Sprachlosigkeit überwinden: Wie Kunst die Barrieren zwischen Alt und Jung fallen ließ

Foto: Essl Museum
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KLOSTERNEUBURG (red). Gemeinsam mit Lehrerin Elisabeth Neudorfer entstand in einer mehrstufigen Zusammenarbeit ein Projekt, in dem SchülerInnen des Wiener Evangelischen Gymnasiums mit den BewohnerInnen der im selben Gebäude befindlichen Hausgemeinschaft im Diakoniewerk über die Sprache der Bilder kommunizierten. Inhalte aus dem Museum sollten so für die alten Menschen mit allen Sinnen erleb- und erfahrbar werden.

Malen hilft, Kontakt herzustellen

Elisabeth Neudorfer, die mit Andreas Hoffer und Adelheid Sonderegger vom Essl Museum das Projekt entwickelt hat, beschreibt die Projektidee: „Es hat sich gezeigt, dass dort, wo bei dementen Menschen die Sprache als Kommunikationsmittel versagt, das gemeinsame Malen hilft, Kontakte herzustellen. Mit den Kunstvermittlern des Essl Museums wurden folgende Überlegungen angestellt: Wie können wir Bilder als Kommunikationsmittel einsetzen? Welche Lernerfahrungen können SchülerInnen dabei machen? Wie können wir beim Übersetzen der Bilder in andere Medien möglichst viele Sinne der BewohnerInnen stimulieren?“

Außergewöhnliches Projekt

Andreas Hoffer und Adelheid Sonderegger von der Kunstvermittlung im Essl Museum haben die Zusammenarbeit mit den SchülerInnen, aber auch dem Wohnheim für alte Menschen als sehr fruchtbar und inspirierend erlebt: „Wir haben das Projekt sehr spannend gefunden, auch weil es nicht klar war, wie weit die Schüler dieser doch außergewöhnlichen Situation gewachsen sein würden, den z.T. dementen älteren Menschen mit vielen Sinnen etwas von ihrer Handlungsfähigkeit zurückzugeben, eine Kommunikation ohne viel Sprache zu ermöglichen.“
In einem ersten gemeinsamen Termin kamen SchülerInnen und BewohnerInnen des Diakoniewerkes zusammen, um gemeinsam auf großen Papierbahnen und mit unterschiedlichsten Malutensilien zu malen. Jeweils zu zweit versuchten die SchülerInnen, die BewohnerInnen zum Malen zu animieren.

Wangetätscheln mit Farbfingern

„Dabei entstanden sehr schöne Ansätze von Kommunikation, die Schüler haben mit außergewöhnlicher Sensibilität auf die Alten reagiert. Es zeigte sich, dass die Sinnlichkeit der Farben ihre Wirkung tat und mit viel Zeit auch jene, die scheinbar teilnahmslos auch auf das Anreden reagierten, dann doch zaghaft erste Lust bekamen, mit der Farbe Erfahrungen zu machen. Besonders schön war z.B. jene Situation, wo eine Dame, die nur Schwedisch sprach mit dem Schüler, der mit ihr versuchte zu kommunizieren, dann einfach mit den Fingern in den Farbtopf griff und Farbe auf das Papier strich und dann den Schüler mit den Farbfingern die Wange tätschelte, das war ganz unerwartet und schön zu sehen,“ reflektierten Adelheid Sonderegger und Andreas Hoffer diese einleitende Projektphase .

Kunstwerke übersetzen

In einem zweiten Schritt wurden die Schüler in das Museum eingeladen, wo sie in der Ausstellung „die andere sicht“ Werke von Xenia Hausner, Karen Holländer, Johanna Kandl, Florentina Pakosta und Eva Schlegel aussuchten, um diese dann in andere Medien zu übersetzen. Dabei nutzten die SchülerInnen unterschiedlichste Materialien. Sie konnten aus Stoffen, Folien und Papieren, sowie Objekten, Rhythmusinstrumenten, Hüten und Masken wählen, um so die im Museum gesehenen Bilder nachzubilden und den älteren Menschen vorzustellen.

„Im Gespräch zu diesen Werken haben wir mit den Schülern überlegt, wie sie das, was sie erlebt haben, umsetzen könnten, um es den alten Menschen, die nicht mehr ins Museum kommen können, auch ohne viel Sprache zu übersetzen und zu vermitteln,“ erzählt Andreas Hoffer. „So hat zum Beispiel eine Gruppe sich eine geometrische Malerei von Florentina Pakosta ausgesucht, ein Werk, das aus gelben Stäben besteht, die im Raum schweben. Dies erinnerte sie an Pommes, die sie selber gern essen. Auch wenn ich den Vergleich im Augenblick zuerst selber etwas banal fand, stellte es sich heraus, dass genau dieser Bezug zu ihrer Realität für die Schüler Ansporn für ihre gestalterische Aufgabe wurde. Gemeinsam haben dann alle Gruppen im Atelier sich im Materialfundus bedient und eine Performance überlegt. Dabei gingen die Schüler mit unglaublichem Elan an die Arbeit und entwickelten eine Vielfalt an kreativen Lösungen.“

Hemmungen schwanden

Die BewohnerInnen der Wohngemeinschaften der Diakonie hatten sichtlich Spaß bei der Vorstellung der Bilder durch die SchülerInnen und interagierten intensiv mit den angebotenen Materialien. Stoffe und Objekte wurden betastet, Rhythmusinstrumente ausprobiert. Die ursprünglichen Hemmungen der jungen Besucher gegenüber den alten Menschen schwanden.

"Wir haben uns ein sehr farbenfrohes Bild ausgesucht. Es sitzt eine Frau auf einem Sofa und ein Mann steht hinter dem Sofa. Es wird von unserer Gruppe so vorgespielt: Drei Kinder spielen die Bank. Ein Mädchen sitzt auf diesen Kindern. Ein Bub steht hinter der Bank. Ich habe gelernt, dass ein Bild manchmal besser gefällt, wenn man länger hinschaut." (Schüler Markus Zona in seinem Projekttagebuch)

Positiv überrascht

„Die städtischen Wohnverhältnisse bedingen, dass ein Großteil der SchülerInnen keinen regelmäßigen Kontakt mit ihren Großeltern pflegt. Bei vielen SchülerInnen ist die Scheu vor alten Menschen groß. Die Begegnung mit dementen Menschen führt oft dazu, dass SchülerInnen nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen und sich überfordert fühlen,“ beschreibt Elisabeth Neudorfer das Problem.
Für sie ist es gelungen, durch die klare Aufgabenstellung und die Möglichkeit Kommunikationsformen im Vorhinein zu erproben, den Schülern große Sicherheit im Umgang mit den alten Menschen zu geben: „Im Bewusstsein dieser Sicherheit konnten die SchülerInnen sich auf die Einzelpersönlichkeiten und ihre Bedürfnisse, die von Gespräch bis zum Betasten von Dingen reichten, einlassen.“

Auch Andreas Hoffer und Adelheid Sonderegger waren positiv überrascht von der Unmittelbarkeit, mit der die Schüler auf die alten Menschen zugingen und sie einbezogen: „Es war schön zu beobachten, wie viel dann doch erlebbar wurde für die alten Menschen, denen es sichtlich Freude machte, dass sie etwas miterleben konnten, etwas fühlen, etwas taten und dass sich auch manchmal ein kleines Gespräch entwickelte. Was wir aus diesem Projekt mitgenommen haben, ist wie wichtig es scheint, taktile Fähigkeiten der dementen älteren Menschen zu fördern und wie viel Freude es ihnen gebracht hat.“

Das Projekt „Gegen die Sprachlosigkeit“ wurde unter „Interkulturalität und Mehrsprachigkeit – eine Chance“ beim Bundesministerium für Bildung und Frauen eingereicht und unter mehr als hundert Teilnehmern zur Förderung ausgewählt.

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