Interview
JA-Leiter Gramm: "Ein drogenfreies Gefängnis ist eine Utopie"

JA-Leiter im Hof des Klagenfurter Gefängnisses. Der neue Anstaltsleiter wählt den Weg des modernen Strafvollzugs und setzt auf Kurse und Fortbildungen. | Foto: MeinBezirk.at
4Bilder
  • JA-Leiter im Hof des Klagenfurter Gefängnisses. Der neue Anstaltsleiter wählt den Weg des modernen Strafvollzugs und setzt auf Kurse und Fortbildungen.
  • Foto: MeinBezirk.at
  • hochgeladen von Mag. Stephan Fugger

Seit Jänner hat Josef Gramm die Leitung der JA Klagenfurt über. MeinBezirk.at hat mit ihm über die Kritik am geplanten "Luxushäfn", den Vorwürfen eines zu laschen Strafvollzugs und die Gründe, warum der moderne Strafvollzug scheitert und wann Erfolge erzielt werden, gesprochen.

MeinBezirk.at:Ist das Klagenfurter Gefängnis überfüllt?
Gramm: Ich würde sagen, dass wir gut ausgelastet sind. Wir sind für den Strafvollzug und den Untersuchungshaftvollzug für Jugendliche, für Frauen sowie für Männer zuständig. Was den Männervollzug betrifft, sind wir zu 100 Prozent ausgelastet.

Darf jetzt kein Mann mehr in Kärnten straffällig werden?
Wir haben unsere Hafträumlichkeiten mit mehr Personen belegt als vorgesehen, wir sind räumlich sehr eng bemessen und unsere Räumlichkeiten entsprechen ohnehin nicht den internationalen Standards. Wenn wir nun zusätzliche Inhaftierte erhalten, wird es noch enger.

Wie hoch ist der Ausländeranteil?
Da liegt Klagenfurt im Österreichschnitt: bei etwas mehr als 50 Prozent.

Wie viele Männer sind in einem Haftraum untergebracht?
Es gibt Hafträume mit Einzelbelegung – das kommt aber nur in Ausnahmefällen vor. In der Regel haben wir in Räumen mit zehn Quadratmetern zwei Personen untergebracht. In größeren Hafträumen mit einer Größe von etwas 15 Quadratmetern sind drei oder vier Personen untergebracht. Es ist extrem eng.

JA-Leiter im Hof des Klagenfurter Gefängnisses. Der neue Anstaltsleiter wählt den Weg des modernen Strafvollzugs und setzt auf Kurse und Fortbildungen. | Foto: MeinBezirk.at
  • JA-Leiter im Hof des Klagenfurter Gefängnisses. Der neue Anstaltsleiter wählt den Weg des modernen Strafvollzugs und setzt auf Kurse und Fortbildungen.
  • Foto: MeinBezirk.at
  • hochgeladen von Mag. Stephan Fugger

Welche Kritik äußern Inhaftierte?
Die meisten Beschwerden thematisieren die enge Hafträume und dass es zu wenig Möglichkeiten zur Bewegung gibt. Wir achten darauf, dass wir die Menschen aus den engen Hafträumen bekommen. Sie werden in Betrieben beschäftigt oder können Kurse besuchen – so geben wir ihnen eine Tagesstruktur. Das Haus ist bekanntermaßen schon sehr alt, aber der Strafvollzug hat sich weiterentwickelt.

Wo legen Sie die Schwerpunkte bei der Beschäftigung?
Da führe ich die Programme meines Vorgängers (Anm.: Peter Bevc) weiter. In erster Linie wird den Menschen eine geregelte Tagesstruktur geboten. Am Vormittag können Inhaftierte ihren Kenntnissen in Betrieben oder Werkstätten nachgehen. Wer keine Ausbildung hat, kann sich fortbilden. Etwa die Hälfte der Insassen ist in einem Betrieb beschäftigt. Das ist nur eingeschränkt möglich, da wir einfach nicht die Räume dazu haben. Heute hat gerade unser Bildungsbeirat getagt. Mit externen Anbieter wie dem katholischen Bildungswerk arbeiten wir eng zusammen.

Wie gut werden die Kurse besucht?
Ein großes Problem: Die Inhaftieren müssen motiviert werden, mitzumachen. Anfangs ist es, wie in Freiheit – es besteht eine große Euphorie. Holt man dann die Inhaftierten zu einem der Kurse, haben viele plötzlich keine Lust mehr. Diese Art von Verbindlichkeiten sind viele unserer Inhaftierten nicht gewohnt – sonst wären sie ja nicht bei uns. Hier liegt es am Geschick unserer Mitarbeiter die Teilnehmer zu motivieren. Ab 6 Uhr haben wir den Morgenappell, aber danach legen sich viele wieder hin.  Die, die es brauchen würden, sind nicht oder nur kaum zu bewegen. Es kann auch vorkommen, dass manche die Chance nicht erkennen, sie schlafen oder stören dann bei Fortbildungen. Trotzdem wollen wir die Menschen motivieren, sie sollen ja mit besseren Chancen aus dem Gefängnis gehen.

Gramm: "Es ist in Klagenfurt extrem eng." | Foto: MeinBezirk.at
  • Gramm: "Es ist in Klagenfurt extrem eng."
  • Foto: MeinBezirk.at
  • hochgeladen von Mag. Stephan Fugger

Kann eine Resozialisierung unter solchen Umständen überhaupt gelingen?
Wenn ich mir die Statistik ansehen, konnten wir bei Fort- und Ausbildungen eine deutliche Steigerung erzielen. Das zeigt uns, dass wir die richtigen Interventionen setzen. Kurse müssen zweifelsohne spannend gestaltet werden. Unser Bandprojekt kann ich hier als Beispiel nennen. Das Chorprojekt ist zurzeit nicht so gut besucht, da wir dafür Menschen benötigen, die gerne singen. Vor 20 Jahren hatten wir viele Afrikaner, die sind zurzeit nicht so stark vertreten. Einen Deutschkurs bieten wir täglich an, wir verstehen uns auch als Integrationsunternehmen. Unsere Inhaftierten können sich 24 Stunden am Tag fortbilden. Wir wollen die Menschen nicht bekehren, sondern ihnen zeigen, dass wir ihre Kultur akzeptieren, daher bieten wir Kurse zur Bundesverfassung, zu Menschenrechten oder Staatsbürgerkunde an. Jeder Mensch, der bei uns ist, kommt irgendwann wieder einmal in die Freiheit. Das Gegenüber zu verstehen, ist eine Grundvoraussetzung.

Vor drei Jahren wurden die Pläne des neuen Klagenfurter Gefängnisses präsentiert.  | Foto: MeinBezirk.at
  • Vor drei Jahren wurden die Pläne des neuen Klagenfurter Gefängnisses präsentiert.
  • Foto: MeinBezirk.at
  • hochgeladen von Mag. Stephan Fugger

Welche Wünsche hat die JA Klagenfurt bei der Planung der neuen JA in Klagenfurt eingebracht?
Man wird eine Vollzugsstruktur in Kärnten haben, die beispielhaft für Anstalten in ganz Europa sein wird. Immer wieder fällt das Wort "Luxushäfn". Da muss man differenzieren: Wenn man darunter Nachhaltigkeit eine energieautarke Organisation und eine umweltbewusste Bauweise versteht, dann sprechen wir von Luxus. Das kostet Geld. Da reden wir aber immer noch nicht von den Insassen. Was die Inhaftierten betrifft, ist die neue JA Klagenfurt so konzipiert, dass sämtlichen Gesetzen und Verordnungen Rechnung getragen wird.Man nehme auch als Beispiel die geplante Kaserne in Villach. Ursprünglich sprach man von 120 Millionen – nun sind es370 Millionen. Auch hier schlagen sich die Teuerung und die Nachhaltigkeit zu Buche.
Der österreichische Strafvollzug ist mit einer Flut von Verordnungen konfrontiert, die eingehalten werden müssten, was aber nicht immer möglich ist. Mit dem Bau der neuen Justizanstalt wird versucht, 30 Jahre in die Zukunft zu blicken. Der Strafvollzug ist immer ein Abbild der Gesellschaft: Entwickelt sich die Gesellschaft weiter, muss dazu parallel auch der Strafvollzug weiterentwickelt werden. Sonst macht Resozialisierung keinen Sinn – genau diese Überlegungen haben wir versucht in den Neubau miteinzubeziehen. 

Justizministerin Alma Zadič war bei der Präsentation der neuen Justizvollzugsanstalt in Klagenfurt. Im Hintergrund der Plan für den Bau mit "fünf Fingern." | Foto: MeinBezirk.at
  • Justizministerin Alma Zadič war bei der Präsentation der neuen Justizvollzugsanstalt in Klagenfurt. Im Hintergrund der Plan für den Bau mit "fünf Fingern."
  • Foto: MeinBezirk.at
  • hochgeladen von Mag. Stephan Fugger

Welche Vorschriften machen den Bau so teuer? Ist es der Fußballplatz?
Nein, mit dem Fußballplatz hat das nichts zu tun. In jeder Strafvollzugsanstalt gibt es einen Fußballplatz, der ist bei Weitem nicht das teuerste. Manche fragen sich, warum Gefangene einen Fußballplatz benötigen. Diese Personen haben nicht verstanden, dass das Fußballspiel international verstanden wird. Die Regeln versteht jeder – auf der ganzen Welt. Beim Fußball habe ich ein Team, hier habe ich die Möglichkeit, Menschen Regeln beizubringen. Sie müssen dazu gebracht werden, sich an Regeln zu halten, unsere Insassen sind ja bei uns, weil sie sich nicht an Regeln gehalten haben.
Mehr als 50 Prozent unserer Inhaftierten haben ein Suchtproblem, sind oftmals geistig und physisch in einer sehr schlechten Verfassung. Die Gesellschaft hat nichts davon wenn wir kranke Menschen aus der Haft entlassen. Sie sollen ja arbeitsfähig sein, ihren gesellschaftlichen Beitrag leisten. Durch den Sport kann ich das erreichen, auch die Konzentrationsfähigkeit steigt an  – sonst machen die Kurse ja keinen Sinn.

Wird der geplante Baustart 2024 halten?
Ich rechne damit, dass wir bis Herbst einen Baubescheid erhalten. Im Sommer/Herbst 2024 sollte das Ausschreibungsprozedere abgeschlossen sein. Dann kann im Idealfall im Herbst 2024 der Bagger anrollen. Eine Bauzeit von 30 Monaten ist geplant, dann könnten wir mit Ende 2027 in die neue Justizanstalt einziehen.

Was sagen Personen, die der Meinung sind, unser Strafvollzug sei zu lasch?
Diese Menschen haben den Strafvollzug nicht verstanden. In Amerika gibt es Einrichtungen, wo die Insassen in sechs Monaten ein hartes Programm durchhalten müssen. Wir haben Inhaftierte, die krank sind. Ich kann nicht Gewalt mit Gewalt heilen. Ich muss den Menschen zeigen, dass ein Leben ohne Straftaten möglich ist. Wer etwas bei uns im Vollzug anstellt, rechnet mit einer Strafe. Ihre Strafe ist dann aber ein langes Gespräch. Glauben Sie mir, das ist für viele anstrengender und härter als eine andere Sanktion.
Die Insassen müssen lernen auf andere Menschen Rücksicht zu nehmen. Dieses Credo wird in vielen anderen europäischen Ländern gelebt. In nordischen Ländern ist man da schon weiter: Dort wird der Strafvollzug als Teil der Gesellschaft akzeptiert. Ich kann nicht davon ausgehen, dass sich jeder Mensch an Regeln hält, gerade wenn man unterschiedliche Kulturen vereint – das ist auch gut so: Diese Diversität entwickelt uns weiter. Der Strafvollzug nimmt Menschen auf, die mit dieser Diversität nicht umgehen können und die ihre Regeln als die einzig wahren ansehen.

Können Sie ein Beispiel nennen, warum der harte Vollzug scheitert?
In jeder österreichischen Haftanstalt gibt es sogenannte Absonderungshafträume für Menschen, wenn sie etwa gefährliche Drohungen aussprechen. Mein Vorgänger hat eine Linie vorgezeichnet, dass man von diesen speziellen Hafträumen nicht Gebrauch macht. Es muss andere Wege geben Menschen davon zu überzeugen, dass sie etwas falsch gemacht haben. In diesem besonders gesicherten Haftraum befinden sich ein Boden, ein Betonbett und rundherum Gitter. Was glauben sie, was mit einem Menschen geschieht, der in den gesicherten Haftraum kommt? Entweder er verroht weiter, oder ich mache Interventionen, die ich Jahre zuvor gemacht habe zunichte.

Kommen Inhaftierte an Drogen?
Zu glauben, dass unser Gefängnis drogenfrei ist, wäre eine Utopie. Was wenn jemand eine Droge nimmt und man bringt ihn in einem der Absonderungshafträume. Der versteht die Welt nicht mehr. Wir versuchen das Suchtproblem aktiv mit der Person zu bearbeiten. Erst wenn der Mensch sieht, dass die Gesellschaft tolerant ist, kann man das auf sich reflektieren.

Welche Programme gibt es für Insassen mit Suchtproblematik?
Wir versuchen die Insassen von den Drogen wegzubekommen. Die Gründe, warum jemand zu Drogen greift, sind ja unterschiedlich. Erst wenn wir diese Gründe wissen und definiert haben, können wir überhaupt feststellen, ob wir diese in Haft reduzieren können. In Haft schaffen es vielleicht viele, ihren Konsum zu reduzieren. Was aber wenn, die Person nach der Haftentlassung wieder in alte Kreise gelangt? Wir ermutigen die Insassen dazu, dass sie diese Kreise dann meiden, oder versuchen alte Bindungen wieder aufzubauen. Während der Haftzeit haben wir die Möglichkeit, zu intervenieren. Es fehlt jedoch an den Netzwerken in Freiheit, genau hier müsste man ansetzen. So könnten unsere Bemühungen viel besser fruchten.

Anzeige
Ein Event für alle: THE LAKE ROCKS SUP FESTIVAL am Faaker See vom 9. -14. Mai.  | Foto: Andy Klotz Fotografie
24

THE LAKE ROCKS SUP Festival 2024
Paddelspaß für alle am Faaker See

Die Stand Up Paddel Welt blickt Anfang Mai wieder auf den Faaker See und macht das THE LAKE ROCKS Festival zu einem Event für jedermann: Es lädt zum Anfeuern, Ausprobieren und Mitpaddeln. FAAKER SEE. Villach wird einmal mehr seinem Ruf als DIE Paddelstadt im Alpen-Adria-Raum gerecht, wenn vom 9. bis 12. Mai 2024 das THE LAKE ROCKS SUP Festival zum dritten Mal in die Draustadt einlädt. Wettkämpfe, Rahmenprogramm und kostenlose Testmöglichkeiten bieten ein abwechslungsreiches Programm für...

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Du willst eigene Beiträge veröffentlichen?

Werde Regionaut!

Jetzt registrieren

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.