Wo Europa gebaut wird

- >> In ísterreich interessiert es niemanden, was wir tun. << Reinhard Rack, íVP
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Lokalaugenschein im EU-Parlament: Europa kann mehr, als viele glaube. Aber noch immer viel zu wenig.
In zwei Monaten wählt Europa seine Abgeordneten. In Österreich betrug die Wahlbeteiligung 2004, als die Bürger zum letzten Mal zu den Urnen gerufen wurden, gerade einmal 42 Prozent. Diesmal sind mehr als 375 Millionen EU-Bürger in 27 Staaten aufgerufen, ihre Mandatare zu bestimmen. In Östereich sind bereits 16-Jährige wahlberechtigt – Wahlkreis gibt es, anders als bei Nationalratswahlen, nur einen. Österreich wird künftig mit nur mehr 17 (vorher: 18) Abgeordneten vertreten sein.
Die WOCHE war in der letzten Sitzungswoche im EU-Parlament in Brüssel und sprach dort mit einem Teil der EU-Parlamentarier. Was im gigantischen Gebäude an der Brüsseler Rue Wirtz auffällt: Das Treiben gleicht einem Ameisenhaufen. Andreas Kleiner von der deutschsprachigen Presseabteilung ahnt, warum: „Ein Großteil hier sind Lobbyisten – theoretisch kommen hier auf jeden Abgeordneten 20 Lobbyisten.“
Negativ sieht man das nicht: „Abgeordnete sind auf deren Expertisen angewiesen.“ Dazu kommen Heerscharen an parlamentarischen Mitarbeitern – jeder der bisher 785 Abgeordneten (künftig: 736) hat ein Monatsetat von 17.000 Euro für Parlaments-Mitarbeiter zur Verfügung. Weiters strömen etliche Besuchergruppen ins Parlament – nahezu alle Ausschusssitzungen sind öffentlich, das EU-Parlament will maximale Transparenz demonstrieren.
Große Differenz zu Wien
Worauf man hier stolz ist – anders als in Wien, wo die Koalitionsparteien im Parlament meist lediglich die Gesetzesvorschläge der Bundesregierung abnicken, ist Brüssel anders: In Österreich werden 89 Prozent der Regierungsvorlagen exakt so beschlossen, während in der EU satte 91 Prozent der Kommissionsvorschläge massiv abgeändert werden.
Othmar Karas, Delegationsleiter der ÖVP im Parlament, versucht Relationen geradezubiegen, was Europa leisten kann – und was nicht: „Der EU-Haushalt entspricht gerade einmal 0,89 Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung.“
VP-Mandatar Reinhard Rack, der nach 14 Jahren aus dem EU-Parlament ausscheidet, lobt die europäische Demokratie: „Keine Fraktion kann alleine entscheiden. Damit der Rat in die Knie geht, braucht man 500 bis 600 Stimmen der 785 Abgeordneten.“ SPÖ-Spitzenkandidat Hannes Swoboda bearbeitete in fünf Jahren eine Vielzahl von Materien – er kommt zum Schluss: „Ein gemeinsames Europa zu bauen ist wahnsinnig schwierig.“
U. Sommersguter
Sozialunion
Pointiert urteilt Noch-EU-Mandatar Johannes Voggenhuber (Grüne): „Wir brauchen eine Sozialunion mit gemeinsamer Fiskalpolitik.“ Schuld am miesen EU-Image seien die nationalen Regierungen: „Sie schaffen es, die EU zuerst zum Opfer und dann noch zum Täter zu machen.“
Globale Fragen
Ex-Justizministerin Maria Berger ist seit Dezember 2008 SPÖ-Delegationsleiterin im Parlament. Sie weiß: „Wir behandeln zunehmend globale Fragen.“ Ziel der EU sei es, die Klimaerwärmung bis 2050 auf „nur“ 2 Grad zu beschränken. „Die Atomkraft erfährt eine Renaissance.“
Jetzt geht viel
Langzeitpolitiker Othmar Karas (ÖVP), von seiner Partei auf Platz 2 degradiert, ist von Europa begeistert: „Ich hatte noch nie so viele Gestaltungsmöglichkeiten wie im EU-Parlament.“ Und er sieht auch in der Krise Gutes: „Vieles geht jetzt, was vorher nicht gegangen ist.“
Gesicht fehlt
Jörg Leichtfried, seit 2004 in Brüssel und Nr. 3 der SP-Liste, wundert sich, wie „unglaublich schlecht“ die Menschen über Europa informiert seien. Was der EU fehlt: „Markante Persönlichkeiten – mit Sarkozy hatte Europa ein Gesicht“, lobt der SP-Mann den bürgerlichen Franzosen.
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