Modellregion Landeck sorgt für Grabenkämpfe

Am Landecker Gymnasium gibt es heftigen Widerstand gegen eine Gesamtschule.
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LANDECK (otko/sz). Für einen heftigen Wirbel sorgte vergangene Woche eine kolportierte Meldung, dass die Schulstadt Landeck als mögliche Modellregion vorstellbar sei.
Im November 2014 wurde der Entwurf einer Bildungsreform beschlossen, der unter anderem Modellregionen für eine gemeinsame Schule der Sechs- bis 14-Jährigen in Tirol vorsieht. Die Grundidee einer Gesamtschule ist es den SchülerInnen den Druck der frühen Entscheidung über den restlichen Lebens- bzw. Berufsweg zu nehmen und nach hinten zu verschieben sowie gleiche Voraussetzungen für alle Kinder aus den verschiedensten sozialen Schichten zu schaffen.
Eine kürzlich eingerichtete Steuerungsgruppe, unter anderem mit NR Sigrid Maurer, Karlheinz Töchterle und LA Gebi Mair soll das Modell ausarbeiten. Bevor es aber zu einer derartigen "Versuchsreihe" kommen kann, braucht es einen Beschluss des Nationalrates, der bis dato nicht vorliegt. Frühestens 2017 könnte der Versuch starten.

Modellregion Landeck?

Obwohl noch nichts fix ist, hagelt es jetzt schon von mehreren Seiten Kritik. Besonders heftig fielen die Reaktionen am Landecker Gymnasium aus. "Nun ist der Bezirk Landeck an der Reihe: Eltern und Kindern soll die Gesamtschule aufs Aug" gedrückt werden", waren Direktor Josef Röck, Elternvereinsobmann Jakob Egg und Schulsprecher Xaver Goidinger in einer Aussendung vor der "Demontage des Gymnasiums". Gleichzeitig wurde auch eine Online-Resolution gestartet.
Massive Kritik üben Röck, Egg und Goidinger an Bildungslandesrätin Beate Palfrader: "Die Absicht, die gymnasiale Unterstufe abzuschaffen, stößt überall auf Ablehnung. Um einen tirolweiten Aufstand gegen ihre Bildungspolitik zu vermeiden, unterläuft sie die Solidarität der betroffenen Eltern, indem sie einzelnen Bezirken die begabungsfeindliche Gesamtschule aufzwingen will. Bei der Suche nach Modellregionen waren für sie abgelegene Bezirke die erste Wahl, weil dort für die Leute eine Flucht vor ihrer Zwangsbeglückung mit der Gesamtschule schwierig ist und Kinder – wie vor vielen Jahrzehnten – wieder in Internate ausweichen müssten" Zudem wird in der Aussendung vor einer Gesetzesänderung gewarnt, in der das derzeit geltende Recht auf Mitbestimmung der Schulpartner (Eltern-, Schüler- und Lehrervertretung der betroffenen Schule) aufgehoben werden soll. "Wir fordern den Erhalt der freien Schulwahl für Eltern und ihre Kinder statt einer Zwangszuteilung in eine Gesamtschule."

Gym-Resolution ist diskriminierend

Pflichtschulinspektor Bernhard Frischmann übt herbe Kritik der Online-Resolution und hält die Aussagen der Gym-Repräsentanten für diskriminierend gegenüber den vielen AbgängerInnen der Haupt- bzw. Neuen Mittelschulen (NMS) in der Bildungsregion Landeck. "In der Gesamtzahl der MaturantInnen im Bezirk Landeck sind die MaturantInnen des BRG-Landeck eine Minderheit. Ich vermute, dass ca. 80 Prozent der MaturantInnen der Bildungsregion Landeck ehemalige AbgängerInnen von Haupt- bzw. Neuen Mittelschulen sind und weiterhin sein werden. In den Tälern sind die Neuen Mittelschulen schon seit ihrem Bestehen Gesamtschulen, da kaum junge Menschen aus diesen Regionen die Sekundarstufe I am BRG-Landeck besuchen. Diese Schulen und viele weitere Beispiele aus dem In- und Ausland zeigen, dass in einer Gesamtschule der 6- bis 14-jährigen jeder junge Mensch gefordert und gefördert werden kann. Voraussetzung dafür ist, dass sich die PädagogInnen bewegen und ihren Unterricht weiterentwickeln, da heute viele andere Kompetenzen gefragt sind, als noch vor 30 Jahren", betont Frischmann. Zudem werde in der Bildungsregion Landeck an den Neuen Mittelschulen ausgezeichnete Arbeit geleistet.

Vollste Unterstützung

Rückendeckung bekommen die Verantwortlichen des Gymnasiums naturgemäß von der Vereinigung "Pro Gymnasium Österreich": "Die Pläne der Tiroler Landesregierung, entweder in Imst oder Landeck eine Gesamtschul-Modellregion einzuführen, sind zum Scheitern verurteilt", beurteilt Rainer Gögele, der Obmann von Pro Gymnasium Österreich, entsprechende Absichten. "Genauso wie in Reutte und Lienz gibt es geschlossenen Widerstand der Schulpartner, der örtlichen Politik und der Bevölkerung gegen die Pläne, das achtjährige Gymnasium in eine Gesamtschule umzuwandeln. Vollkommen abzulehnen ist der Vorstoß der Tiroler Bildungslandesrätin Beate Palfrader (ÖVP), der das Mitwirkungsrecht von Eltern, Schülern und Lehrern bei Schulversuchen abschaffen will. Sie ist in Innsbruck daran gescheitert, eine Gesamtschul-Modellregion einzurichten und reagiert jetzt unangemessen. Anstatt die Schulpartner zu entmachten sollte sie darüber nachdenken, warum Schüler, Eltern und Lehrern ihren schulpolitischen Vorstellungen nicht folgen", verlangt Gögele von LR Palfrader "Gewissenserforschung in eigener Sache."

Keine Bildungsexperimente

Auch FP-Bezirksparteiobmann Mathias Venier spricht sich klar gegen "Bildungsexperimente im Bezirk Landeck und zur Gesamtschul-Ideologie von Landesrätin Palfrader" aus. „Die freie Schulwahl für Eltern und ihre Kinder muss in jedem Fall erhalten bleiben. Dass begabte Kinder in unserem Bezirk künftig keine ihnen angemessene Ausbildung mehr erhalten, sondern in einem Gesamtschulbetrieb unter die Räder kommen sollen, ist nicht hinnehmbar. Frau Landesrätin Palfrader soll ihren Hochmut ablegen und den Willen der betroffenen Eltern, Kinder und Lehrer respektieren“, fordert Venier. Für den FP-Mandatar ist es selbstverständlich, die Schulgemeinschaft des Gymnasiums Landeck, die eine eigene Online-Resolution zur Erhaltung ihrer Schule in der 8-jährigen Langform aufgelegt hat, vollinhaltlich zu unterstützen.

Keine generelle Abschaffung des Gymnasiums

„Das österreichische Schulsystem ist wesentlich besser als sein Ruf. Die Lehrkräfte leisten sowohl in den Gymnasien als auch in den Neuen Mittelschulen hervorragende Arbeit. Es braucht deshalb keine radikale Revolution, mit der auch funktionierende Strukturen zerschlagen werden, sondern eine Weiterentwicklung mit Augenmaß und Weitsicht“, brechen die beiden ÖVP-Abgeordneten Sonja Ledl-Rossmann und Elisabeth Pfurtscheller eine Lanze für die Qualität der Tiroler Schulen. Sie sprechen sich deshalb für eine differenziertere Debatte aus, die nicht ideologisch dominiert wird, sondern sich an den Daten und Fakten orientiert. „Tatsache ist, dass die Herausforderungen in großen Ballungsräumen andere sind, als in den Bezirken. Der Druck auf die Gymnasien ist in Tirol nirgends so groß wie in Innsbruck“, unterstreicht ÖVP-Nationalrätin Elisabeth Pfurtscheller.
Der Wunsch ihres Nationalratskollegen ÖVP-Wissenschaftssprecher NR Karlheinz Töchterle, der auch Mitglied der eingesetzten Steuerungsgruppe ist, die Modellregion dort anzusetzen, wo es wirklich Defizite gibt, nämlich in Innsbruck, ist für sie deshalb sinnvoll und nachvollziehbar. „Entscheidend ist, dass man die für eine Weiterentwicklung notwendigen Schritte in Ruhe und Sachlichkeit diskutiert. Ideologiegeleitete Attacken, wie sie bereits wieder von der Grünen Wissenschaftssprecherin Sigrid Maurer geritten werden, sind hier völlig fehl am Platz“, zeigt Pfurtscheller auf.
Viel abgewinnen kann ÖVP-Bundesrätin Sonja Ledl-Rossmann Töchterles Idee einer neuen, integrierten Unterstufe. „Seinen differenzierten Zugang, dass man bei der gemeinsamen Schule nicht nur über ein Entweder-oder, sondern auch über ein Sowohl-als-auch nachdenken sollte, kann ich nur unterstützen. Genauso wie er halte ich eine generelle Abschaffung von Gymnasien für keinen gangbaren Weg. Eine maßvollen Weiterentwicklung der bestehenden Schulstruktur sollte man aber auf breiter Ebene und sachorientiert diskutieren“, so Ledl-Rossmann abschließend.

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