Weinviertler Brauchtum
Wussten Sie, dass…
…der Weinviertler mit der Schubkarre ratscht und er ab und zu "durchjuchzen" muss?
WEINVIERTEL. Wenn die Glocken von Gründonnerstag bis in die Osternacht "nach Rom geflogen" sind, dann wird es für die Weinviertler Kinder Zeit, die Ratschen hervorzuholen und laut lärmend durch die Straßen zu ziehen. Denn eigentlich soll der althergebrachte Brauch des Ratschns die Gläubigen trotz Verstummen der Glocken an das Gebet erinnern. Obwohl er nicht nur im Weinviertel ausgeübt wird, gibt es doch einige Weinviertler Besonderheiten.
Seit jeher hat das Ratschn im Weinviertel einen wichtigen Stellenwert – und es ist nicht selten verbunden mit strengen Regeln. Kinder, die sich dazu entscheiden, während der Osterferien, Teil dieses Brauchs zu werden, durchlaufen in ihrer aktiven Zeit eine hierarchische Stufenleiter: Wer zu Beginn noch als „der letzte Schreier“ antritt, ratscht sich allmählich zum Ratschnmeister und später zum Altvater hoch – und das lohnt sich, denn der Ratschnmeister hat ein straffes Kommando über seine Gruppe. Pünktliches Erscheinen zu den angesetzten Terminen, eine exakte Aufstellung und Marschordnung und der präzise Einsatz der Ratschn sind wichtig – denn die Ratscher bilden in diesen drei Tagen eine Gemeinschaft.
Die Weinviertler Besonderheit – die Schubkarren-Ratschn. Wie ihr Name verrät, ähneln sie im Aussehen einer Schubkarre und werden auch wie diese am Boden entlang vor sich hergeschoben, um das durch alle Gassen schallende Klappern zu erzeugen. Oft sind sie sehr festlich geschmückt und reich mit Blumen und rot-weißen Bänder verziert.
Kirtagskultur
Den Kirtag kennt man nicht nur im Weinviertel. Das Fest der „Kirchweihe“, in Deutschland auch Kirmes, in der Schweiz auch „Chilbi“ genannt, existiert seit dem Mittelalter in ganz Österreich und ehrt die jährliche Wiederkehr des Tages der Weihe einer Kirche. Schon vor Jahrhunderten beging man diesen Tag auch bei uns mit einem Jahrmarkt (früher auch Standelmarkt genannt) und ausgelassener Volksfeststimmung. Dazu gehörten immer schon reichlich Speis‘ und Trank, Musik, Tanz, Geselligkeit und – natürlich Brautschau.
Besonders in früheren Zeiten war das Angebot an Festivitäten im ländlichen Weinviertel nicht ganz so dicht wie heute; da traf es sich gut, dass man eine Kirche möglichst am Tag ihres Schutzpatrons weihte – und sich dadurch die Kirtags-Termine in verschiedenen Ortschaften auf das ganze Jahr verteilten. Organisiert wurden die Kirtage früher vor allem von den Burschenschaften, jenen Verbänden aus jungen Männern, die sich zwischen dem Ende ihrer Pflichtschulzeit und der eigenen Hochzeit in Gruppen rund um Arbeit und Freizeit organisierten.
Im Weinviertel dürften diese Burschenschaften besonders umtriebig gewesen sein – denn bei uns entwickelte sich eine Kirtagskultur, die einige regionale Besonderheiten mitbringt. Von professionellen Kirtagsbäckerinnen und spezifischem Gebäck, wie Weinbeerkipferln und Kirtagsschlangerln aus Germteig, bis hin zur Weinviertler Kirtagsmusi reicht die Brauchtumspalette rund um das ländliche Hochfest der Kirche – und manche dieser Traditionen werden bis heute am Leben erhalten.
Wenn die Burschen juchzn
Das Durchjuchzn zum Beispiel – wie es am Kirtag in Hörersdorf bei Mistelbach noch immer praktiziert wird. Nach der heiligen Messe marschieren die Hörersdorfer Kirtagsburschen in Begleitung der Blasmusik zum Kriegerdenkmal – hier wird ein Kranz niedergelegt, die Kapelle spielt das Stück „Ich hatt’ einen Kameraden“. Danach ziehen die Teilnehmer jauchzend oder besser „juchzend“ in den Wirtshausgarten ein. Auf der „Tanz- Bie“, wie die Tanzbühne im Dialekt genannt wird, erwartet sie ein 50-Liter-Bierfass. Nach dem Anschlagen schenkt sich jeder Kirtagsbursch ein Krügerl ein, das in Folge gemeinsam in einem Zug geleert wird. So gestärkt wird nochmals durchgejuchzt, bevor sich die Burschen im Solotanz der Kirtagsgemeinde präsentieren.
Der erste Solotanz gehört dabei den Jungburschen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren, der zweite Solotanz ist für das Burschenkomitee, das den Kirtag organisiert hat und der Dritte ist den unverheirateten Altburschen gewidmet. Erst wenn die Burschen-Solos abgeschlossen sind, wird die Tanzfläche für das Publikum freigegeben – dabei gibt es am Nachmittag sogenannte „Männertouren“ und „Frauentouren, bei denen etwa Einheimische, Auswärtige oder Jungverheiratete im Rampenlicht der Bühne stehen. Nach vollendetem Tanz bekommt jedes Tanzpaar vom Komitee ein Achterl Wein serviert und bedankt sich dafür mit einer Geldspende, die es auf eine dafür hergerichtete Trommel wirft.
Klicken Sie weiter:
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.