Anarchist oder Trottel
„Loyal ist nicht egal“ dröhnt es täglich aus den Massenmedien. Loyalität ist ein hohes Gut, wird man belehrt. Loyalität dem Bürger gegenüber wird gerade sehr strapaziert. Wenn einer nur Bundeskanzler werden will, dann ist es mit der Loyalität nicht weit her. Loyalität gebietet Anstand und Redlichkeit - das ist im Staat Österreich nicht zu spüren. Das wusste auch schon Arthur Schnitzler - Schriftsteller, Erzähler und Dramatiker. Er, der in der Kaiserzeit und in der Ersten Republik gelebt hat, zeigt in Professor Bernhardi ein Sittenbild über die Mechanismen der Macht.
Im Theater in der Josefstadt führt uns Regisseur Janus Kica in eine österreichische Klinik, in der es weniger um Heilung, sondern vielmehr um Intrigen, Unaufrichtigkeit, Machtgelüste und Antisemitismus geht. Schnitzler, Arzt und Jude, hat solchermaßen direkten Einblick in die Befindlichkeiten der Charaktere.
Professor Bernhardi ist Direktor des Elisabethinums, eine Klinik, die von einer Stiftung, die aus eitlen, gottgefälligen, einfältigen Personen besteht, Geld erhält. Und wenn dort einem Mitglied der Furz drückt, wird sogleich mit der Zaster-Keule gedroht. So auch in einer Causa, die dem Arzt-Ethos gemäß ohne Debatte abzuhandeln ist. Bernhardi verweigert aus medizinischen Gründen einem Priester den Zutritt zu einem im Sterben liegenden Mädchen im Euphorie-Zustand.
Nun brechen unterschwellig vorhandene Konflikte auf. Verweigerte Karrierewünsche, offen ausgetragene Antipathien, die Hackordnung kommt an die Oberfläche. Das hochnotpeinliche Gezerre endet in einer Ärztekomödie, wäre da nicht ein Geflecht von treulosen Ganoven. Bernhardi entschuldigt sich nicht, tritt vom Posten des Direktors zurück und geht sogar ins Gefängnis. Der Spreu vom Weizen ist schnell getrennt. Wenige zeigen Loyalität, ein paar Lulus, gefährliche Karrieristen prägen eine moralisierende Gesellschaft. Windige Minister, damals wie heute, vergessen Anstand und Zuverlässigkeit. Unterrichtsminister Dr. Flint (Bernhard Schir), selbst Arzt, und vermeintlicher Freund des verfemten Bernhardi, zuerst ein jovialer Schulterklopfer, erweist sich als mieser Opportunist. „Was macht das schon aus, ein paar Wochen im Gefängnis zu sein. Du sieht gut aus“, meint er launig zu dem zur Säule Erstarrten. Bernhardi ist abgeklärt, will nur die Arztzulassung zurück. Gönnerhaft setzt der Minister seine Unterschrift darunter. „Es sei dir gewährt“, ruft er herablassend. Hofrat Dr. Winkler vom Unterrichtsministerium steht über all den Dingen und seufzt ob seiner Funktion: „Du musst hier entweder ein Anarchist oder ein Trottel sein.“ Jetzt ist doch noch aus der Tragödie eine Komödie geworden.
Das taffe Männer-Ensemble mit Herbert Föttinger als Dr. Bernhardi, Professor für interne Medizin und Direktor des Elisabethinums ist ein lupenreiner Trotzkopf. Dr. Ebenwald, Professor der Chirurgie, Vizedirektor ist mit Florian Teichtmeister ein intriganter Gegenspieler, Dr. Cyprian, Professor für Nervenkrankheiten ( André Pohl) spielt einen bigotten Karrieristen, Dr. Pflugfelder, Professor für Augenkrankheiten, (Michael König) und Dr. Löwenstein, Dozent für Kinderkrankheiten, zeigen lautstarke Loyalität zum Chef. Alle anderen sind Mitläufer, die mal so, mal so votieren. Selbst Dr. Wenger (Alexander Strömer), der trotz Widerstand im Kollegium von Professor Bernhardi zum Abteilungsleiter bestellt worden war, schlägt sich auf die Seite der Ausständler. Er ist nicht der einzige Opportunist in diesem Stück. Matthias Franz Stein gibt den redlichen Franz Reder - Pfarrer der Kirche zum Heiligen Florian.
Hausherr Herbert Föttiger und Florian Teichmeister sind brillante Gegenspieler, Bernhard Schir ist der Politiker, den man ablehnen muss, aber oft nicht kann, weil er an den Reglern der Macht sitzt. Mit diesem Vorsatz wünsche ich ein positives 2018. Passen Sie auf, mit wem sie sich politisch einlassen.
Next Prof. Bernhardi am 5.1.2018.
Infos und Tickets: www.josefstadt.org
ReinhardHübl
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