Der bekannte Moskauer Regisseur Kirill Ganin ist 52jährig verstorben.
Theaterwelt trauert

Foto: VADA

Kirill Ganin 8.3.1967 – 22.5.2019

Der gebürtige Moskauer Kirill Ganin kam als gelernter Bauingenieur und nach zwei Jah­ren bei der russischen Kriegsmarine völlig unvermittelt zum Theater. Seine erste Insze­nierung – ein Stück frei nach Jean-Paul Sartres „Geschlossene Gesellschaft“ – brachte es 1994 im Jüdischen Theater Scholom auf gerade drei Aufführungen, noch während der dritten wur­de Ganin festgenommen. Nach einem halben Jahr in Untersuchungshaft wurde er wegen öffentlicher Pornografie zu einer hohen Gefängnisstrafe verurteilt. Dank der Intervention zahlreicher bekannter Persönlichkeiten (wie Dmitrij Bykov, Konstantin Rajkin oder Roman Viktjuk) wurde diese jedoch in eine Meldeverpflichtung mit Ausreiseverbot umgewandelt. – Seitdem existierte das Moskauer Konzeptuelle Theater Kirill Ganin.
Mit seinem häufig wechselnden, aus Profis uns Laien zusammen­gewür­felten Ensemble zeigt Ganin sowohl eigene Stücke als auch Bearbeitungen russischer KlassikerInnen. Ganins Theater zeichnet eine sehr direkte, unverblümte Sprache und die schonungslose Verarbeitung gesellschaftlich und politisch brisanter Themen aus – von Korruption, Zensur, Nationalismus, religiösem Fundamentalismus, Homophobie und den undurchsichtigen Immobiliengeschäften des Moskauer Bürgermeisters bis hin zu internationalen Angelegenheiten: In „Versenkt Milošević“ führt der Autor die Grausam­keit des serbischen Diktators auf unbefriedigte sexuelle Fantasien zurück. Dabei ist Ganin stets darauf bedacht, auch das Publikum in das Bühnengeschehen miteinzu­beziehen: In „Geiseln des Sex“ besingt Uncle Sam Guantánamo als ein paradiesisches Fleckchen in der Karibik – im nächsten Moment werden Zuseherinnen und Zuseher von einer professionellen Domina auf der Bühne ausgezogen und erniedrigt.
Ganins Werkzeug ist die Entlarvung, die Gegenüberstellung von Aufrichtigkeit und Lüge, wobei er auf das Stilmittel der Nacktheit zurückgreift. Mit den Worten „Unser Theater ist so aufrichtig, dass unsere Schauspieler es sich erlauben kön­nen ohne Kleidung auf die Bühne zu treten“ macht er die naive Ehrlichkeit seiner Inszenierungen zum Gegenpol der schamhaften verlogenen Welt der Politik. Und das in einer Sprache, die jeder versteht.
Mehr als einmal wurde Ganin von Mitgliedern der Stadtregierung als auch der Bundesregierung diffamiert, angezeigt und verklagt. Bei der Premiere von „Sex mit Lenin“ wurde die Bühne von aufgebrachten Altkommunisten mit Teer übergossen. Die Erben von Kornej Čukovskij und Michail Bulgakov strengten Unterlassungsklagen gegen Ganins Inszenierungen an. Der Regisseur seinerseits prozessierte wegen Rufschädigung gegen die Bestsellerautorin Darja Dontsova und zuletzt gegen das russische Staatsfernsehen NTV, wo er von einem geistlichen Moderator als „Pornograf und Drogensüchtiger“ bezeichnet wurde.
Ganin ist in ganz Russland als unbequemer und unbeugsamer Skandalregisseur bekannt. Die Arbeit ist schwierig, verlangt viel Improvisation und finanzielle Genügsamkeit. Das Theater muss häufig die Räumlichkeit wechseln, geprobt wird in Ganins Wohnzimmer. Dort entwickelt er mit Wut und Mut und einer gesunden Portion Selbstironie in rasender Geschwindigkeit seine Projekte. – Es gelingt ihm immer wieder auf gesellschaftspolitische Geschehnisse innerhalb einer Woche mit einer Theaterpremiere zu reagieren.
Unter Kolleginnen, Kollegen und Fachleuten findet Ganins „Theater der antifa­schistischen Pornografie“ große Beachtung und Zustimmung. Die bekannte Schaus­pielerin Alla Demidova betont: 

„Ich sehe in Ganins Theater – gebe Gott, dass es nicht von den Koryphäen unserer Kunst vernichtet wird – den intelligentesten und vielver­spre­chendsten Entwicklungsvektor des zukünf­ti­gen psychologischen Theaters.“

Auch im Ausland ist er kein Unbekannter mehr; in den letzten Jahren absolvierte das Konzeptuelle Theater Kirill Ganin zahlreiche Tourneen durch die russische Diaspora von Kanada, USA, Türkei und Israel.
2012 gründete Kirill Ganin die politische Partei „Russland ohne Obskurantismus“, mit der er sich gegen die Installation eines russischen Gottesstaates richtete. – In diesem Kontext entstand 2013 in Koproduktion mit VADA* „Der Pope und sein Knecht Trottel“, ein Theaterstück nach einem in Russland aufgrund blasphemischer Tendenzen verbo­tenen Text von Alexander Puschkin (!). Das Stück wurde unter der Fernregie von Kirill Ganin von VADA einstudiert, die Premiere in Villach per Skype nach Moskau übertragen; im Anschluss konnte das Publikum mit Violetta Volkova, der Anwältin von Pussy Riot, über das Gesehene diskutieren.
„Der Pope und sein Knecht Trottel“ war nicht das erste Zusammentreffen zwi­schen Ganin und VADA. Yulia Izmaylova und Felix Strasser lernten sich in der Saison 2005-2006 als Ensemblemitglieder des Konzeptuellen Theaters Kirill Ganin in Moskau kennen. Ohne Kirill Ganin gäbe es VADA also nicht in der heutigen Form. Auch künstlerisch hat Ganin VADA beeinflusst: Die Produktionen „Dr. Caranthanus‘ Octobermanipulation“ (2006), „marinetti und die Bindestrich-Feministin“ (2009) oder „Kuprijanow und Natascha“ (2011) tragen unverkennbare Merkmale der Ganinschen Schule. – Yulia Izmaylova:

„Wir haben viel von Kirill gelernt, vor allem auf der Bühne ehrlich zu sein.“

Weil Kirill Ganin nicht nur auf der Bühne, sondern auch privat der Korruption keinen Vorschub leisten wollte und sich noch im Krankenhaus weigerte, Bestechungs­gelder zu bezahlen, wurde eine Blutanalyse viel zu spät durchgeführt, um seine Erkrankung rechtzeitig behandeln zu können. So erlag Kirill Ganin 52jährig einer Lungenentzündung. Am 24. Mai wurde er am Moskauer Nikolo-Archangelskoje-Friedhof beigesetzt.
Noch am selben Tag gaben die Mitglieder seines Ensembles bekannt, dass das Theater gemäß dem Wunsch des Verstorbenen nicht geschlossen wird. – Zur Freude der einen und zur Empörung der anderen werden weiterhin Theaterstücke von Kirill Ganin zu sehen sein.

Felix Strasser
*VADA – Verein zur Anregung des dramatischen Appetits

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