Von Leitmeritz nach Tirol

Guntram und Ursula Pickert, die Hüter ihrer Familiengeschichte, welche auch das Grauen des 20. Jahrhunderts beinhaltet.
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Die Geschichte der Familie Pickert – Teil 1: Von der Monarchie zum Ständestaat.

KUFSTEIN (hube). Südlich des Böhmischen Mittelgebirges am rechten Elbufer liegt die heute an die 24.000 Einwohner zählende Stadt Litoměřice, auf deutsch Leitmeritz. Hier im heutigen Tschechien nimmt die bewegende und tragische Geschichte der bekannten Kufsteiner Familie Pickert ihren Anfang.

Harter Weg zum Studium
Dr.phil. Karl Pickert erwarb 1873 in der böhmischen Bezirksstadt eine Druckerei mit angeschlossenem Verlag. Die Firma florierte, unter anderem wurden 24 regelmäßig erscheinende Publikationen und Zeitungen dort produziert. Auch die 48 Jahre zweimal in der Woche erschienene deutschsprachige „Leitmeritzer Zeitung“ kam aus dem „Hause Pickert“. Aber Karl Pickert senior war nicht nur ein geschickter und erfolgreicher Unternehmer. Sein Wesen und seine Anschauungen waren von sozialer, liberaler Humanität geprägt. Der Sohn eines böhmischen Bauern schaffte trotz des durch Armut, Bescheidenheit und harte Arbeit geprägten familiären Umfeldes mit Fleiß und Ausdauer den Weg zum Studium an der Prager Universität.

Umzug nach Kufstein
1866 ereilte ihn zum ersten Mal der Ruf der Politik und er wurde Mitglied des böhmischen Landtages. Der Staatskunst als liberaler Abgeordneter des „Fortschrittsklubs“ im Reichsrat in Wien in einer nicht liberalen Zeit blieb Pickert bis zu seinem Tode 1888 treu. Sein Sohn, der Jurist Dr. Karl Pickert (1874 - 1940), heiratete im Jahre 1900 die Leitmeritzer Bürgertochter Dolores Blumentritt. Ein Jahr nach der Hochzeit wurde ihr Sohn Harald geboren. Pickert war in allen Belangen der Sohn seines Vaters und er hatte mit seiner geliebten Dolores
eine in allen Lebenslagen Gleichgesinnte gefunden. Liberalität war der Monarchie ein Dorn im Auge. Was nun genau im Jahre 1903 in Leitmeritz geschah, dass Karl und Dolores zur Übersiedelung nach Tirol, nach Kufstein, gezwungen waren, das liegt heute im Dunkeln der Geschichte. Fakt ist, dass die Familie mit ihrem nun zwei Jahre alten Kind in die Festungsstadt kam. Warum aber gerade dieser Ort? Diese Frage lässt sich, im Gegensatz zur vorhergehenden, erst heute, 112 Jahre später beantworten. Kufstein war in den Jahren des jungen 20. Jahrhunderts, kurz vor der der Katastrophe, welche zum 1. Weltkrieg führte, als eine sehr offene und liberale Stadt im Kaiserreich bekannt gewesen. Kein Wunder, dass der junge Rechtsanwalt hier für seine Familie und sich eine Zukunft sah.

Vorträge gegen Hitler
Nach der Übersiedlung und dem Bezug des neuen Hauses erfolgte
die Integration der Pickerts ins neue Lebensumfeld überraschend schnell. Mit der Eröffnung seiner Rechtsanwaltskanzlei im Zentrum der Stadt begann Karl sich auch rege im gesellschaftlichen Leben zu beteiligen. So war er eines der ersten Mitglieder der Vereinigung zur Pflege von Freundschaft, Kunst und Humor, der „Schlaraffen“ in Kufstein. Familiär ist im Jahre 1904 die Geburt von Tochter Irmtraud zu vermerken. Sie war das erste Mädchen, welches damals unter lauter Buben am Kufsteiner Gymnasium maturierte. 1914 war Karl Pickert 40 Jahre alt, altersbedingt blieb ihm deshalb der Horror der Kampfhandlungen an einer der Fronten des 1. Weltkrieges erspart. Der Keim des Bösen begann in den 1920er Jahren in Italien in Form des Faschismus und in Deutschland als Nationalsozialismus langsam, aber stetig seine Wurzeln zu schlagen. Der Jurist Pickert sah in diesen Entwicklungen in Kombination mit der Lektüre von Hitlers Buch „Mein Kampf“ die Gefahren, welche davon ausgingen. Ihm erschien die Aufklärung der Öffentlichkeit über diese absehbaren Diktaturen und die daraus absehbar folgende Kriegsführung als Notwendigkeit. Aus diesem Grund reiste er tirolweit landauf-landab und hielt Vorträge, um vor diesen Entwicklungen zu warnen. 1934 wurde Adolf Hitler Reichskanzler. Österreich war ein Ständestaat und befand sich im Bürgerkrieg. Die Zeichen für einen Anschluss an das „Deutsche Reich“, das von seinen verbrecherischen Agitatoren als „Tausendjähriges“ tituliert wurde, stand vor der Tür.

Weiterführendes Material zu dieser Reportage:

http://www.meinbezirk.at/kufstein/chronik/kufsteiner-kuenstler-dokumentierte-das-grauen-in-den-konzentrationslagern-d1264455.html

Teil 2 dieser Reportage unter:
http://www.meinbezirk.at/kufstein/chronik/von-leitmeritz-nach-tirol-d1255284.html#form

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