Friaulkrimi 2019
Ein blutiger Prosciutto aus dem Friaul – serviert von Monica B. Armstrong

Buchcover: Personenstatus: spurlos verschwunden, neobooks, Muenchen 2019 | Foto: Monica B. Armstrong
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  • Buchcover: Personenstatus: spurlos verschwunden, neobooks, Muenchen 2019
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Personenstatus: spurlos verschwunden - Inhalt:In Gemona del Friuli verschwinden 3 mexikanische Austauschschülerinnen spurlos. Die Carabinieri ermitteln, dass die drei mexikanischen Teenager unter falschen Namen nach Italien eingereist sind, bald darauf wird eine Mädchenleiche gefunden. Eine Gewaltwelle kommt ins Rollen, die niemand stoppen kann und auch niemand stoppen will, am wenigsten die Carabinieri. Die Leichenbestatter nehmen Maß an der zahlreichen Kundschaft, das ist aber erst der Anfang dieses Kriminalromans …Mama mia! Dieser Thriller aus der Feder der, in Klagenfurt aufgewachsenen, Italoamerikanerin Monica B. Armstrong sieht mir „nicht sehr katholisch aus“*).

Der leichenreiche „Giallo“ **) führt in das beschauliche Städtchen Gemona del Friuli, das im 20. Jahrhundert gleich zweimal ausgelöscht wurde, einmal während der Endphase des 2. Weltkriegs und zum zweiten Mal am 6. Mai 1976 durch ein Erdbeben, und kann mit einer langen Latte von Verbrechen aufwarten, wie da wären: 

  • Menschenhandel
  • Entführung
  • sexuelle Nötigung
  • Nötigung
  • Missbrauch von Minderjährigen beiderlei Geschlechts
  • Amtsmissbrauch
  • Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses
  • sexueller Verkehr zwischen Schülern und Lehrern in einer nicht näher genannten Bildungseinrichtung
  • Zuhälterei
  • Drogenhandel
  • Korruption
  • Folter und Sadismus als zweifelhafte Tourismusattraktion
  • Sextourismus
  • organisiertes, inneritalienisches Verbrechen
  • mexikanische Kartelle
  • Urkundenfälschung
  • illegaler Waffenhandel und

als „Sahnehäubchen“ auf der sowieso schon dick angerührten Blutsuppe „krönen“ 100 Morde und mehr das Inferno aus Gewalt, Sex und Mord unweit der Grenze zu Kärnten. Um diesen Ausbund der „nackten Gewalt“ zu entfesseln benötigt die Autorin nur 105 Seiten, ein unglaublicher „Body Count“ für einen Kriminalroman.



Es ist das erzählerische Geschick der Autorin, die bisher ein Jugendbuch veröffentlicht und an Filmdrehbücher mitgewirkt hat, dass „Personenstatus: spurlos verschwunden“ zu einem anregenden, wenn auch eiskalten, Lesevergnügen wird, denn sie verzichtet auf alle sensationsheischenden Effekte und setzt ganz auf Spannung und auf herbe, scharfe Gesellschaftskritik, die in diesem „Giallo“ unübersehbar ist. Gleichzeitig ist das aber auch das Problem dieses, sehr gut konstruierten und recherchierten Romans, da so gut wie niemand die blutige Geschichte und die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen des Friauls kennt, daher bleibt diese „Kritik der zynischen Vernunft“ exotisch und für den unvorbereiteten Leser völlig fremd, dem der Friaul von Tagesausflügen an die Adria und ins Hügelland mit ausgezeichneter Küche gut, aber eben nur oberflächlich bekannt ist.



Auch formal ist der Roman interessant, da die Italoamerikanerin Monica B. Armstrong sich des, in den USA verbreiteten, Stilmittels der „Faction“, (z.B. Truman Capote) eine Mischung aus „Fakten“ und „Fiktion“ bedient, die an den Reportageroman erinnert, was zu einer präzisen Verknappung der Handlung führt und so die ausschweifende Mordgeschichte auf das Wesentliche reduziert und zusätzlich für Spannung sorgt. Ein Landkrimi, der ausnahmsweise einmal nicht geschwätzig, geschweige denn geschmäcklerisch ist und dem Leser/der Leserin den Schlaf rauben wird.



„Personenstatus: spurlos verschwunden“ ist allen (erwachsenen) Lesern empfohlen, die gesellschaftskritische, andere, als die übliche, Krimikost suchen, die Gewaltromane gustieren und ein anderes, von scharfen gesellschaftlichen Gegensätzen geprägtes Italien kennenlernen wollen, ein Land, das ketzerische Gedanken kultiviert und in dem der Bürger diskret Abstand zu Kirche, Staat und Finanzamt hält. Dementsprechend sind die Grenzen zwischen Gut und Böse, zwischen dem Terror des organisierten Verbrechens und dem Gewaltmonopol des Staates fließend, was zu einer diffusen Grauzone unter dem azurblauen Himmel führt.



Feuer frei für Monica B. Armstrongs blutigen Prosciutto aus dem Friaul, ein Buch das nicht lange fackelt und alle Gangster zur Hölle schickt!

Personenstatus: spurlos verschwunden, von Monica B. Armstrong, 105 Seiten, erschienen bei Neobooks, München, 2019. Nur als ebook überall online erhältlich.



*) nicht sehr katholisch aussehen: Eine in den lateinamerikanischen Ländern gebräuchliche Redewendung für „unseriös“, „halbseiden“, „dubios“.
**) Giallo: werden in Italien die Krimis genannt. Ursprünglich geht der Begriff auf das „gelbe“ Cover der im Verlag Arnoldo Mondadori in Mailand erschienen Kriminalromane zurück, die so der Kundschaft signalisierten, dass es sich hier um Krimis handelt, das galt auch für Übersetzungen ausländischer Kriminalromanliteratur. Weiters setzt der „Giallo“ im Buch, wie im Film, stark auf Emotionen, sowie auf schrille Effekte wie Sex, Gewalt, scharfe gesellschaftliche Gegensätze, Leidenschaft, Lust, Gier und Mord, die in der Rezeption im Ausland, den italienischen Krimi oft in die Nähe des Horrorgenres gerückt haben. Auch die Entstehung des italienischen Krimis ist interessant, weil eigenständig und unabhängig von der angloamerikanischen Krimiliteratur, so ist der Krimi Made in Italy aus dem Sensationsroman des 19. Jahrhunderts entwickelt worden.Neben dem beliebten „Giallo“ gibt es noch den, vom „Gesellschaftsroman“ beeinflussten, seriösen, literarischen Kriminalroman (ohne gelbes Cover), wie zum Beispiel die Krimis von Carlo Fruttero und Franco Lucentini aus Turin und von dem Chronisten des sizilianischen Verbrechens Leonardo Sciascia.

Buchcover: Personenstatus: spurlos verschwunden, neobooks, Muenchen 2019 | Foto: Monica B. Armstrong
Monica B. Armstrong, Autorin, im Mai 2019 in Los Angeles. | Foto: Christine Trapp
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