Gentleman im Jahr 2015

Foto: belamy/Fotolia

WARTBERG (str). Die Ballsaison naht. Kleider werden gekauft. Friseurtermine gemacht. Nur auf die Vorbereitung in Sachen Umgangsformen wird gerne vergessen. Denn die wollen auch gelernt sein. - Oder zumindest gekannt.

Willkommen im 21. Jahrhundert

Ein Gentlemen holt die Dame mit dem Auto von Zuhause ab und lässt nicht sie fahren. Will er wirklich Eindruck machen, darf er ihr auch einmal die Autotür aufhalten und danach die Eingangstür. Beim Ablegen der Mäntel hilft er zu allererst ihr und legt danach selbst ab. Beim Verlassen des Balls gilt die umgekehrte Reihenfolge. Tisch- und Platzwahl soll ihr überlassen werden, der Herr wählt den Platz daneben. Das Jacket darf beim Sitzen geöffnet werden, Zweireiher allerdings nicht.
So schreiben es Knigge und Schäfer-Elmayer vor. Doch wie sieht es heute wirklich aus? Wie viel ist zu viel des Guten? Was ist von der guten Wiener Schule in unserem Bezirk noch übrig geblieben? Die Bezirksrundschau fragte bei Bernhard Prühlinger, ausgebildeter Tanzlehrer und Gründer der mobilen Tanzschule "tanz eins" nach. Er malt ein beruhigenderes Bild für all jene, die eine Phobie vor Fauxpas haben: "Ich finde, dass sich das richtige Verhalten meistens eh ganz natürlich aus dem Gefühl heraus ergibt. Ist man auf einer etwas gespitzteren Veranstaltung empfiehlt es sich die erste halbe Stunde oder Stunde ein bisschen mit dem Beobachten zu verbringen. Man merkt dann eh schnell, wie die Gäste es auf dieser Veranstaltung mit der Etikette halten."
Gerade beim Verhalten zwischen Damen und Herren sollen beide auf ihr Gefühl vertrauen. "Die klassische Wiener Schule schreibt ja vor, dass der Mann, wenn er eine Dame auffordert nicht sie, sondern ihre männliche Begleitung zuerst fragt", erklärt Bernhard Prühlinger mit einem Lächeln. "Die Zeiten sind natürlich vorbei. Die Emanzipation hat vieles einfacher gemacht. Würde man sich völlig nach der Wiener Schule richten, müsste man ganz genau aufpassen, auf welcher Seite der Mann geht, wer vor wem geht und so weiter. Wenn heute die Dame als erstes das Restaurant betritt oder die Ballfläche stürmt, dann geht der Mann ihr eben hinterher."
Doch zugleich verlieren viele Gentlemen dadurch den Leitfaden. Muss die Dame nun unbedingt eingeladen werden? Muss ich ihr die Tür aufhalten? Muss ich sie von Zuhause abholen? "Als Grundregel gilt immer: Solange die Dame es zulässt. Wenn sie es aber zulässt, empfiehlt es sich für den Herren schon die Dame zum Beispiel von Zuhause abzuholen." Ähnlich verhält es sich mit dem Bezahlen. Es ist für Herren auf keinen Fall mehr völlig obligat ihre Begleitung einzuladen.
Doch hat die Emanzipation auch für Frauen Veränderungen in der Anstandslehre gebracht? "Mir fällt immer mehr auf, dass beim Begrüßen am Tisch heute auch die Frau aufsteht. Aber auch das kommt ganz natürlich. Es ist ja für jeden angenehmer sich auf Augenhöhe zu begegnen. Deshalb merke ich auch, dass diese Regel im entspannteren Rahmen gerne beibehalten wird."

Abgehobe und alt? Alltäglich und allgegenwärtig!

Benimmregeln und Anstandslehre wirken auf den ersten Blick zwar vielleicht staubig, sind aber Teil unseres täglichen Lebens. Ein Beispiel dafür wäre das Handy. Es auf den Tisch zu legen gilt als absolutes No-Go. Dem stimmt auch Bernhard Prühlinger zu. "Wir empfinden es ja alle irgendwie als störend, wenn das Handy immer griffbereit ist oder während dem Gespräch läutet. Es sollte nicht einmal eingeschaltet sein. Wenn man auf einen wichtigen Anruf wartet oder beispielsweise mit den Kindern zu Hause etwas ist, sollte man das am Anfang des Abends sagen. Denn dafür hat eigentlich immer jeder Verständnis", erklärt der Experte.
Doch für alltägliche Veranstaltungen, Einladungen im kleinen Rahmen zeigt sich, dass in unserer Umgebung derzeit viele der Vorschriften Thomas Schäfer-Elmayers nicht berücksichtigt werden. "Ellmayer und Knigge empfehlen dem Mann nach 18.00 Uhr auch zu Grillpartys in Schwarz zu erscheinen, also auch mit schwarzen Schuhen. Und trotzdem habe ich immer mehr das Gefühl, dass man selbst auf Bällen mit anderer Kleidung eingelassen wird. Ich würde sagen, solange die Farben zumindest zusammenpassen, ist man auf der sicheren Seite. Nicht so wie in meiner Jugendzeit, wo zu flachsfarbenen Sakkos gar nicht dazupassende Hosen angezogen wurden", erzählt Bernhard Prühlinger.
Was die Kleidung anbelangt, sollten die Ratschläge der Wiener Schule aber nicht völlig außer Acht gelassen werden. Der ausgebildete Tanzlehrer erklärt, dass Ballkleider mindestens eine Hand breit länger als die Knie sein sollten, auch das Kleine Schwarze sollte mindestens die Knie umspielen. Die Tiefe des Dekolletés und die Ärmellänge der Kleider sollten Damen dem Anlass entsprechend auswählen. "Es muss einem schon bewusst sein, dass die Kleidung etwas über den Träger aussagt. Sie ist Teil der Körpersprache und wer etwa leichtes trägt, wirkt eben auch leicht", gibt Prühlinger zu bedenken.

Alles Walzer! - Oder doch nicht?

Wenn es zum Tanzen kommt, haben klassische Ansätze aber sehr wohl noch ihren Wert. Zum Beispiel hat die linksgerichtete Kopfhaltung beim Tanzen auch noch einen anderen Vorteil: Mit ihr kann das ganze Parkett überblicken werden und nicht mit anderen Paaren zusammengestoßen werden.
Doch bevor das Tanzbein überhaupt geschwungen werden kann, muss aufgefordert werden. "Grundsätzlich gilt nach der Wiener Schule, dass beide zum Tanzen auffordern dürfen. Der Herr darf keinen Korb austeilen, die Dame schon. Vor allem, wenn absehbar ist, dass es da einen Burschen gibt, der bald antanzen wird, sollte sie sich aber schon eine plausible Erklärung einfallen lassen. Oder aber den obligatorischen Tanz aus Höflichkeit mit ihm tanzen", so Bernhard Prühlinger. Doch wie sieht es nun auf den Bällen in der Umgebung mit der Bedeutung der Wiener Schule wirklich aus? "Bei Maturabällen verschwinden die Maturanten meistens schnell in den Discokatakomben um zu feiern. - Was ihnen ja auch gegönnt sei. Deshalb hat die Anstaltslehre keinen so hohen Stellenwert. Das hat aber auch zur Folge, dass Maturabälle immer mehr zu Geheimtipps für Tänzer werden, weil die Tanzflächen leer und die Bands meistens sehr gut sind", weiß Bernhard Prühlinger. "Wenn zu der Veranstaltung das Business dazukommt, dann wird auf Knigge und Elmayer mehr gehört. In unserer Umgebung ist das vor allem bei den teureren Locations in Linz, teilweise auch in Wels und Steyr der Fall. Beispielsweise bei den Bällen der Wirtschaftsunis oder im Kaufmännischen Verein. Von denen gibt es vielleicht drei bis vier im Jahr in unserer Umgebung."

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