Thomas Arzt im Gespräch
Die Verteidigung von Molln

Foto: Sageder
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Ab 1. Juni 2019 wird „Die Verteidigung von Molln“ uraufgeführt. Der renommierte Schlierbacher Autor Thomas Arzt hat für dieses ‚Volksstück mit Musik‘ den Text verfasst. Es geht um Außenseitertum, Heimatverbundenheit und die versöhnende Kraft der Musik. Die BezirksRundschau führte mit dem Dramatiker ein Interview.

Sie sind ja ein international renommierter Dramatiker, dessen Stücke „normalerweise“ auf großen Bühnen gespielt werden. Wie kam die Zusammenarbeit mit dem Mollner Theater „frei-wild“ zustande?

Es stimmt, ich arbeite vorwiegend mit professionellen Theaterhäusern zusammen. Der „Profibereich“ hat aber auch seine Grenzen – zum Beispiel erreiche ich nicht immer die Menschen, die ich erreichen möchte. Daher habe ich mich über die Anfrage aus Molln sehr gefreut – auch wenn sie mich überrascht hat und ich erst ablehnte. Ich habe mich aber dann mit den Verantwortlichen vor Ort getroffen und gemerkt, dass ihnen die selben Themen unter den Nägeln brennen, wie mir. Ihre gesellschaftskritische Haltung hat mir imponiert und ich habe mich entschieden, diesmal nicht nur „übers Land“ zu schreiben, wie in anderen meiner Stücke, sondern ganz konkret „fürs Land“ und für die Menschen dort. Außerdem hatte ich Lust, mich mit der Region zu konfrontieren, in der ich aufgewachsen bin. Ob das Experiment klappt, weiß ich freilich nicht. Heimspiele sind mitunter am schwersten.

Sie haben die Barbara-Legende ins Heute übertragen. Wie lässt sich der Inhalt/das Anliegen des Volksstückes kurz zusammenfassen?

Die Legende besagt, dass eine junge Frau der Hexerei bezichtigt wird. In der Nacht vor ihrer Hinrichtung findet sie im Kerker ein Stück Metall, biegt es zu einer Maultrommel, spielt darauf bis zum Morgen und wird letztlich durch den wunderbaren Klang begnadigt. Was mich an diesem Mythos interessiert, ist die Kraft der Kunst, die die Politik bezwingt und aus einer Geächteten eine identitätsstiftende, integrative Figur macht. Bei mir geht's daher um eine Asylsuchende, eine Geächtete von heute. Sie ist auf der Flucht vor den Behörden, landet sinnbildlich und wortwörtlich direkt in Molln und spaltet das Dorf. Soll man sie schützen? Soll man sie ausliefern? In den Kerker mit ihr oder sogar eine Hinrichtung, weil man ja mittlerweile hart durchgreifen sollte, in der „Asylfrage“? Oder kommt es zu Widerstand, Solidarität, zum Erwachen der Menschlichkeit? Die Fremde spricht zwar nicht viel, aber sie kann auf der Maultrommel spielen. Das wendet das Blatt. Mehr wird nicht verraten.

Sprache ist einer der maßgeblichen Identitätsanker, mit Sprache erschließt man sich die Realität. Klaus Albrecht Schröder, der in Linz geborene Direktor des Albertina, wollte den oö. Dialekt so schnell wie möglich loswerden. Der Mundartdichter Joschi Anzinger sagt hingegen, dass der Dialekt die Sprache des Herzens ist und er leichter so schreibt, wie er denkt. Sie stammen ja aus Schlierbach, leben aber schon einige Zeit in Wien – wie sehen Sie das mit dem Dialekt?

Ich bin irgendwo dazwischen. Man wird seinen Dialekt nur schwer los, ohne auch einen Teil von sich damit loszuwerden. Es gibt bei mir keinen Grund, ihn radikal aus meiner Sprech- oder Schreibweise zu streichen. Er ist aber auch tückisch und beschreibt bestimmte Dinge, vor allem komplexere Sachlagen, nur unzureichend. Er spricht Herz und Bauch an, aber lässt einen auch das Hirn ausschalten. Mich interessiert daher vor allem dieser Kontrast. Die Klischees, die der „Mundart“ anhaften, die poetische Kraft, die sich auffinden lässt, und die entlarvende Brutalität der Wörter. Oft klingt Dialektales ja irgendwie niedlich, bezaubernd oder sentimental, beschreibt aber sehr Körperliches und Schmerzhaftes. Das ist literarisch spannend. Und politisch nicht zu unterschätzen. Denn wer die „Sprache der Menschen“ in den Mund nimmt, wirkt oft glaubwürdiger oder „volksnahe“. Und dort beginnt Verführung und eine unglaubliche Feindlichkeit anderen Sprachen gegenüber. Wir dürfen nie aufhören genau hinzuhören, wer wie und warum jetzt spricht.

Menschlichkeit umfasst die prinzipielle Gleichheit aller Menschen jeder Herkunft und jeden Geschlechts. Sie gebietet auch religiöse und politische Toleranz und Achtung vor den Mitmenschen und seinen Überzeugungen, auch die Achtung vor Tieren und den Schutz der Natur. Wenn man die aktuellen Weltgeschehnisse verfolgt, sieht man die Menschlichkeit in vielerlei Hinsicht als sehr gefährdet. Der „Kurier“ schrieb am 28.1.2019: „Zivilcourage: Österreicher helfen bei Notlagen meist nicht“. Erleben Sie das auch so?

Ich erlebe beides. Extrem hilfsbreite Menschen in der U-Bahn. Engstirnige Passanten ohne Auge für links und rechts. Nachbarn, die rassistische Bemerkungen auf der Straße fallen lassen. Alte Menschen, die mit irrsinniger Vitalität gegen Hass und Unmenschlichkeit demonstrieren. Junge Menschen, die das Thema Umweltschutz mit mehr Engagement angehen als eingesessene, verstaubte Aktivisten. Gleichaltrige, die Männerbünde gründen und am liebsten alles erschlagen, was irgendwie nicht in ihr Weltbild passt. Gleichaltrige, die sich zwar bewusst sind, dass „was getan“ werden müsste, die eigene Lebensführung dafür aber nur ungern ändern möchten. Und eine Zivilcourage, die sozusagen „situationselastisch“ gelebt wird – je nachdem wer jetzt wie in Not ist und wie viel persönlichen Stress ich gerade habe. Das ist aber kein österreichisches Problem. Es ist europaweit viel in Bewegung und es geht um nicht mehr oder weniger, als um den globalen Umgang miteinander. Einige, die sehr Viele damit begeistern können, würden jetzt gerne eine Mauer bauen, zum Beispiel quer durch Afrika, und nationalstaatlich aufrüsten, und sie nennen es „Prävention“, und meinen eigentlich Machtgier und Gewaltbereitschaft. Das finde ich gefährlich. Und darauf suche ich Antworten im Schreiben.

Ihre Stücke werden ja in der Regel von professionellen Schauspielern gespielt. Sie haben sich in der Karwoche vor Ort in Molln vom Fortschritt des Stückes persönlich überzeugt. Wie haben Sie die Laienspielgruppe rund um den Intendanten Sageder und den Regisseur Strasser erlebt?

Alle sind mit irrsinnigem Engagement bei der Sache. Was da entsteht, ist sicherlich herausfordernd, aber kann extrem spannend werden. Die Spielerinnen und Spieler nehmen das Stück und die Arbeit daran sehr ernst, aber haben hoffentlich auch Spaß. Jedenfalls wurde viel gelacht. Und die Szene, die ich gesehen habe, hatten beides - bitterbösen Humor und traurigen Ernst. Das mag ich.

Das Stück ist ja auch die erste literarische Würdigung des Maultrommelspiels. Haben Sie sich selbst schon einmal an der Mundharfe versucht?

Ist es wirklich die erste Würdigung? Intendant Sageder hatte mir Texte von Peter Handke geschickt, der selbst scheinbar ein begnadeter Maultrommelspieler ist. Darin beschreibt er Kraft und Wirkung des „Brummeisens“. Ich selbst bin unglaublich untalentiert an dem Instrument und tue mir meist nur weh dabei. Umso mehr freue ich mich bei der Premiere auf das virtuose Spiel von Manfred Rußmann.

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