studie über Wiens Kinderheime, im bz-Gespräch.
Wie war Ihr persönlicher Eindruck, als sie 1974 für den Bericht die 34 Kinderheime besuchten?
IRMTRAUT KARLSSON: „Das Ergebnis war schlimmer, als erwartet. Um Beispiele zu nennen: Einige Einrichtungen waren verschlossen wie Festungen, triste Schlaf- und Speisesäle, Kinder mussten in Zweierreihen marschieren.“
Jüngst wurden Missbrauchs-Vorwürfe gegen Betreuer erhoben. Wie konnte so etwas passieren?
„Wir dürfen nicht vergessen, dass noch das Personal mit Ausbildung in der Nazi-Zeit aktiv war. Während 1934 progressive Pädagogen radikal aus den pädagogischen Einrichtungen entfernt wurden, setzte man 1945 auf Kontinuität. Es fehlten schlicht die Leute. Für die Stadt Wien war es unmöglich, das Personal auszusieben.“
Sehen Sie für die Vorfälle eine politische Verantwortung der Stadt Wien?
„Die damals zuständige Vizebürgermeisterin Gertrude Fröhlich-Sandner (SPÖ) saß zwischen zwei Stühlen: Einerseits übte die junge Generation in der SPÖ Druck für Reformen aus, andererseits konnte sie der Beamten-Apparat auflaufen lassen.“
Welche Konsequenzen sollte die Stadt ziehen?
„Den Opfern von damals Hilfe zu leisten. Das wurde begonnen. Aber auch die Gelegenheit nützen und heute eine Studie zu machen. Neue Diskriminierungen und Demütigungen könnten sich eingeschlichen haben.“
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