Jón Gnarr war ein Glücksfall für Reykjavik und Island

Sie hatten Angst vor uns.
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Er gründete "Die beste Partei", gewann die Wahl zum Bürgermeister von Reykjavik und regierte die Hauptstadt Islands vier Jahre lang überaus erfolgreich.

"Ich war schon als Kind ein Virus, und ich bin ein Virus in der Politik. Ich bin ein Troll unter Menschen. Ich bin Anarchist", schreibt Gnarr in seinem Buch. Er war ein erfolgloser, rebellischer Schüler und Mitglied einer Punkband, Taxifahrer und Komödiant. 2009 steckte Island tief in der größten Finanzkrise seiner Geschichte, Kredite wuchsen ins Unermessliche, die Wut der Bürger entlud sich in der Kochtopfrevolution, die vor den Regierungsgebäuden lärmte. Mit dem Wahlkampfsong "Wir sind die besten" eroberte Gnarrs Spaßpartei, "Die beste Partei", ein Haufen Kreativer aus Künstlern, Musikern und Schauspieler, 2010 das Rathaus.

Die Isländer waren ihr Geld los, von der Finanzkrise gebeutelt und reif für "Change":
"Was da fehlte, war etwas wirklich Neues", schreibt Gnarr.

Jón Gnarr sanierte Reykjavik und griff dabei hart durch

Jón Gnarr hatte während seiner Zeit als Bürgermeister über 8000 Mitarbeiter unter sich und wachte über ein jährliches Budget von etwa 12 Millionen Euro. Die Stadt ist das größte Unternehmen Reykjaviks. Die Isländer hatten die Nase voll von konservativen und neoliberalen Politikern, die aus Island den Mittelpunkt der Finanzwelt machen wollten und damit gescheitert waren. Jetzt musste Gnarr den Stadthaushalt sanieren und die Korruption bekämpfen. Auch städtische Behörden hatten mit ihren Geldern an der Börse gezockt. Allein die Energiebehörde hatte 1,4 Milliarden Euro Schulden angehäuft. Gnarr entließ 60 Mitarbeiter. Er griff hart durch. Die Neulinge von Besti flokkurinn (Die beste Partei) holten sich Berater von der Uni an ihre Seite und lasen sich durch Aktenberge. Sie mussten Zuschüsse für Musikschulen streichen und Schulen zusammenlegen. Gnarr: "Als wir begannen, den neuen Haushalt zu verabschieden, haben wir erst bemerkt, in was für einer klammen Lage wir waren. Es war der absolute Horror. Aber ich habe mein Gesicht gewahrt. Das grösste Problem von Reykjavik war die lokale Energiebehörde. Es war ein über die Jahrzehnte gewachsenes Bürokratiemonster, schwerfällig und träge, die Sozialdemokraten und die Konservativen benutzten es für ihre politischen Machtspiele. Mal blockierte ein Roter an der Macht die Reformen, mal ein Schwarzer. So ging das über Jahrzehnte.

Wir legten einen Masterplan vor, der das Unternehmen zurück in die schwarzen Zahlen bringen würde. Ein politisch unmögliches Unterfangen. Wir kappten jahrzehntealte stillschweigend getroffene Abkommen und reformierten das Monster, entliessen 60 führende Mitarbeiter und rissen das Ruder herum.

Wir machten etwas, das sehr unpopulär in der Politik ist. Wir trafen unpopuläre Entscheidungen. Wir mussten den Bürgern beispielsweise sagen, dass durch unseren Masterplan die Preise für Warmwasser und Elektrizität um bis zu 20 Prozent steigen werden, wenn wir die Schulden bis 2017 abbauen wollten. Darüber war niemand glücklich, aber es war notwendig.
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Literaturangabe
Indianer und Pirat (Aus dem Isländischen von Tina Flecken und Betty Wahl) Klett-Cotta, Stuttgart 2015

Hören Sie gut zu und wiederholen Sie!!! Wie ich einmal Bürgermeister wurde und die Welt veränderte. Mitarbeit: Jóhann Ævar Grímsson. Aus dem Isländischen von Betty Wahl. Klett-Cotta
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Kultur und angenehmer, effektiver Stil der politischen Kommunikation

Konservative Politiker und Banker wollten in ihrer Hybris aus dem früheren Fischerdorf Reykjavik einen internationalen Finanzplatz machen. Jón Gnarr dagegen setzt auf Identitätsbildung durch Kultur. Die neue Konzerthalle Harpa wurde dank städtischer Gelder fertiggestellt. Zudem hat Gnarr sich für Reykjavik als Unesco-Literaturstadt engagiert - und der Stadt wurde dieser Titel verliehen. Literatur war schon immer ein wesentlicher Teil unserer Identität", sagt Gnarr.

"Es ist eine Notwendigkeit in diesem Land, dass uns diese Kultur einen Ort für unsere Fantasie bietet, gerade wenn die Bedingungen da draußen hart sind. Um überleben zu können, braucht man einen glücklichen Ort in sich selbst." Jon Gnarr machte Politik, um Glücksorte zu erschaffen.

Und er hat einen angenehmeren, effektiveren Stil der politischen Kommunikation eingeführt: "Ich entgegnete Respektlosigkeit mit Respekt, antwortete mit absoluter Höflichkeit, wenn ich persönlich angegriffen wurde. "Ich nutzte die sozialen Medien, vor allem Facebook, um meine persönlichen Standpunkte darzulegen, und das hat gut funktioniert. Vor allem unsere Vorgänger von der Independent Party, einem rechtsnationalen Zusammenschluss, waren schockiert von unseren gewaltlosen Methoden. Sie hatten regelrecht Angst vor uns und dass wir die politische Kultur des Landes komplett verändern würden. Dass alle Spielregeln nicht mehr gelten würden. Das hat sie wirklich fertig gemacht."

Coole Weltstadt

Jón Gnarr war angetreten aus Reykjavik eine coole Weltstadt zu machen. Mittlerweile ist Gnarr wieder Ex-Politiker, seine Amtszeit ist 2014 abgelaufen, jetzt lebt er als Künstler und Buchautor, spricht auf den Universitäten Houston/ Texas und Wien Immer in Begleitung seiner Frau, Johanna Johannsdottir, eine enge Freundin der berühmten Sängerin Björk, und seine Stütze durch all die Jahre

Aus "Der Besten Partei" wurde eine richtige politische Partei, die ""Helle Zukunft". Die Partei zog 2013 mit 8,2 Prozent der Stimmen ins isländische Parlament ein.

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