Justizanstalt Stein: Ein Blick hinter verschlossene Tore
Am 26. April öffnete die Justizanstalt Stein ihre Pforten für Verwandte und Bekannte der 400 Mitarbeiter.
Eine Menschentraube drängt sich vor den schweren Eingangstoren der Strafanstalt. In ihrer Mitte zwei Brüder - sie wollen den Arbeitsplatz ihrer Mutter heute aus nächster Nähe kennenlernen. Nach dem Durchqueren des ersten Torbogens sind zwei Justizwachebeamte platziert. Sie kontrollieren sorgfältig jeden Namen. Nur wer angemeldet ist, darf hinein. Wer dann drinnen steht, der wird das Gelände auch für die nächsten vier Stunden nicht verlassen. Die Menschen sind ruhig, es wird nur leise und verhalten miteinander gesprochen. Unsicherheit ist den Menschen dabei ins Gesicht geschrieben. Die meisten von ihnen haben einen solchen Ort noch nie von innen gesehen.
In den alten, ehemaligen Klostergemäuern, begrüßt Martin Hoffmann, der Obmann der „International Police Association“ Niederösterreich, die rund 300 Teilnehmer. Bald darauf beginnt der Rundgang. Man wird durch eine Stadt in der Stadt geführt: Bäckerei, Krankenhaus, Kapelle, Supermarkt und ein mehrstöckiges Betriebsgebäude, in dem die Häftlinge Berufen, wie etwa Drucker oder Schlosser nachgehen. Immer wieder fallen die Blicke der Besucher aus den Fenstern. Das Bild der umliegenden Weinterrassen birgt eine seltsame Vertrautheit an einem doch so fremden Ort. „Es ist ein ganz normaler Arbeitsplatz, wie jeder andere auch. Es wird so selbstverständlich, dass man sich dann ins Gedächtnis rufen muss, wer die Menschen sind, mit denen man hier arbeitet“, erzählt eine Mitarbeiterin der Justizanstalt.
So entspannt der Spaziergang über den Hof und an den Sportanlagen vorbei auch ist, beim Betreten des Hochsicherheitstrakts wird einem schnell wieder bewusst, wo man sich hier befindet. Eine der Türen steht offen. Der Boden des etwa fünf mal drei Meter großen Raumes ist schwarz, zusätzliche Gitter sind an Fenster und Tür angebracht. Einer der Besucher legt sich in das Bett, er spürt den harten Untergrund durch die Matratze drücken. Vor dem Raum wird nur leise gesprochen. Die versperrten Türen sind zwar hochgradig gesichert, doch schalldicht sind sie nicht. Später wird noch ein Haftraum in einem anderen Trakt gezeigt. Das flackernde Licht eines Aquariums sorgt für eine nervöse Stimmung. An der Innenseite der Tür hat sich der Häftling einige Bilder aufgemacht. „Mit meiner Verurteilung muss ich mich abfinden, aber wie geht es weiter?“, steht auf einem kleinen Zettel geschrieben.
Bevor es wieder nach draußen geht, werden die Eindrücke ausgetauscht. „Es ist viel ruhiger, als ich dachte. So ganz anders, als man das aus den Filmen kennt“, erzählt ein Besucher. Beim Verlassen der Justizanstalt fühlt es sich plötzlich ganz fremd an, wieder die freie Wahl zu haben, wohin man geht.
INFORMATION:
Im Zuge der Veranstaltung konnten freiwillige Spenden in der Höhe von rund 1.600 Euro gesammelt werden. Diese kommen der Witwe eines Justizwachebeamten zugute, der im Oktober des vergangen Jahres im Nachtdienst aus tragischen Gründen in der Justizanstalt Sonnberg verstarb und einen 2-jährigen Sohn hinterließ.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.